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14.12.2013

Ladakh Solo - Zu Fuss durch Klein- Tibet 2

 



Am nächsten frostigen Morgen weiß ich schon was mir bevorsteht: Etwa siebenmal, muss ich den Bach durchwaten, oft in kurzer Folge!

Es kostet schon etwas Überwindung bei den so früh am Morgen noch sehr frischen Außentemperaturen sich barfuß mit Sandalen in das eiskalte Gewässer zu begeben. Unmittelbar nach dem ich auf der anderen Seite bin, gefrieren bereits die Wassertropfen an den Sandalen. Erst gegen 9, als die Sonne den Talgrund erreicht hat, wird es wärmer.
In Pang errege ich etwas Erstaunen bei meinem „Einkaufszelt“ von gestern, da ich schon wieder da bin. Es gelingt meinen Fehler zu erklären und die Leute sagen mir voller Mitgefühl welchen Weg ich einschlagen muss. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, erst einmal zu frühstücken. Tee, Chapatis und Ei.
Meine Landkarte ist falsch, was Pang angeht. Statt der tatsächlich vorhandenen zwei Brücken über den Toze Chu ist nur eine eingezeichnet!
Was soll's, diesmal finde ich ohne Probleme das abzweigende Seitental und habe schon bald Pang und die Straße hinter mir gelassen. Endlich einmal wieder ein schöner, sonniger Tag. Allerdings wirkt das breite, fast wüstenhafte Tal in dem ich jetzt laufe etwas monoton.
Überraschenderweise begegne ich heute westlichen Touristen. Ein franko-kanadisches Paar mit einem Guide aus Nepal will in Pang seine 11-tägige Trekkingtour beenden. Ihr Gepäck tragen 4 Esel, die von einem urig aussehenden, alten Nomaden geführt werden. Er ist klein und drahtig, mit sehr braunem Gesicht aus dem gelbe Zähne blitzen. Der Mann trägt eine an Mönche erinnernde braune Kutte, einen hellen Hut und eine Gebetskette um den Hals. Er schüttelt mir die Hände und redet intensiv auf mich ein, leider verstehe ich kein Wort!
Das Paar hat mir erzählt, dass ein Stück weiter Nomaden lagern, sie aber ansonsten fast niemanden auf ihrem Trek gesehen haben. Als ich etwas später fünf riesige schwarze Hunde allein im Kiesbett sehe, gehen meine Alarmglocken an. Wahrscheinlich ist eine Viehherde in der Nähe, aber ich sehe weder Tiere noch Hirten. Es wäre ziemlich unangenehm wenn mich die Wachhunde für eine Bedrohung ihrer Schützlinge halten würden! Glücklicherweise beachten sie mich überhaupt nicht und dösen im Kiesbett weiter vor sich hin.
Entfernt passiere ich etwas später ein weiße Zelt und danach noch einmal eine Gruppe von dreien. Ein Mann trägt Brennholz, besser gesagt niedrig wachsendes Gestrüpp in einer Art Kiepe zum Lager. Eine riesige Schafherde wird von zwei halbwüchsigen Jungen gehütet, die westliche Kleidung tragen und zunächst auch in meine Richtung gehen. Sie rufen mir etwas zu, aber schließlich verlässt sie wohl der Mut, daher kommen sie nicht näher heran.
Obwohl das Tal ziemlich eben ist, entdecke ich zunächst keinen Lagerplatz, weit und breit nichts als Steine! Aber wie immer finde ich nach einigem Suchen doch noch einen schönen Fleck.


Obwohl ich ja inzwischen schon einiges an Training absolviert habe, spürte ich heute das nach dem Einkauf wieder gestiegene Rucksackgewicht ziemlich intensiv...
Ich koche immer drei 100- Grammpackungen der Magginudeln mit Marsala -Soße auf einmal, dennoch ist mir klar, dass der Nährwert dieser Nudeln nicht sehr hoch ist. Aber als ich Tsampa einrühre, der gut bindet, stellt sich bald ein wunderbares Sättigungsgefühl ein.
Abends unternehme ich einen Spaziergang in die Hügel. Die Weite außerhalb des Tales gefällt mir viel besser, allerdings wird das Vorankommen hier durch steile Erosionsrinnen erschwert.
Ein strahlender Morgen ohne ein Wölkchen am Himmel erwartet mich. Schon bald zweigt laut Karte meine Route aus dem Haupttal ab. Jetzt zeigt es sich, dass es durchaus sinnvoll war ein GPS mitzunehmen. Schon zu Hause hatte ich die Koordinaten des Abzweigs eingegeben und finde jetzt auch gleich mühelos die Stelle. Ich bin zwar überzeugt, dass das auch ohne dieses Hilfsmittel möglich gewesen wäre, aber häufig zweigen eine ganze Reihe von Seitentälern ab, so dass es gar nicht so einfach ist, das Richtige zu treffen.
Während das Haupttal bisher eher breit und öde war, entpuppt sich der Abschnitt den ich jetzt durchwandere als richtig idyllisch. Häufig stoße ich auf herrliche grüne Lagerplätze. Immer wieder sehe ich große Hasen in dieser Umgebung. Nachdem das Tal sich ausgeweitet hat, verengt es sich schließlich zu einer engen, dunklen Schieferschlucht, in der ich diesen mächtigen Argalischädel entdecke.

                                                           Argalischädel

Argalis sind die größten Wildschafe der Welt. Während ihre Vettern in Zentralasien noch stärker sind, finde ich auch diese Schnecken ziemlich beeindruckend! Trophäenjäger sind bereit viele Tausend Euro für so eine Beute zu bezahlen, und hier liegt der Schädel einfach herum!
Zwar lockt es mich sehr, die Schlucht weiter zu erkunden, allerdings wird mir klar, dass ich den Abzweig zum Pass Thelakung La verpasst habe. (trotz GPS!) Also gehe ich ein Stück zurück. Einige undeutliche Hufspuren führen in eine Nebenschlucht. Doch auch diese verengt sich schon bald so, dass auf der Hand liegt, auch hier nicht auf dem richtigen Weg zu sein. Ich habe keine Lust weiter herumzusuchen, klettere aus der Schlucht und bestimme die Richtung zum Pass mit GPS und Kompass.
Hier oben bin ich wieder in der typischen braunen Weite des Hochlands. Das Gelände ist zwar ziemlich wellig, setzt mir aber keine Hindernisse entgegen. Leider hat sich das Wetter wieder geändert. Es ist jetzt windig und kalt. Bald stoße ich auf den verlorenen Pfad zum Pass und erreiche den Thelakung la auf 5029 m gegen 13 Uhr. Obwohl ich nun wieder über 5000 Meter erreicht habe, war der Anstieg kaum bemerkenswert. Auch die Täler sind hier sehr hoch gelegen. Leider trübt das Wetter die Aussicht ein wenig.
Am Fuß des Passes baue ich schon gegen 14 Uhr an einem klaren Bach der aus einem Seitental kommt mein Zelt auf. Bald erscheint ein einsamer Reiter. Er entpuppt sich als der Begleiter der Kanadier, der jetzt nach Hause zum Tsomoriri reitet. Wieder bietet er mir seine Dienste an, was ich aber ablehne. Mittlerweile habe ich mich gut an den Rucksack gewöhnt, und bin auch stolz darauf autark unterwegs zu sein!
Während ich bisher keine Gesundheitsprobleme hatte, schmerzt heute die Außenseite meines linken Fußes. Ich weiß zwar nicht bei welcher Gelegenheit, aber offensichtlich habe ich mir eine Zerrung zugezogen. Hoffentlich wird der Schmerz nicht schlimmer. Es wäre kein Vergnügen tagelang hier durch die Gegend zu humpeln!
Bei einem ausgedehnten Spaziergang erkunde ich die Umgebung. Erstaunlich wie viele Vögel es hier gibt. Lerchen, Pieper, Steinschmätzer und so weiter. Die Kolkraben gibt es auch bei uns in Deutschland. Auf einer Hochweide im Talkessel grast eine große Yakherde von etwa 50 Stück. Auch einige Kälber sind dabei, die immer wieder grunzende Laute von sich geben.

                                                              Yaks hinter dem Thelakung la

Natürlich wimmelt es auch hier von ziemlich scheuen Pikas. Zwei große Adler am Himmel haben es wahrscheinlich auf sie abgesehen.
Rechtzeitig zum Sonnenuntergang erklimme ich einen Berghang. Faszinierend wie die Gipfel im letzten Licht leuchten!



Mir ist klar, dass ich mein Zelt noch vor dem Einbruch der Dunkelheit erreichen muss, denn ich habe keine Lust mir im Dunkeln „die Haxen zu brechen“ oder gar mein Stoffhaus nicht wieder zu finden. Dennoch lasse ich es mir nicht nehmen, den Sonnenuntergang auf dem Hügel zu bewundern.
Am Morgen ist der Bach neben dem Zelt mit einer Eisschicht überzogen! Trotz der Eiseskälte habe ich die Nacht in meinem neuen Daunenschlafsack, dessen Komforttemperatur laut Hersteller bei – 15 Grad liegt, gut überstanden. Natürlich frühstücke ich im Zelt! Zwar wollte ich auf diesem Abschnitt morgens nur Tsampa essen, aber ich habe schnell gemerkt, dass das Zeug für sich alleine nicht besonders schmeckt. Daher strecke ich meine verbliebenen Müslivorräte in dem ich sie mit dem gerösteten Gerstenmehl mische.
Etwas Warmes wie Tee oder Kaffee gibt es übrigens nicht zum Frühstück, schließlich soll meine eine Gaskartusche ja bis zum Ende der Tour reichen.
Beim Zeltabbau trage ich dann alles was ich habe, sogar die Sturmhaube kommt wieder zum Einsatz.
Allerdings sind die Minustemperaturen nicht von langer Dauer, als die Sonne an diesem strahlend schönen Morgen hervorkommt, wird es rasch wärmer und ich lege eine Bekleidungsschicht nach der anderen ab. In dem weiten, nur manchmal von einigen gelben Gräsern und dornigen Zwergsträuchern bewachsenen Tal komme ich mir wie ein Entdecker in Tibet vor. Die Weite und Stille der Landschaft versetzten mich in eine Art Trance. 

                                                     "tibetische" Weiten

Allerdings ist die Gegend keineswegs leblos. Immer wieder begleiten mich in gehörigem Abstand einzelne Kiangs oder kleine Gruppen der Wildesel. An einer Stelle zähle ich neun Murmeltiere vor ihrem Bau! Leise gurrende, turteltaubenähnliche Hühnervögel an einer sandigen Stelle beachten mich kaum.
Obwohl ich an einem Bach gezeltet habe, ist jetzt weit und breit kein Wasser mehr zu finden. Dummerweise habe ich es auch versäumt, in der Morgenkälte meine Flasche zu füllen. Also heißt es jetzt dürsten! Ich kann nur hoffen, dass es weiter unten im Tal wieder Wasser gibt.
Obwohl ich einmal eine kleine Pferdeherde aus 6 Rappen und 2 Schimmeln sehe, begegne ich heute keinem anderem Menschen. Wahrscheinlich nutzen die Nomaden dieses Tal eher als Winterweide. Wie aus dem nichts taucht gegen Mittag der Bach wieder auf und ist rasch so breit, dass ich manchmal nach einer günstigen Stelle suchen muss, wo ich ihn von Stein zu Stein überqueren kann. Gras- und Kiesebenen wechseln einander ab. Manchmal laufe ich über eine Stunde zur nächsten Talbiegung um mich danach vor der nächsten weiten Ebene wieder zu finden. Ich komme schnell voran, daher schlage ich schon um 14 Uhr mein Lager auf einer Rasenfläche zwischen den Bachmäandern auf.
Das GPS zeigt mir, dass ich heute mehr als 19 Kilometer Luftlinie zurückgelegt habe. Zwar waren ab Mittag einige Wolken aufgezogen, aus denen es einige Tropfen geregnet hatte, aber es ist immer noch warm und schön, so dass ich die Gelegenheit zu einem Vollbad im Bach wahrnehme. Besonders lange halte ich es in dem eiskalten Wasser allerdings nicht aus!
Später breche ich dann wieder zu einem Erkundungsgang talabwärts auf.


In dem Schwemmland voller kleiner Wasserläufe tummeln sich zahlreiche Schnepfenvögel, sogar ein auffälliger Stelzenläufer stolziert zwischen den Bacharmen umher.

Während ich heute in der weiten Ebene keinen Pfad entdecken konnte, bemerke ich jetzt Pferdespuren, die sich vom Bach entfernen. Laut Karte kürzt hier der Weg eine weite Bachbiegung landeinwärts über einen niedrigen Pass ab. Obwohl es langsam spät wird und ich nicht im Dunkeln herum stolpern will, kann ich mich nicht losreißen und habe schließlich auch den Manechan la erreicht. Auf der anderen Seite grast ein Kiang und entfernt zahlreiche Yaks. Auf dem Rückweg genieße ich den farbigen Sonnenuntergang und erreiche schließlich mit dem letzten Licht wieder das Zelt. 


Nach einer frostigen Nacht bricht ein weiterer herrlicher Morgen an. Schon um 9 Uhr ist es so warm, dass ich im T-Shirt laufen kann. Ein Kiang kommt mir aus dem Schatten eines Berghangs entgegengaloppiert, dreht als er mich erkennt ab, und läuft in das bereits sonnige Tal. Ein herrlicher Anblick!

                                                           Ein einsamer Kiang

Die Sonne zaubert Leben hervor, dass man bei den Frosttemperaturen des frühen Morgens kaum für möglich halten würde: Fette Hummeln und einige Schmetterlinge. Dennoch sind die Zwergsträucher bereits kupferrot verfärbt. Weite Schotterfelder wechseln sich immer wieder mit fruchtbarem Schwemmland ab. Zwar sehe ich stellenweise Yakherden, aber auch heute begegne ich keinem Menschen.
Erst gegen Mittag ändert sich der Charakter des Tales. Es wird enger, tiefer eingeschnitten und der Bachlauf hat jetzt oft fünf Meter Breite und ist kaum noch mit den Stiefeln trockenen Fußes zu überqueren. Bald gelange ich an einen idyllischen Lagerplatz, der aber eigentlich einem fetten Murmeltier gehört…
Später erkunde ich dann ein Seitental. Zunächst glaube ich, nicht sehr weit zu kommen, da es bald ziemlich steil wird, aber tatsächlich zieht sich die Schlucht immer tiefer in die Berge hinein. Hierhin gelangt wohl nur manchmal ein Nomade. Ich träume davon wieder zu kommen...
Durch ein solches verstecktes Tal tief in die Berge zu gelangen, an einem schönen Platz ein Lager aufzuschlagen, Erkundungsgänge zu unternehmen und mit etwas Glück Wildschafe oder gar den Schneeleoparden zu fotografieren...
Die letzten beiden Tage in dem breiten Tal waren etwas eintönig, aber ich bin davon überzeugt, dass diese Berge noch viele Geheimnisse wahren. Man muss nur die ausgetretenen Wege verlassen!
Glücklicherweise hat mein Fuß heute nicht mehr weh getan. Es war wohl nur eine vorübergehende Überlastung durch irgendeine Bewegung. So etwas passiert natürlich relativ leicht mit dem schweren Rucksack auf dem Buckel.
Ich bin am nächsten Morgen noch nicht lange unterwegs, als ich im Schotterbett des Baches eine Bewegung wahr nehme. Ich gehe davon aus, dass es wie so häufig ein Kiang ist.
Aber als ich mit dem Fernglas genauer hinschaue, traue ich meinen Augen kaum: Das Tier im Talgrund ist ein Wolf! Die Färbung des relativ kleinen Tieres ist rötlich mit weißer Schnauze und schwarzer Schwanzspitze. Der Wolf verhofft einige Zeit und verschwindet schließlich nachdem ich ihn etwa drei Minuten beobachten konnte durch die Wasserläufe des Tales trabend aus meinem Gesichtsfeld. Leider war das Tier für ein Foto zu weit entfernt.
Etwa später sehe ich dann noch tatsächlich einen Kiang und an den dunklen, steilen Schluchtwänden kreist ein Adler. Schließlich öffnet sich das Tal ein wenig. Häufig stellen grüne Wiesenstreifen jetzt tolle Lagerplätze dar. Aber natürlich mache ich so kurz nach meinem Aufbruch noch nicht halt. An einer Stelle blüht etwas Edelweiß, allerdings nicht in den Massen wie ich sie in der Mongolei gesehen habe.
Nach zweieinhalb Wanderstunden eröffnet sich eine weite Schotterebene meinen Blicken, und dann sehe ich zum ersten Mal den Tsomoriri, einen relativ schmalen, in Nord-Südrichtung sich über 30 Kilometer erstreckenden See.
Über seinem Ostufer erheben sich 4 weiße Gletscherberge. Nachdem ich jetzt lange Zeit auf dem selben Ufer marschiert war, durchwate ich nun den Phirse Phu, wie der Fluss hier heißt, mit meinen Sandalen. Mein GPS zeigt mir, dass es lediglich ca. fünf Kilometer bis zum Ostufer des Sees sind. Eine leichte Übung in der flachen Landschaft denke ich.
Allerdings sollte ich mich getäuscht haben...
Lange Zeit beobachte ich eine kleine Kiangherde die vom spärlichen Gras der Schotterebene frisst. Deutlich lassen sich der Hengst welcher die Gruppe anführt, 2 Stuten, ein Halbwüchsiges und ein kleines Fohlen unterscheiden. Sie halten zwar Abstand zu mir, beachten mich ansonsten aber nicht weiter.





In der klaren, wolkenlosen Atmosphäre wirkt alles ganz nah. Es ist so warm, dass ich im T-Shirt laufen kann. Heuschrecken segeln durch die Luft und über allem liegt eine magische Stille. Von der Anwesenheit des Menschen ist nichts zu spüren.
Die Schotterflächen werden manchmal von gelbem Gras abgelöst, der Boden ist oft von Salz weiß verkrustet. Ich hatte mich bereits gefragt, wie der Pare Fluss aussehen wird, der von Norden kommend in den Tsomoriri einmündet. Wird es schwierig werden, diesen auf der Karte fett eingezeichneten Fluss zu überqueren?
Als ich dann schließlich an seinem Ufer stehe, und in seinem Bett nur noch einige schlammige Pfützen verblieben sind, wundere ich mich denn doch!
Auch die zahlreichen anderen Wasserläufe des Kyangdam genannten Deltas sind kaum wahr zu nehmen. Das soll ein bedeutendes Feuchtgebiet sein?
Ich wähne mich bereits auf der anderen Seite des Deltas, als ich vor einer ausgedehnten Wasserfläche stehe, offenbar ein Altwasser des Pare. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es zu umrunden. Kaum habe ich das geschafft, stehe ich am Ufer des nächsten Gewässers. Nach meiner Karte ist hier nichts dergleichen zu vermuten!
Es scheint, ich muss fast bis zum Austritt des Pare aus dem Gebirge in die Schwemmebenen zurück gehen, ein gewaltiger Umweg! Das Gewässer ist nur etwa 50 Meter breit und wie ich vermute ziemlich flach. Also will ich versuchen es zu durchwaten.
Um die Wassertiefe zu prüfen, lege ich meinen Rucksack und die Kleidung ab und steige in das Gewässer. Immerhin scheint die Sonne und es herrschen angenehme Mittagstemperaturen. Das gilt aber nicht für das Wasser! Zwar reicht es nur etwa bis zur Hüfte, aber noch weit bevor ich die Hälfte des Weges zurück gelegt habe, bin ich fast erstarrt. Eilig trete ich den Rückzug an. Mir bleibt nichts anderes übrig, als weiter die Uferlinie entlang zu traben.
Schließlich liegt auch das letzte Altwasser hinter mir und ich stehe wieder auf festem Boden. Für die 5 Kilometer Luftlinie habe ich dreieinhalb Stunden benötigt. Nichts desto trotz ist die Weite des Deltas faszinierend.
Aber wo sind die Tiere? Außer einigen Rotschenkeln und anderen Watvögeln die im Schlamm herum stochern sehe ich nichts, auch kein Vieh. Dennoch weisen einige Unterstände aus Stein darauf hin, dass die Gegend zeitweise von den Nomaden genutzt wird. An einem klaren Bächlein kann ich noch einmal meinen Durst stillen und die Flasche füllen.
Danach werde ich mich wohl an das salzige Wasser des Sees gewöhnen müssen. Wie ich gelesen habe, sind die Zuflüsse auf der Ostseite meist ausgetrocknet. Von einem Hügel eröffnet sich noch einmal ein herrlicher Ausblick über das Delta mit seinen Altwassern. Komisch, das davon nichts auf der sonst guten Karte verzeichnet ist. 

                                                       Das Delta von Kyangdam


Eine magische Stille liegt über der Landschaft, die kein menschliches Geräusch stört. Fette Heuschrecken segeln ab und zu durch die Luft.
Ursprünglich hatte ich vor, direkt von der Südspitze des Sees weiter landeinwärts nach Osten zu gehen. Allerdings hatte mir der Führer der Schweizer erzählt, dass die Gegend gesperrt sei, und nicht in meinem Permit eingeschlossen ist. Außerdem gäbe es hier einen Militärstützpunkt, von dem Patrouillen ausgesandt würden. Daher hatte ich beschlossen dem Ostufer des Sees nach Norden zu folgen. Zwar ist auf der Karte ein Weg eingezeichnet, aber wie ich ja inzwischen mehrfach feststellen musste, sind solche Einzeichnungen hier häufig reine Fantasiegebilde. Das Ostufer wirkt ziemlich zerklüftet. Ich bin gespannt wie ich hier vorankommen werde.
Ab jetzt folge ich der steinigen Uferlinie die nur selten von schmalen Grasstreifen unterbrochen wird. Wie erwartet ist nichts von dem in der Karte eingezeichneten Pfad zu erkennen. Es ist heiß und die Sonne brennt gnadenlos auf das türkise Wasser des Sees.
Seine tolle Farbe könnte einen fast in die Südsee versetzen, wenn da nicht die kahlen, braunen Ufer und die aufragenden Schneeberge wären. Bevor ich eine Landzunge abkürzen will, schlage ich mein Zelt am Strand auf. Ich nutze die Gelegenheit zu einem Bad in dem erstaunlich warmen Wasser, in dem viele Kleintiere schwimmen. Bei einem Abendspaziergang kann ich die einmalige Atmosphäre des Sees in mich aufnehmen. Normalerweise ist es hier ziemlich windig, um so erstaunlicher finde ich es, das heute kein Lüftchen geht, und der See ruhig und spiegelblank schimmert.

Ein ruhiger Abend am Tsomoriri



Besonders schön wird es, als die fernen Schneeberge von der untergehenden Sonne gefärbt werden, und dann ein halber Mond sein silbernes Licht im Wasser spiegelt.



Nach einer Nacht ohne Frost bin ich frühmorgens wieder unterwegs. Nur ein kurzes Stück geht es noch am Strand entlang, dann suche ich mir meinen Weg landeinwärts, um ausgedehnte Landzungen abzuschneiden. Von oben eröffnet sich noch einmal ein Blick zurück zur Südspitze des Sees.

                                                  Südspitze des Tsomoriri

Dann und wann folge ich ein Stück der Andeutung eines Pfades, meist wähle ich aber für mich selber die günstigste Linie durch das stark durchschnittene Gelände, wo ein kurzer Anstieg vom nächsten abgelöst wird.
Obwohl die Gegend trocken und unfruchtbar wirkt, beobachte ich einen Kiang, der mich kaum beachtet. Als ich an einer Bucht ankomme, sehe ich entfernt am anderen Ufer bereits den relativ groß erscheinenden Ort Korzok. Steile, tief eingeschnittene Gräben die ich mit größter Vorsicht quere, um nicht in einer Gerölllawine am See zu landen, unterbrechen den felsigen Uferhang. Auch heute herrscht wieder warmes Sommerwetter.
Als ich einen weiteren Hang erklommen habe, stoße ich überraschend auf eine Jeepspur. Die Uferberge treten zurück und weichen einer breiten, flachen „Küstenebene“ Mein Blick schweift von hier fast bis zum Nordende des Tsomoriri.

                                              Fantastische Farben


In der Ebene angelangt erwartet mich einer weitere Überraschung: Eine Piste paralell zum Seeufer wurde bereits bis hier in die Uferlandschaft planiert. Offenbar haben die sich anschließenden Berge für einen vorläufigen Baustopp gesorgt. Obwohl kein Mensch zu sehen ist, stört die Straße mein „Wildnisgefühl“ ganz erheblich.
Kilometerweit marschiere ich jetzt durch die trockene, eintönige Landschaft, in der nur selten einige Grashalme Sand und Schotter unterbrechen. Seit ich Kyangdam verlassen habe, bin ich auf keinen Wasserlauf mehr gestoßen.
Daher bleibt mir nichts anderes übrig, als das schwach salzhaltige Wasser des Sees zu trinken. Am Turkanasee in Kenia war ich in der selben Situation, und hatte dort das brackige Wasser problemlos vertragen. Auch hier in Ladakh rebelliert mein Magen nicht gegen die Flüssigkeit.
Manchmal huschen kleine Eidechsen zwischen den Steinen umher.



Während ich bisher vermieden habe, auf der Piste zu laufen, steige ich zu der Straße hoch, als sich die Felshänge wieder dem Ufer nähern. Erstaunlich mit welchem Aufwand hier Felsen gesprengt und weggeschoben wurden, um die Straße zu bauen. Aber was ist der Sinn dahinter? Ich kann nur hoffen, dass dies keine Panaromaroute für Touristen werden soll, denn meiner Meinung nach verschandelt die Piste das Ufer dieses „magischen“ Sees gehörig. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass sie militärischen Zwecken dienen soll.
Schließlich schlage ich am Nachmittag mein Zelt in der Nähe einiger brackiger Lagunen am Seeufer auf. Stellenweise wimmelt es hier von kleinen Mücken, was meine gedrückte Stimmung noch verstärkt. Dennoch unternehme ich einen Abendspaziergang in die Berge über dem See.
Wieder einmal unterschätze ich die Entfernungen in meinem Bestreben einen guten Aussichtspunkt zu erreichen. So kann ich zwar die schöne Sonnenuntergangsstimmung genießen, gelange aber erst im Licht des Halbmonds zurück zum Zelt. Zur Not hätte mir das GPS den Weg zurück zeigen müssen, die spärliche Beleuchtung reicht aber gerade so um zurück zu finden.
Obwohl der Tsomoriri auf 4500 Metern Höhe liegt, friert es auch in dieser Nacht nicht. Dafür wird mir beim Anstieg des Hanges, den ich gestern Abend schon ohne Rucksack zurückgelegt hatte, schnell wieder bewusst, wie dünn die Luft hier ist.
Immer wieder glaube ich, endlich auf dem Plateau über dem See angelangt zu sein, doch stets stellt sich heraus, dass ich nur einen kleinen Absatz erklommen habe und es weiter nach oben geht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Untergrund häufig aus losem Sand besteht, der meine Stiefel festhält.
Doch schließlich bin ich oben und der Blick schweift weit in alle Richtungen über die braune „tibetische“ Landschaft aus der einzelne zum Teil schneebedeckte Bergketten ragen. Scheinbar gibt es keine weiteren Hindernisse bis zum 12 Kilometer Luftlinie entfernten kleinen See, Kiagar Tso.
Es macht mir unheimlich Spass mit GPS und Kompass meine eigene Route durch die Weite zu suchen. Allerdings täuscht der Eindruck eines hindernisfreien Fortkommens sehr stark. Immer wieder tauche ich in Täler ein und erklimme dann weitere steinige Plateaus. Obwohl kein Wasser in den Bächen fließt, ist es erstaunlich, manchmal auf dichte Teppiche gelben Grases zu stoßen.
Steinpferche weisen darauf hin, dass diese Weiden regelmäßig von den Nomaden genutzt werden. Leider liegt hier viel Müll, vor allem alte Turnschuhe herum.
Ein scheinbar naher Berggipfel lockt zur Besteigung, aber mir ist klar, dass die Nähe täuscht und ich sicher Stunden benötigen würde um auf ihn zu gelangen.
Für manche Leute mag die braune Weite dieses Hochlands eintönig wirken, aber ich liebe es sie zu durchstreifen. Welch grandiose Möglichkeiten für weite Touren diese Gegend bietet!
Einmal sehe ich entfernt einen Schäfer mit seiner Herde, dann erreiche ich gegen Mittag den Kiagar Tso, dessen türkis schimmernder Spiegel eine fast überirdische Farbe hat.


                                                               Kiagar Tso

Obwohl auch dieser See von einer weißen Salzkruste gesäumt ist, ergießen sich einige Süßwasserquellen in ihn. Endlich kein Brackwasser mehr! Entfernt am Ostufer haben Nomaden drei Zelte aufgeschlagen und hüten ihre Yaks an den Hängen.
Besonders freue ich mich, als ich 5 Streifengänse auf dem See beobachte. Mit schwarzem Schwanz und weißem Hals sowie Kopf wirken die Vögel sehr farbenprächtig, obwohl sie typische Gänselaute von sich geben. Diese Bewohner des tibetischen Hochlands sind dafür berühmt, dass sie den Himalaja in 10.000 Metern Höhe überfliegen um in ihre südlichen Winterquartiere zu gelangen.
Nachdem ich den Seehang erklommen habe, sehe ich einen Traktor mit Anhänger! Er fährt nicht quer durch das Gelände sondern auf der Piste nach Korzok, die ich bald quere.
Noch einmal eröffnen sich letzte Blicke auf das Nordende des Tsomoriri, dann habe ich das Tal des Yam erreicht, einem rauschenden Wildbach der aus einer Schlucht kommend, in die Weite strömt. Obwohl ich den ganzen Tag bisher kein fließendes Wasser angetroffen habe, ist der Yam so breit und tief, dass ich keine Stelle finde, wo ich ihn von Fels zu Fels springend überschreiten könnte.
Ein Hirte, der einige Yaks in die Schlucht treibt, hat natürlich kein Problem auf dem Rücken eines der Zotteltiere das Gewässer zu überqueren. Nun ja, ich bin für heute auch weit genug gekommen, daher schlage ich mein Zelt auf einem idyllischen Plätzchen am Eingang der Schlucht auf. Der Blick geht von hier zurück in die Landschaft die ich heute durchmessen habe.


Später unternehme ich noch einen Erkundungsgang, stehe aber bald vor einer Felswand an einer Engstelle des Tales. Morgen werden meine Sandalen hier zum Einsatz kommen, aber für heute ziehe ich es vor trockene Füße zu behalten!
Nach einer kalten Nacht, eröffnet sich mir von meinem Zeltplatz ein exklusiver Blick auf den Sonnenaufgang über den Bergen im Osten.
Schon bald stehe ich wieder am Bach, und durchwate das eiskalte Gewässer mit meinen Sandalen an den Füßen. Dabei schaut mir eine Wasseramsel aus nächster Nähe zu. Trotz der Kälte des Wassers gibt es hier offenbar Insekten nach denen der Vogel tauchen kann. Später sehe ich noch einige der Vögel. Sie erscheinen mir größer und deutlich dunkler, als die Wasseramseln die ich aus Deutschland kenne.
Durch die enge Schlucht voller großer Felsblöcke kämpfe ich mich weiter aufwärts. Von der Weite der Landschaft, die ich noch gestern erlebt hatte, ist in diesem alpinen Gelände nichts mehr zu bemerken. Es gibt keinen Pfad und ich frage mich ständig, wie der Mann mit seinen Yaks gestern hier durch gekommen ist. Dies bringt mich dazu, die Schlucht verlassen zu wollen. Vielleicht gibt es weiter oben eine ebene Stufe auf der ich einfacher vorankomme. Doch zunächst muss ich irgendwie den steilen Uferhang bewältigen. Schon bald wird mir klar, dass ich nicht bis nach oben komme und versuche am Hang weiter zu queren um an einer günstigeren Stelle wieder zum Bach abzusteigen. Immer wieder setzt sich der lose Schutt unter meinen Füßen in Bewegung und ich versuche krampfhaft an einzelnen größeren Felsblöcken Halt zu finden. Schließlich bin ich wieder unten angekommen und nehme mir fest vor, kein weiteres Risiko dieser Art einzugehen! Besser langsam und mühsam vorankommen, als im Geröll mit gebrochenen Gliedern zu liegen!
An einem kurzen Wiesenabschnitt treffe ich auf zwei an die Mongolei erinnernde, runde, weiße Zelte. Offenbar sind die Nomaden gerade dabei, ihr Lager abzubrechen, denn es türmen sich bereits hohe Bündel. Ein etwa 8-jähriger Junge stellt sich mir zunächst kühn in den Weg, weicht dann aber aus. Als ich noch in Sichtweite des Lagers meinen Rucksack zu einer Pause abnehme, kommt er schüchtern auf mich zu. Mit freundlichen Gesten fordere ich ihn auf näher zu kommen. Schließlich steht er bei mir. Sonam, so heißt das mit rosa Jacke und Turnschuhen bekleidete Bürschchen, hat in der Schule bereits etwas englisch gelernt, und beginnt, nachdem er „aufgetaut“ ist, mich förmlich auszufragen. Steif und fest behauptet er, dass es hier nicht zum Tso Kar See, meinem Ziel geht. Im Prinzip hat er sogar recht, da dies sicher nicht die Hauptroute zu dem Salzsee ist. Die Kit Kat Schokoladen in meinem Proviantbeutel erkennt er auch gleich auf Anhieb, obwohl sie nur für einen kurzen Augenblick beim Schließen meines Rucksacks auftauchen!
Mittlerweile bewege ich mich in einer Blockschlucht fast ohne Vegetation auf annähernd 5000 Meter Höhe. Dennoch gibt es auch hier Leben: Ein großer schwarzer Adler kreist in der Luft und ein Wiesel huscht neugierig blitzschnell auf mich zu, um bald darauf wieder zu verschwinden. Auch Murmeltiere gibt es hier noch.
Nach einigen Stunden weitet sich das Tal und gabelt sich bald darauf. Die Landschaft wird wieder „tibetisch“. Leider ist es wohl mit dem schönen Wetter der letzten Tage erst einmal vorbei. Es ist bewölkt und der eiskalte Wind treibt mitunter einige Hagelkörner vor sich her.
An der Gabelung der Täler befinden sich zwei Plätze an denen jeweils 2 Zelte aufgebaut sind. Offenbar sind lediglich Frauen und Kinder anwesend, die Männer sind sicher beim Vieh.

                                           Lager auf 5000 Meter Höhe

Als ich später einem Pfad auf einem Plateau folge, kommen aus einem Einschnitt heraus plötzlich drei riesige schwarze Hunde auf mich zu. Ich bin gespannt, was passieren wird, da taucht bereits die Nomadenfamilie auf, zu denen sie gehören. Ihr gesamter Hausrat ist auf dem Rücken von acht Pferden verstaut. Die älteren Leute tragen die traditionellen Wollmäntel, während die Jüngeren offenbar westliche Kleidung bevorzugen. Auch Kinder begleiten den Zug. Wir begrüßen uns kurz und ziehen dann aneinander vorbei.

                                                           Begegnung mit Nomaden

Später treffe ich noch zwei junge Männer, die eine 18-köpfige Yakherde führen, sowie einen alten Mann, der mit 10 Pferden talabwärts zieht.
Es ist nicht mehr weit bis zu dem über 5600 Meter hohen Pass Kozur la, daher schlage ich mein Zelt bereits am frühen Nachmittag im Tal des Gyamsharma Baches auf 5181 Meter Höhe auf. Es wimmelt hier von Pikas, die Gras ausrupfen und dann in ihren Bau tragen. Wahrscheinlich steht der Winter unmittelbar vor der Tür, weshalb die Nomaden auch die Hochweiden verlassen. Hoffentlich fällt in der Nacht nicht viel Schnee, damit ich morgen über den Pass gehen kann!
Während ich im Zelteingang esse, besucht mich ein großes Wiesel mit goldener Kehle und schwarzen Ohren. Das neugierige Tier nähert sich mir bis auf 5 Meter, flitzt aber schließlich weiter. Die Pikas interessieren das Tier sicher mehr!
Später unternehme ich noch einen Erkundungsgang in das weite Tal. Ich möchte den Zugang zum Kozur la finden. Doch trotz Karte und GPS entdecke ich keinen Pfad, der in einem Seitental zum Pass führt. Das ist zwar merkwürdig, aber morgen wird das GPS beweisen müssen, ob es mir hier den richtigen Zugang zeigen kann!
Die Gegend wirkt unter den dichten Wolken, aus denen manchmal Schnee und Hagel fällt, zwar sehr ungemütlich und abweisend, aber dennoch grandios in ihrer Weite. Ich kann mich kaum der Faszination dieser Landschaft entziehen und erreiche daher mein Zelt erst bei Einbruch der Dunkelheit.
Es wird die kälteste Nacht dieser Wanderung. Obwohl mein Carinthia Daunenschlafsack bisher sehr gute Dienste geleistet hat, ziehe ich mir Fleecepullover, Hose und Socken über. So gerüstet überstehe ich die Nacht ohne Probleme. Immer wieder beschäftigt mich der Gedanke, ob es in der Nacht viel schneien wird. Die Nomaden haben wahrscheinlich den richtigen Zeitpunkt gewählt, die Gegend zu verlassen. Ab gestern Nachmittag waren ja immer wieder Schneeschauer niedergegangen. So bin ich angenehm überrascht, als ich morgens vors Zelt trete und feststelle, dass nur ein leichtes Grisseln niedergegangen ist. Noch im Dunkeln frühstücke ich mit der Stirnlampe im Zelt und bin bereits um 6.30 wieder unterwegs. Das Wetter weiß nicht so recht, ob es sich für Sonne und blauen Himmel, oder Wolken und Schnee entscheiden soll, woraus sich tolle Farbspiele ergeben.


Nach dem ich das weite Hochtal durchquert habe, stehe ich am Anstieg zum Kozur La, wie mir das GPS sagt. Andere Hinweise wie einen Pfad finde ich auch jetzt nicht. Zwar ist die Steigung relativ moderat, aber bedingt durch die große Höhe muss ich immer wieder pausieren. Glücklicherweise ist mein Rucksack nicht mehr so schwer wie nach dem Aufbruch in Pang. Schon gegen 9 Uhr habe ich die Passhöhe des Kozur La auf 5616 m laut GPS erreicht.
Zwar war ich die ganze Zeit unsicher, ob ich wirklich zu dem Pass aufsteige, aber jetzt kann ich sogar die Route ins jenseitige Tal ausmachen. Allerdings gibt es hier oben weder Gebetsfahnen noch Steinmännchen, wie auf anderen Pässen.
Gerade als ich oben stehe, lichten sich die Wolken ein wenig und eröffnen fantastischen Ausblicke auf die gegenüberliegende Bergkette. Besonders angetan hat es mir ein pyramidenförmiger Gipfel, der deutlich die anderen Berge überragt.

                                                               Blick vom Kozur la

Obwohl es noch lange Zeit nur durch nackte Geröllfelder geht, beleben Pikas und Steinschmätzer die Landschaft. An einem nackten Hang stehen 5 Yaks.
Dann erreiche ich den Ursprung eines kleinen Baches, der von den Rändern bereits zugefroren ist und manchmal über Stufen voll bizarrer Eiszapfen fällt. Der letzte Teil des Abstiegs ins Spanglung Tal ist wieder sehr steil. Unten sehe ich 2 Schäfer mit großen Herden. Obwohl es mittlerweile später Morgen ist, und ich die eisige Passhöhe hinter mir gelassen habe, ist es im Wind noch bitter kalt, so dass ich sogar meine Kopfhaube trage!
Ich bin überrascht, als ich gegen Mittag bei Rajun Karu, wo das Tal einen scharfen Knick nach rechts macht, auf der anderen Talseite einen Geländewagen an einem Zelt sehe! Laut Karte gibt es keinen Weg dorthin! Dann stoße ich auf eine Fahrspur, die durch die wellige, weite Grasebene in Richtung des Horlam Kongka Passes führt.
Zwar könnte ich dem Tal weiter folgen, aber es reizt mich durch die weite „Prärie“ mit ihrem goldenen Grasteppich zu gehen. Von der Fahrspur ist schon bald nichts mehr zu sehen, daher kann ich noch einmal das Gefühl genießen, die unberührte Einsamkeit zu durchstreifen. Als ein Hagelschauer niedergeht, kommt eine 11-köpfige Kiangherde aus weiter Entfernung auf mich zu galoppiert.

                             Die Kiangs galoppieren im Regen auf mich zu

Erst als sie dicht bei mir sind, und der Schauer abgezogen ist, drehen sie ab.

                                                           Die Kiangs drehen ab

Vom Pass aus erblicke ich unter mir den türkisen Salzsee Startsapuk Tso, der von einer breiten, weißen Kruste gesäumt wird. Es reizt mich zu dem See zu gehen, da ich aber fürchte dort kein Trinkwasser zu finden, nehme ich von diesem Vorhaben Abstand.
Etwas später nehme ich eine Bewegung wahr und nehme an, dass es wieder Wildesel sind. Doch der Blick durchs Fernglas belehrt mich eines besseren. Es ist ein Rudel von sieben prächtigen Himalaja-Argali Widdern! Neben den Blauschafen, die ich am Anfang der Tour beobachtet habe, und Urialen, die nur in tieferen Lagen Ladakhs vorkommen, ist dies die seltenste und größte Wildschafart des Himalaja! Ich hatte gelesen, dass sie in der Nähe des Tso Kar vorkommen, doch die majestätischen Tiere hier in dieser prächtigen Weite anzutreffen ist fantastisch! Zwei der Widder tragen besonders mächtige Schnecken. Sie verfügen über weiße Kehlen und Rückseite, ansonsten sind sie dunkel-sandfarben. Nur eines der Tiere ist deutlich heller. Leider sind sie sicher noch mehrere Hundert Meter von mir entfernt. Sie haben mich gleich entdeckt und sichern in meine Richtung. Aber auch als ich mich ihnen langsam nähere, starren sie mich zunächst lediglich an, bis sie sich schließlich im Zick-Zack Kurs einige Meter entfernen. Als ich mich zurückziehe, marschieren sie langsam hintereinander einen Hang hinauf.
Ich stoße wieder auf den Fahrweg, der durch eine enge Scharte im Gebirge zurück ins Spanglung Tal führt. Dort kann ich noch einmal eine Kiang Familie mit ihrem kleinen, tapsigen Fohlen beobachten. Ich bin überrascht, am Fluss auf eine Siedlung mit einigen Häusern zu stoßen. Meine Karte zeigt hier nichts dergleichen. Allerdings scheinen die Häuser verlassen zu sein, daher schlage ich in der Nähe am Bach mein Lager auf.
Nachdem es heute meist bedeckt war, scheint gegen Abend das schöne Wetter zurück zu kommen.



Als ich am frostigen Morgen am Bach stehe, um mir die Zähne zu putzen, eile ich rasch ins Zelt zurück um die Kamera zu holen, denn die langsam aufgehende Sonne taucht die Wolken in schöne rosa Farbtöne.



Als ich schließlich abmarschbereit bin, hat sich bereits das volle Morgenlicht eingestellt, und ich genieße noch einmal die klaren Farben des Hochlandes.


Bald passiere ich die Gebäude, von denen eines sogar über ein Wellblechdach verfügt. Umzäunte Flächen und Bewässerungskanäle lassen mich vermuten, dass hier ein landwirtschaftliches Projekt zur Etablierung von Ackerbau eingerichtet werden sollte. Allerdings war es wie es scheint, wenig erfolgreich.
Bald öffnet sich eine weite, gelbe Ebene auf der ich einige Kiangfamilien beobachte. Am Ende der Ebene sehe ich bereits den Tso Kar, mit türkisem Wasser und ausgedehnten Salzrändern, die wesentlich breiter sind als am Tsomoriri oder Kiagar Tso. Unweit des Sees liegt der Ort Ryul, mit einer Hand voll unbewohnter Häuser.
Bald werde ich von einem Ladakhi mit zwei Pferden überholt. Wir unterhalten uns kurz und ich erfahre, dass er zwei Ausländer begleitet. Kurz danach tauchen die beiden Schweizer Valerie und Gerard auf. Sie sind mit ihrem Führer vom Tsomoriri hierher gezogen, und haben für heute die Rückfahrt nach Leh im Jeep organisiert.
Mein Plan sah eigentlich vor vom Tso Kar über eine Bergkette zur Manali-Leh Straße zu laufen, und dort morgen irgendeine Form des Rücktransports zu finden. Allerdings ist das Angebot der Schweizer mit ihnen nach Leh zu fahren zu verlockend, daher nehme ich es gerne an.
Valerie arbeitet als Meeresbiologin beim WWF und Gerard in einem Archiv. Nach der langen, einsamen Wanderung tut es gut, sich mit diesen interessanten Menschen zu unterhalten, die sich ihren Führer auf eigene Faust in Korzok gesucht hatten.
Am See, der mir nicht besonders gefällt, sehen wir noch einmal ein besonders fettes Murmeltier und entfernt viele Enten, vermutlich Pfeifenten. Aber ein echter Höhepunkt sind die beiden Schwarzhalskraniche, die ohne uns zu beachten graziös über die Uferwiesen stolzieren. Diese herrlichen Vögel kommen nur im tibetischen Hochland vor. Die Seen Rupshus sind der einzige Ort wo man sie relativ einfach beobachten kann. Ansonsten leben sie in den unzugänglichen Weiten der Chang Tang.
Nach einem relativ öden Marsch entlang des Seeufers erreichen wir bereits gegen 11 Pangonagu, mit dem „Pastureland Luxury Camp“. Eine Vielzahl von blauen Zelten hinter einer Umzäunung hat wohl in erster Linie Touristen als Zielgruppe, die hierher auf einer geführten Jeeptour gelangen.
Die Schweizer sind so freundlich und machen von mir das Endfoto der 22-tägigen Wanderung.

                                                                        Das Ende der Wanderung

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