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13.12.2013

Ladakh Solo - Zu Fuß durch Klein- Tibet 1





Schon seit einiger Zeit faszinierten mich Berichte über die Weiten Tibets. Von den Abenteuern Sven Hedins bis zu den aufregenden Fahrraddurchquerungen von Janne Corax und Martin Adserballe in unseren Tagen, interessierte mich vor allem die riesige, auf durchschnittlich 5000m Höhe gelegene Changtang Hochebene mit ihren Herden von Wildeseln und Tibetantilopen.
Leider sind Individualreisen im chinesisch besetztem Tibet noch immer nicht erlaubt und nur illegal durchführbar. Außerdem hatte ich nur einen Monat Zeit und war noch nie in Höhen über 4000m gewesen. Mich einer organisierten Tour anzuschließen entspricht nicht meinem persönlichen Reisestil, daher kam Tibet für eine Wanderung zunächst nicht in Frage.
Allerdings gibt es eine Gegend die von Landschaft, Klima und Menschen Tibet stark ähnelt: Ladakh, ein Teil Indiens nördlich der Himalaja-Hauptkette. Bis 1974 war dieser Teil der Provinz Jammu und Kaschmir für Ausländer nicht zugänglich und konnte so seine Ursprünglichkeit bewahren. Seit dem hat sich zwar viel geändert und Ladakh ist heute ein beliebtes Ziel des Trekking-Tourismus, was die Logistik der Anreise für mich erleichterte. Andererseits ist Ladakh bei weitem noch nicht touristisch so erschlossen wie beispielsweise viele Teile Nepals und bietet genug Raum für Wanderungen abseits der ausgetretenen Pfade, wie ich sie liebe.
Auf Ladakh wurde ich aufmerksam durch Empfehlungen im Trekkingforum des Internet. Vor allem zog mich auch die Aussage an, dass dort noch eine reiche Fauna existieren würde. Ladakh mit seiner buddhistischen Bevölkerung hatte nie eine Jagdtradition entwickelt, daher sollten die Berge und Ebenen hier noch von Wildschafen und Wildeseln bevölkert sein. Nach einem halben Jahr der Vorbereitung in dem ich viel über Ladakh las, Karten besorgte und meine Ausrüstung ergänzte, begann die Reise hinter den Himalaja Ende August 2007.


Delhi Airport empfängt mich mit feuchten 30 Grad. Obwohl in diesem Land über eine Milliarde Menschen leben, wirkt der Flughafen recht überschaubar, kein Vergleich mit Frankfurt oder Amsterdam. Mein Rucksack konnte nicht nach Leh durchgecheckt werden, daher durchlaufe ich schon hier die harmlose Zollkontrolle.
Um zum etwa 30 Minuten entfernten Inlandsflughafen zu gelangen, besteige ich einen altersschwachen Bus, der jeden Augenblick zusammenzubrechen scheint, und mit gemütlichen 40 km/h dahinzockelt. Ein bewaffneter Soldat steigt zu unserem Schutz mit ein. Überhaupt wimmelt es hier von Militär, man könnte meinen, Indien ist gerade im Kriegszustand!
Mein Weiterflug geht erst am nächsten Morgen, daher muss ich einige Stunde in den Ledersofas der heißen, stickigen Halle verbringen. Es gibt zwar Ventilatoren, die funktionieren aber leider nicht. Dafür gibt es ein Beschwerdebuch, und ein Inder fordert tatsächlich auch andere ausländische Passagiere auf, sich beim Flughafenmanager zu beschweren.
Die Wartezeit vergeht für mich schneller, als ich mit meinem Nachbarn ins Gespräch komme. Der Inder hat die letzten drei Jahre auf Jamaica verbracht, wo seine Familie mit Schmuck handelt.
Gegen 4 Uhr morgens füllt sich die Halle allmählich und es entstehen Schlangen vor den Schaltern. Allerdings verrät kein Hinweis wo welcher Flug eingecheckt wird!
Schließlich gelange ich aber doch pünktlich zum Abflug an Bord der erstaunlich großen Indian Airlines Maschine nach Leh.
Mit dem Sonnenaufgang um 5.30 heben wir ab. Zunächst vereiteln dichte Monsunwolken die Aussicht von meinem Fensterplatz, dann tauchen zunächst schemenhaft erste Schneeflecken auf den Bergen auf. Wir sind über dem Himalaja!
Als wir die Wetterscheide hinter uns gelassen haben, erscheint strahlend blauer Himmel unter dem fantastische Bergketten mit messerscharfen Konturen aufragen. Die Sicht scheint unendlich weit zu reichen. Aus dem Meer der Grate ragen einige freistehende Schneeberge weit empor. 8000 er? Ich bin erstaunt wie lange wir über eine Wildnis aus Fels und Eis fliegen, die weder Vegetation noch ein Zeichen menschlicher Anwesenheit unterbricht.
Dann weichen die Gletscher der Hauptkette zurück und die durch tiefe Täler gegliederten wie Wogen heranbrausenden, braunen, scharfen Kämme der Ladakh Gebirge tauchen auf. Die Landschaft wirkt sehr abweisend, mal schauen was mich in einigen Tagen dort unten erwartet...
Kurz vor der Landung erscheinen die schneebedeckten 6000 er um Leh, dann geht es hinab in die langgestreckte grüne Oase des Industals.
Ich bin erstaunt, als vor dem kleinen Flughafengebäude Massen von Menschen und Autos warten. Einige der Männer sind in traditionelle, lange, braune Mäntel gekleidet, die mich an die Mongolei erinnern. Trotz des Auflaufs stürmt niemand auf mich ein, es geht hier ruhig und höflich zu.
Ich kaufe ein Ticket am Schalter der Taxifahrergewerkschaft wo man mir auch gleich einen Fahrer zuweist. Schließlich haben wir es geschafft uns aus dem Gewusel der Autos herauszuwühlen und wir fahren die nur etwa 2 Kilometer lange Strecke zum Oriental Guesthouse im Ortsteil Chanspa. Ich hatte diese Unterkunft im Internet entdeckt, leider konnte ich aber nicht reservieren. Daher bin ich froh, dass man zu dieser frühen Morgenstunde noch einen Raum für mich hat. Das riesige Doppelzimmer mit integrierter Dusche ist für mich alleine eigentlich viel zu luxuriös, aber da es umgerechnet nur 14 Euro kostet, beziehe ich es gerne.
Die Darstellung im Internet war nicht übertrieben was das Oriental Guesthouse angeht. Drei große, weiß getünchte dreistöckige Gebäude mit Holzbalkonen stellen eine gute Mischung zwischen traditionellem Stil und Moderne dar. Besonders schön ist der Garten voller Blumen, in dem schon jetzt einige Gäste draußen frühstücken.

                                                         Oriental Guesthouse

Für einen Abschnitt meines geplanten Treks benötige ich eine Genehmigung aufgrund der Nähe zur chinesischen Grenze. Eine junge Frau, Dawa, die das Hotel weitgehend alleine zu managen scheint, verspricht sich darum zu kümmern.
Nach der durchwachten Nacht und wohl auch aufgrund der ungewohnten Höhe rast mein Puls mit wilden Schlägen und ich fühle mich wie benommen. Daher lege ich mich erst einmal hin um mich etwas auszuruhen. Das solarbetriebene Wasserheizungssytem lässt mich danach sogar eine warme Dusche genießen!
Etwas erholt, wenn auch noch nicht hundertprozentig wiederhergestellt mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Chanspa wirkt ruhig und beschaulich. Es fahren relativ wenige Autos durch die enge Hauptstraße, Pappelhaine spenden Schatten vor der jetzt um die Mittagszeit stechenden Sonne und viele, meist junge westliche Touristen schlendern durch das Viertel.
Es wimmelt von Restaurants, Trekkingagenturen, Guesthouses und Souvenirläden, dennoch herrscht hier eine angenehme Atmosphäre. Ein nettes Plätzchen um einige Tage lang abzuhängen!
Viele der Gartenrestaurants haben einen alten Fallschirm als Sonnenschutz für ihre Gäste gespannt. Ein wohlschmeckendes indisches Mahl mit einer großen Schüssel Reis und dem Chapatti genannten Fladenbrot kostet mich inclusive einer Literflasche Wasser gerade einmal 2 Euro!
Näher zum Stadtzentrum, dem Main Bazaar wird der Verkehr und das Leben auf der Straße sehr viel dichter und hektischer. Dafür reiht sich hier ein Laden an den anderen und Tibeterinnen verkaufen Gemüse direkt auf dem Bordstein. Grünzeug soll ja gesund sein, aber mit Staub- und Abgasgarnierung?
Aus dem Internet hatte ich erfahren, dass man in Leh keine Kartuschen für einen Gaskocher kaufen kann, trotzdem sehe ich mich hier auf dem Main Bazaar danach um. Zahlreiche Läden verkaufen Trekkingausrüstung wie Schlafsäcke und Daunenjacken, daher wundert es mich nicht, dass ich auch bald eine passende Kartusche gefunden habe.
Zurück beim Guesthouse lese ich im Reiseführer,dass es hier einen guten Test für die Akklimatisation gibt: Zu der unweit des Oriental auf einem Hügel gelegenen Shanti Stupa führen über 500 Stufen steil empor.
Natürlich will ich gleich testen, wie dieser Anstieg auf mich wirkt! Zwar gemächlich, aber ohne Probleme gelange ich nach oben zu dem von einem Japaner gestifteten, relativ neuem buddhistischem Heiligtum. Der Blick über die Stadt im Tal und zu den Bergen der Stok-Kette, die jenseits des Industals aufragt, ist fantastisch.

                                               Blick von der Shanti Stupa über Leh

Schon gegen 18 Uhr geht die Sonne unter und ich gehe zurück zum Hotel. Hier stellt das günstige Abendbuffet einen weiteren Höhepunkt des Tages dar. Suppe, verschiedene vegetarische Hauptgerichte und ein Dessert kann man in üppigen Mengen genießen. Das tue ich natürlich auch, denn sobald ich auf dem Trek bin, werde ich mein Essen streng rationieren müssen.
Allein am Tisch unter den anderen Gästen fühle ich mich ein wenig einsam, komme dann aber bald mit einem anderen Soloreisenden ins Gespäch. Der 59-jährige Joseph hat bisher ein sehr interessantes Leben hinter sich: Mit 18 ist er aus der Tschechoslowakei nach Australien ausgewandert, wo er in abgelegenen Minen im Busch gearbeitet hat. Auf einer Himalajareise hat er sich in Nepal verliebt. Dort lebte er dann sieben Jahre und baute eine Trekkingagentur auf. Zurück in Australien betrieb er ein erfolgreiches Unternehmen im ökologischen Landbau, das er gerade verkauft hat, um zu reisen. Joseph ist zum ersten Mal in Ladakh und will ebenfalls alleine wandern. Trotz seiner erfolgreichen Karriere steckt er immer noch voller neuer Ideen und wirkt keineswegs wie jemand kurz vor der Rente! Ich wünsche mir in diesem Alter ebenfalls noch fit und voller Tatendrang zu sein.
Nach einem guten Frühstück mit Joseph im Garten des Oriental ereilt mich ein kleiner Schock: Die Leute vom Guesthouse erklären mir, dass nur Gruppen von wenigstens 4 Leuten dass Permit für die östliche Grenzregion erhalten. Zwar reicht es wenn man bei der Antragstellung Passkopien von einer ausreichenden Anzahl Reisender vorlegt, man so also eine Art „Phantomgruppe“ bildet, leider habe das Guesthouse zur Zeit aber keine Passkopien mehr vorrätig. Außerdem beginnt heute das Ladakh Festival, weshalb die Behörden nicht arbeiten würden. Man empfiehlt mir mich selber um Passkopien von anderen Leuten zu kümmern.
Ich möchte ungern mehr als drei Tage in Leh verbringen, diese Zeit hatte ich mir zur Akklimatisation an die Höhe und zur Vorbereitung des Treks eingeräumt, daher ziehe ich gleich los, um das Problem zu lösen.
In Leh gibt es wirklich keinen Mangel an Trekkingagenturen und irgendeine davon, so hoffe ich, wird mir helfen können. Tatsächlich, bei der ersten Agentur, Markha Travel, in der ich nachfrage, erklärt man mir, dass Permit sei kein Problem, heute Nachmittag könne ich es abholen! Zwar bin ich etwas skeptisch, zumal ich eine Vorauszahlung von etwa 8 € leisten muss, aber der Besitzer der Agentur wirkt auf mich vertrauenswürdig.
Von der zentral gelegenen Moschee, die ein muslimischer Eroberer den buddhistischen Ladakhi aufgenötigt hat, marschiere ich durch die engen Gassen der halb verfallenen Altstadt hoch zur Burg oberhalb der Stadt. Entgegen von Beschreibungen die ich gelesen hatte, finde ich es hier nicht sehr malerisch. Die stinkenden Abwasserkanäle sind auch nicht gerade schön.. Man hat den Eindruck, viele der grauen Steinhäuser mit ihren flachen Dächern sind nicht mehr bewohnt.
Die Burg ist ein 9-stöckiger imposanter Bau. Zwar weist ein Schild darauf hin, dass Eintritt zu zahlen ist, aber kein Aufseher ist zu sehen. Es lockt mich auch nicht wirklich in das dunkle Gebäude.
Steil nach oben laufe ich weiter zum Namgyal Peak, der von einem kleinen Kloster gekrönt wird. Tief unter mir hat die Eingangsprozession des Ladakh Festival begonnen. Trommeln und dumpfe Hörner erschallen, Mönche in gelben Gewändern und Reiter auf kleinen Ponys werden von einer großen Menschenmasse begleitet. Das Ziel ist das Polostadion, wo die Eröffnungsveranstaltung des Festivals statt findet.
Nachdem ich mich auf dem chaotischen Busbahnhof nach einer Verbindung zum Ausgangspunkt meines Treks erkundigt habe, steuere ich ebenfalls das Stadion an. Ich werde durchleuchtet wie auf einem Flughafen! Zwar ist es hier in Ladakh ruhig und friedlich, aber immerhin ist die Gegend Teil des Bundesstaats Jammu und Kaschmir, wo moslemische Separatisten seit Jahrzehnten für den Anschluss an Pakistan kämpfen.
Tanzende Mönche balancieren riesige Kupfergefässe auf ihren Köpfen und eine Gruppe von Kindern tanzt als Schneelöwe der buddhistischen Mythologie verkleidet zum Rhythmus der Trommeln. In erster Linie ist das Festival natürlich geschaffen worden, um die Touristensaison zu verlängern. Tanzende Mönche außerhalb der Klösterriten sind eigentlich ein Sakrileg. Nichts desto trotz genießen auch zahlreiche Einheimische die farbenprächtigen Auftritte, die von einer Lautsprecherstimme auch auf Englisch kommentiert werden.
Am Nachmittag besuche ich die Womens Alliance of Ladakh, ein Zentrum in dem großer Wert auf eine nachhaltige Entwicklung mit dem Vorbild der ursprünglichen, autarken Kultur Ladakhs gelegt wird. Täglich wird dort ein Film von Helena Norberg-Hodge gezeigt, einer Schwedin, die schon Mitte der 70 er Jahre nach Ladakh kam.
Bis 1974 war Ladakh für Ausländer gesperrt und fast unzugänglich. Daher war zu diesem Zeitpunkt die ladakhische Kultur noch vollkommen intakt. Das änderte sich dann rasant durch den Bau neuer Straßen, die massive indische Militärpräsenz und den zunehmenden Touristenstrom. Leh wuchs von einem Dorf zu einer mittleren Stadt. Der Film zeigt die ganzen negativen Entwicklungen auf, und kommt zu dem Fazit, dass es den Ladakhis ohne die Veränderungen besser ginge.
Diese Meinung teilt ein deutscher Student allerdings nicht, der hier seine Master Arbeit in Kulturanthropologie schreibt. Alle Leute die er befragt hat, auch die Alten, finden, dass es ihnen heute besser geht. Eine Landflucht wie in vielen anderen Weltgegenden gäbe es hier nicht. Oft würden die Männer zwar zum Geld verdienen in die Stadt gehen, weshalb die Verantwortung für die Landwirtschaft sich zu den Frauen verlagert hat. Das durch bezahlte Arbeit erlangte Geld würde dann aber in den Dörfern investiert, weswegen sogar zum Teil Erntehelfer aus Nepal angeheuert werden!
Wie angekündigt kann ich mir am Spätnachmittag mein Permit bei Markha Travel abholen. Da meine Erkundigungen auf dem Busbahnhof nicht sehr ergiebig waren und es nur 40 Kilometer bis Martselang sind, dem Ausgangspunkt meines Treks, vereinbare ich mit dem Besitzer der Agentur, dass er mir übermorgen einen Wagen schickt. Jetzt steht meinem Start nichts mehr im Weg!
Am nächsten Morgen unternehme ich einen Spaziergang zur Sankar Gompa. Die buddhistischen Klöster werden Gompa genannt. Nachdem ich die Straße verlassen habe, führt ein schmaler Fußpfad durch schattige Pappelhaine entlang von Bewässerungskanälen zu dem Kloster. Der Weg ist meist beidseitig von Steinmauern eingefasst, aber ab und zu kann ich einen Blick auf große, schöne Häuser mit Balkonen und Flachdächern inmitten von bunten Blumengärten werfen. Nur ein paar Meter von der Hektik Lehs entfernt, herrscht hier eine friedliche Idylle.
Ob alte Leute mit charaktervollen Gesichtern und langen braunen Mänteln oder Kinder auf dem Weg zur Schule, jeder grüßt mich mit einem fröhlichen „Jullay“. Die meisten Gerstenfelder hinter den Mauern sind noch nicht reif, aber mancherorts sind die gelben Garben schon aufgeschichtet. Das Kloster liegt sehr schön inmitten des schattigen Pappelwaldes. Zwar ist die Pforte geöffnet, aber ich habe gelesen, dass die Mönche ungern gestört werden, daher werfe ich nur Blicke von außen auf das große, weiß getünchte Gebäude. Elstern, Kohlmeisen und Spatzen wecken Erinnerungen an Deutschland.
Hinter dem Kloster führt eine Straße zur Shanti Stupa, die viel weniger steil als der Weg über die Stufen ist, den ich gestern genommen habe. Ich gehe ein paar Schritte in die öde, sehr trockenen Felslandschaft hinaus, genieße Stille und Weite und nehme einige Eintragungen im Tagebuch vor. Dabei besucht mich eine schöne, bunte Eidechse.


In einem tibetischen Gartenrestaurant esse ich um die Mittagszeit einige leckere mit Gemüse gefüllte Teigtaschen. Leh und Umgebung beherbergt viele Tibeter, die vor den chinesischen Besatzern hierher geflohen sind. Von Natur aus geschäftstüchtig betreiben viele von ihnen kleine Verkaufsstände oder auch Restaurants.
Nachmittags gehe ich mit den Amerikanern Esther und Steve zum Poloplatz, immerhin das höchstgelegene Polofeld der Welt, wo ein Match statt findet. Wir sind etwas spät, das Stadion ist schon gut gefüllt. So etwas wie Absperrungen zu den Zuschauerrängen gibt es hier nicht, daher landet der Holzball schon mal in der Menge oder die kleinen, wendigen Ponys scheinen direkt in die Zuschauerreihen zu galoppieren.
Das Spiel geht mit großer Rasanz hin und her und wird von rasenden Trommeln begleitet. Neben uns befindet sich die „VIP-Lounge“. Hier sind Sessel aufgebaut vor denen Tische voller Obst und Wasser stehen. Keine Ahnung wer die Prominenten sind, die hier sitzen, aber immerhin werden in der Pause auch Gratisflaschen an „das einfache Volk“ verteilt.
Rechtzeitig zum Sonnenuntergang gehe ich wieder rauf zur Shanti Stupa. Hier haben sich jetzt auch etliche, meist junge, indische Touristen eingefunden, die eifrig die schönen Lichtstimmungen mit ihren Digitalkameras festhalten. Sehr eindrucksvoll finde ich ein weit entfernt auf einem Berg über dem Industal liegendes Kloster, das erst jetzt in der klaren Luft vor dem Hintergrund des Schneebergs Kang Yatze auftaucht.
Zurück im Guesthouse verlebe ich noch einmal einen schönen Abend mit Joseph, Steve und Esther. Morgen starte ich meine Wanderung!
Nachdem ich gefrühstückt und mich von meinen Freunden verabschiedet habe, steht auch schon der Wagen der Reiseagentur vor der Tür, die mir das Permit organisiert hat. Der freundliche Fahrer des kleinen japanischen Minibusses ist freundlich, spricht aber wenig englisch.
Wir fahren durch das grüne, zunächst dicht besiedelte Industal. Am Weg liegen das prächtige Kloster Thikse und der alte Königspalast Shey. Doch hinter dem Kloster Stakna wird die Gegend zunehmend trockener und es gibt keine Dörfer mehr.
Dafür liegen hier zahlreiche Einrichtungen des Militärs. Die beiden Nachbarländer die hier an Indien grenzen sind nicht gerade als Freunde zu bezeichnen...
China annektierte 1959 im Zuge der Besetzung Tibets ein gutes Drittel Ladakhs, die Aksai Chin Wüste, die allerdings unbewohnt ist, weshalb die Inder das erst Jahre später merkten…Und mit Pakistan ist der Konflikt um das mehrheitlich moslemische Kaschmir, zu dem auch Ladakh gehört, längst noch nicht beigelegt. Daher ist die starke Militärpräsenz in dieser Gegend nicht weiter verwunderlich.
Bei der Militärbasis Karu überqueren wir den Indus. Der Fluss hat hier zwar eine gute Strömung, ist aber kaum breiter als die Lahn. Na ja, er hat ja auch noch ein paar Kilometer vor sich, bevor er als mächtiger Strom ins Meer mündet…
Bald darauf haben wir nach 40 Kilometern Fahrt Martselang erreicht, den auf 3300 Meter Höhe gelegenen Ausgangspunkt meiner Wanderung. Einige Männer mit Packpferden scheinen auf eine Touristengruppe zu warten. Eine zunächst asphaltierte, aber schon bald nur noch geschotterte Straße führt entlang einer Telefonleitung in ein Seitental hinein. Der Weg ist zwar nicht sehr idyllisch, aber durch seine moderate Steigung genau das Richtige für den Anfang. Schließlich habe ich ja 27 kg auf dem Rücken!
Zahlreiche Trekkinggruppen mit ihren Begleitmannschaften und deren Pferden kommen mir entgegen und zeigen mir, dass dies die letzte Etappe des Markha Valley Treks ist, wohl die beliebteste Wanderroute Ladakhs die aber in der Regel nicht an meinem Startpunkt begonnen wird.
Die Schlucht wird zunehmend enger und weist tortenförmig schön geschichtete braun-schwarze Felsbänder auf. Es dauert gar nicht lange, da kommt mir ein Pärchen mit schweren Rucksäcken entgegen. Die Beiden sind Biologen aus Deutschland und haben einen langen, anspruchsvollen Trek hinter sich, der sie auch zum Tsomoriri See führte, den ich ebenfalls ansteuern möchte. Ein umgehängtes Fernglas verrät, dass auch sie Interesse an der Tierwelt Ladakhs haben, und auch einiges beobachten konnten. Ein bischen beruhigt mich die Tatsache ja schon, dass auch andere hier ihr Gepäck selber tragen und trotzdem im Stande sind die hohen Pässe zu überqueren, denn ich weiß, schon übermorgen muss ich den über 5200 Meter hohen Kongmaru la überschreiten….
Gegen Mittag zweigt das Tal nach links ab und ich habe den Weiler Shang Shumdo erreicht. Bei einem Haus, das offenbar einen Zeltplatz für die Gruppen betreibt, lasse ich mich nieder. Einige Weiden spenden Schatten. Ich möchte etwas essen, die Auswahl wird dadurch erleichtert, das nur ein Gericht zur Verfügung steht. Maggi-2 Minuten Nudeln, die ich auf dieser Reise noch ausgiebig kennen lernen sollte…Das Personal der Trekkinggruppe, die gerade angekommen ist, spricht nur zum Teil englisch. Einer rührt mehlartige, geröstete Gerste, das aus Tibet bekannte Tsampa in seinen Tee. Dann wird das Lager aufgebaut. Riesige Kisten, massive Baumwollzelte und sperrige Kerosinkocher kommen zum Vorschein. Von Gras ist auf dem staubigen Zeltplatz fast nichts mehr zu sehen. Ist diese umständliche Art zu reisen umweltfreundlich?
Halbwegs gesättigt, setze ich meinen Weg fort. Auf der anderen Talseite liegen weitere verstreute Häuser. Grüne Weiden und Pappeln, gelbe Gerstenfelder und die farbenprächtigen Felsen bieten herrliche Kontraste.

                                     Noch in großer Höhe wird Gerste angebaut

Die Ernte ist in vollem Gange. Kühe transportieren die goldenen Garben auf ihren Rücken.
Bald darauf erscheinen die ersten Berge mit schneeweißen Hauben. Ich lasse es langsam angehen und mache häufig Pause, daher fällt mir das Gehen nicht allzu schwer.
Als ich im Tal aufwärts wandere, nehme ich eine Bewegung auf der anderen Talseite wahr. Blauschafe! Leider lässt sich mein Fernglas zunächst nicht mehr scharf stellen, was mir einen gehörigen Schock versetzt, dann klappt es aber doch. Ich zähle insgesamt 18 Tiere, die mit ihren langen Schädeln wie eine Mischung zwischen Schaf und Ziege wirken. Außer einer schwarzen Blässe am Kopf und ebensolchen Streifen an den Beinen sind die Tiere grau. Angeblich haben sie ihren Namen von der blau erscheinenden Färbung, was ich allerdings nicht nachvollziehen kann. Lediglich ein älterer Widder ist dabei, dessen Schnecken vorne gerade verlaufen und dann stark nach hinten gekrümmt sind. Ansonsten sind alle Größenklassen vertreten, hornlose Weibchen, Halbwüchsige und akrobatisch in den Wänden turnende Kitze. Eines von ihnen wagt sich einmal sehr weit vor und kommt dann nicht mehr weiter, weil der Fels zu steil ist. Ich frage mich schon wie es sich drehen und zurückkommen will, aber dabei unterschätze ich natürlich die Gelenkigkeit der Felsbewohner. Manche der Schafe ziehen bis an den Bach, andere fressen die spärlichen Gräser und Sträucher an den Hängen. Ich kann das Rudel längere Zeit beobachten, welches überhaupt nicht scheu ist und auch nicht reagiert als ich in ca. 100 Meter mit meinen klappernden Wanderstöcken vorbei marschiere.
Mit Chogdo passiere ich die vorerst letzte Siedlung. Hier gibt es sogar eine kleine Schule in der gemalte Tierbilder die Wände zieren. Allerdings sind keine Menschen zu sehen, die sind wohl alle auf den Feldern oder beim Vieh in den Hängen. Manchmal ist der Weg jetzt nicht mehr zu erkennen und ich balanciere über die großen Blöcke im Flussbett. Im Tal selber ist keine Landwirtschaft mehr möglich, dafür erspähe ich terrassierte Hänge, auf denen winzige durch Kanäle bewässerte Felder liegen. Welch Anstrengung für ein paar Ähren Korn!

                                                      Terrassen für den Ackerbau


Gute Lagerplätze sind inzwischen Mangelware, so schlage ich dann mein Zelt auf einer kleinen Sandfläche direkt neben dem Bach auf und spanne es mit großen Steinen ab.
Ich habe nur eine Gaskartusche dabei und will wann immer möglich mit Holz auf meinem kleinen Hobo-Kocher kochen. Es gibt hier auch einige dürre Dornsträucher, die eigentlich brennen sollten. Dieses verweigern sie aber auch nach zahlreichen Versuchen noch ausdauernd, daher koche ich heute mit Gas.
Insgesamt bin ich zufrieden mit dem Tag, schöne Landschaft, die Blauschafe und immerhin bin ich schon auf über 4000 Meter gelangt. Der Abend ist relativ mild, so dass ich noch den prächtigen Sternenhimmel und den schon zu Dreiviertel vollen Mond genießen kann.
Gegen 5.30 stehe ich noch im Dunkeln auf, und bereite mein Müslifrühstück vor. Eine Wasseramsel, die viel dunkler als die europäische ist, sieht mir dabei zu. Als ich dann losgegangen bin, dauert es nur 20 Minuten, bis ich Chukirmo erreiche, einen beliebten Zeltplatz für Gruppen auf einem Plateau oberhalb des Tales. Jetzt am frühen Morgen herrscht hier aber noch Stille, die Trekker stehen sicher erst später auf. Der Weg ist jetzt wieder gut erkennbar und taucht in eine enge, farbenprächtige Schlucht ein.
Obwohl sie meist im Schatten liegt, wird es rasch warm, als die Sonne heraus kommt. Die rot-braunen Felsen sind oft von weißen Bändern durchzogen und an vielen Stellen hat die Erosion bizarre Skulpturen erschaffen. Der Weg und dessen Unterhaltung stellt eine technische Meisterleistung dar. Dennoch ist er an einer Stelle abgerutscht.
Zunächst erkenne ich nicht, dass der Steinhaufen am Weg eine Art Markierung dafür ist und stehe dann vor dem abgerutschten Wegstück. Sich hier am Hang entlang zu bewegen wäre mit hohem Risiko verbunden, daher gehe ich zurück zu dem Steinhaufen und finde auch gleich den Pfad, der jetzt auf der anderen Bachseite verläuft.
Dann gabelt sich der Bach und ich folge dem linken Arm steil nach oben. Langsam verlasse ich die Schlucht, daher erscheint jetzt auch zum ersten Mal der Kongamaru la Pass. Mit dem Fernglas kann ich absteigende Gruppen erkennen. Sieht eigentlich gar nicht so steil aus! Mittlerweile kommt mir eine Trekkinggruppe nach der anderen mit ihren bepackten Ponys entgegen. Meist laufen die Wanderer getrennt von den Pferdeleuten.

                                           Jeder hat sein Gepäck auf dem Pferderücken - nur ich nicht!

Zwar ist es erst 11.30, aber ich bin bereits auf 4666 m Höhe gelangt. Für die Höhenanpassung sollte man maximal 500 Meter am Tag aufsteigen. Diesen Wert überschreite ich bereits zum zweiten Mal, daher halte ich es für besser schon jetzt zu lagern. Abgesehen davon, erschöpft mich die Höhe ganz schön, und ich habe leichte Kopfschmerzen.
Es ist gar nicht so einfach in dieser Steinwelt einen geeigneten Platz für das Zelt zu finden. Wo ich es dann schließlich aufbaue, wäre kein Platz für ein zweites!

                                                                Steiniger Zeltplatz

Beim Kochen ergeben sich dann die ersten kleinen Blessuren der Tour: Die Hitze des äußerst effizienten Kochers schmilzt ein Loch in den Windschutz aus Aluminium. Als ich diesen vor der Hitze rette, hole ich mir prompt kleine Brandblasen am Finger!
Außerdem sieht der Reißverschluss meiner Zipp- Hose auf einer Seite gar nicht mehr gut aus. Ich beschließe daher die Hosenbeine nicht mehr abzunehmen. Es wäre schließlich fatal, wenn ich für den Rest der Tour in Shorts laufen müsste, weil der Reißverschluss nicht mehr schließt!
Nach dem Mittagessen unternehme ich eine Erkundungstour in die Umgebung. Die Schlucht endet und eine weite hochebenartige Landschaft öffnet sich. Hier gibt es genügend Zeltplätze. Die Ruinen einiger Steinhäuser weisen darauf hin, dass die Gegend früher als Hochalm genutzt wurde. Heute stellen die Ruinen aber eher Müllverbrennungsanlagen für die Wandergruppen dar, wie ich leider feststellen muss.
Entfernt erspähe ich eine Gruppe von Blauschafen, die ich vorsichtig anpirsche. Ich gelange in unmittelbare Nähe der 13 Widder verschiedenen Alters, aber die Wildschafe beachten mich nicht und äsen weiter. Leise Geräusche errregen meine Aufmerksamkeit und ich erspähe schließlich einige große blaugraue Hühnervögel mit weißem Hals. Diese „Himalayan Snowcocks“ wie mir ein Bestimmungsbuch über die Fauna Ladakhs nach meiner Rückkehr verrät, ähneln stark fetten Perlhühnern. Sie laufen gerne, können aber auch schnell fliegen.
Ich folge den Blauschafen über längere Zeit. Sie halten zwar einen gewissen Abstand zu mir, sind aber ansonsten überhaupt nicht scheu. Als die Gruppe über eine Lehne zieht, ergeben sich schöne Bilder vor dem blauen Himmel.

                                                                          Blauschaf

Offenbar brechen aller Trekkinggruppen ungefähr zur selben Zeit auf, denn am Nachmittag sehe ich keine weitere Gruppe mehr und die Einsamkeit des Hochtales, in dem schon gelb-gefärbte niedrige Sträucher vor hohen, z.t schneebedeckten Bergen erscheinen, ergibt schöne Kontraste.
Beim Abstieg erspähe ich ein einzelnes, grünes Zelt, ähnlich meinem. Andre ist ein deutscher Bauingenieur, der in Kaschmir Eisenbahntunnel baut. Er ist zum ersten Mal in Ladakh und möchte zunächst auf dem Markha Valley Trek laufen, um dann den beliebten 6000 er Stok Kangri oberhalb des Industales zu besteigen. Er hat auch schon einige Jahre in Delhi gearbeitet. Zwar weiß er die guten Verdienstmöglichkeiten hier zu schätzen, aber dafür ist das Freizeitangebot vor allem in Kaschmir mit seiner unruhigen politischen Situation ziemlich eingeschränkt.
Wir verstehen uns sehr gut, und unterhalten uns unter dem funkelnden Sternenhimmel noch bis in die Nacht hinein.
Am Morgen hat sich das Wetter geändert: Regen- und sogar Hagelschauer prasseln aufs Zelt. Dennoch breche ich bereits um 7 Uhr auf. Andre´ schläft offenbar noch, daher setze ich meinen Weg alleine fort. Der dichte Nebel lässt die Landschaft wie in Watte verpackt erscheinen. Zumindest die Blauschafe und Schneehähne sind noch an der selben Stelle. Es geht mir recht gut, und ich bin zufrieden wie rasch ich vorankomme und an Höhe gewinne.
Der Anstieg ist bisher allerdings auch eher gemächlich. Dann zieht sich der Weg in steilen Serpentinen durch die Felswüste aufwärts. Hier hatte ich gestern die Gruppen im Abstieg gesehen, und der Gipfel schien ganz nah zu sein. Das täuschte allerdings, immer wenn ich glaube den letzten Absatz vorm Pass erklommen zu haben, erscheinen weitere Steigungen. Hier in 5000 Metern Höhe gerate ich rasch außer Atem.
Ich nehme mir vor erst am Ende jeder Serpentine eine Pause einzulegen, doch oft bin ich schon vorher völlig fertig und setze mich erst einmal hin. Mittlerweile kommen mir auch schon die ersten beiden Gruppen entgegen und trösten mich, dass ich es fast geschafft habe.
Dann ist es soweit, nach knapp dreieinhalb Stunden geht es nicht weiter nach oben und ich habe die mit Gebetsfahnen geschmückte Höhe des Kongmaru la erreicht. Laut Karte liegt er auf 5150 Metern, mein GPS zeigt allerdings 5209 Meter an.
Tief unter mir liegt das Tal durch das ich gestern zum Zeltplatz gestiegen bin und das geröllbedeckte Gelände, das ich gerade durchquert habe.

                                                      Blick vom Kongmaru La auf die Anstiegsroute


Der Nebel lichtet sich jetzt zusehends und es eröffnen sich herrliche Blicke auf das schneebedeckte Massiv des Kang Yatze das aus dem Hochtal von Nimaling aufragt. Weite Aussichten ergeben sich über die rötlichen Zacken der Zanskar Berge bis zu den Eisriesen der Himalajahauptkette.

                                                                 Kang Yatze 

Der Abstieg ist ein Kinderspiel, verglichen mit dem Anstieg. Der zu bewältigende Höhenunterschied ist wesentlich geringer, daher stehe ich schon bald auf der Hochebene. Bei besserem Wetter wäre dies sicher eine herrliche Landschaft, doch leider haben sich die kleinen Wolkenlücken nicht weiter geöffnet.
Gestern konnte ich noch in T-Shirt und kurzer Hose wandern, heute dagegen trage ich dagegen ein dünnes und ein dickes Fleece und darüber noch die windabweisende Gore-Tex Jacke. Meine Wasserflasche ist schon lange leer, aber bis jetzt gab es nicht einmal ein kleines Bächlein aus dem ich etwas Wasser hätte schöpfen können, daher bin ich froh, als ich endlich den Nimaling Bach erreiche.
Auf dem Feuer einer provisorischen Zeltunterkunft, in der offenbar Nomaden leben, die hier ihre Yaks weiden lassen, braten gerade dicke Chapatis. Ich lasse mir die Gelegenheit nicht entgehen und kaufe einen der herrlich warmen Fladen. Eine Steinbrücke führt über den hier schon ziemlich wasserreichen Bach. Auf der anderen Seite liegt ein sogenanntes Tea-Tent. In einem aus einem Fallschirm errichteten Zelt werden hier kalte Getränke und die mir schon bekannten 2-Minuten Nudeln den Trekkern während der Touristensaison verkauft. Natürlich genieße ich erst einmal eine warme Mahlzeit. Die Frau, die mir zuvor den Chapatti verkauft hatte, setzt ihren Erlös in Bonbons um!
Beim Weitermarsch ändern sich die Wetterbedingungen ständig und zaubern tolle Wolken und Lichtspiele um den Kang Yatze und die wild gezackten, vielfarbigen Berge der Zanskar Range. Leider kann ich die Schauspiele nicht richtig genießen, denn ich bin ziemlich fertig und mein Herz rast wie verrückt. Daher bin ich froh, als ich schon am frühen Nachmittag mein Zelt an einem kleinen Bächlein abseits des Weges aufschlagen kann. Allerdings hatte ich auch ziemlich lange gesucht, bis ich dieses grasige, ebene Plätzchen gefunden hatte.
Später sehe ich einen weiteren Wanderer entfernt auf dem Weg. Es ist Andre! Als er auch nach einiger Zeit noch nicht bei mir angekommen bin, gehe ich ihm entgegen. Zwischen den niedrigen Hügelkämmen hatte er mein Zelt nicht gefunden. Andre hatte sich für den heutigen Tag prophylaktisch mit Kopfschmerztabletten gedopt und die Wanderung ebenfalls langsam angehen lassen. Ab und zu vertreiben uns Hagelschauer ins Zelt, danach kommt aber immer wieder die Sonne zurück und lässt den Kang Yatze in ihrem Glanz erstrahlen.
Während der Nacht schlafe ich schlecht, ich habe Kopfschmerzen, mein Herz rast und wahrscheinlich habe ich auch leichtes Fieber. Dennoch raffe ich mich auf und bin bald wieder bereit für einen neuen Wandertag.
Es ist ziemlich kalt, und die Berghänge sind weiter oben mit frischem Puderzucker bestreut. Eigentlich hatte ich vor, von hier über einen weiteren 5000er Pass direkt ins Tal des Langtang Chu zu gehen. Bei meinem Zustand halte ich es aber für besser erst einmal abzusteigen und nicht die direkte Route zu nehmen. Ich verabschiede mich von Andre, dessen Route ins Markha Valley hinein führt, und ziehe hinaus in den Morgen.
Schon bald kommt die Sonne heraus und gewährt mir herrliche Blicke von der Hochebene in die Weiten Ladakhs. Der Nimaling Chu hat sich tief unter mir in eine erodierte Schlucht eingegraben.

                                                Die tiefe Schlucht des Nimaling Chu

Weiter voraus ragen die rötlichen Zacken der Zanskar Berge auf. Gibt es einen Weg durch diese schroffe, abweisende Welt?

                                                              Die Zanskar Berge

Dann verlasse ich die Hochebene und gelange entlang von einem kleinem Bach zum Nimaling Chu. Hier in Tahungtse befindet sich ein großes Lager der Trekkinggruppen. Obwohl ich schon zwei Stunden unterwegs bin, wird hier erst gefrühstückt. Eine Holzbrücke führt auf die andere Seite des Nimaling Chu und ich sehe mein erstes Murmeltier in Ladakh.
Vor der Einmündung in das Markha Valley gibt es noch einmal einige kleine Felder am Hang.
Dann erreiche ich das breite Haupttal. Während der Bach talabwärts Markha genannt wird, heißt er talaufwärts Langtang Chu. An dieser Stelle verlasse ich den populären Markha Valley Trek und mir ist klar, dass ich von jetzt ab nicht mehr viele Leute treffen werde.
Während bisher fast immer ein Weg erkennbar war, muss ich mir jetzt meine eigene Route suchen. Zwar gibt es auch talaufwärts immer mal wieder Fuß- und Pferdespuren, aber keinen ausgetretenen Pfad. Häufig muss ich die Talseite wechseln, was meist über Felsen im Bach problemlos funktioniert. Aber bei einigen Gelegenheiten kommen auch die Sandalen zum Einsatz, die ich zu diesem Zweck dabei habe. Letztes Jahr in der Mongolei musste ich die Bachdurchquerungen barfuß absolvieren, was manchmal ziemlich unangenehm war, daher bin ich jetzt besser ausgerüstet.
Tatsächlich begegne ich heute niemand mehr, dafür kann ich farbenprächtige Rotschwänze mit oranger Kehle und weißem Kopf beobachten. Einmal zeigt sich ein 35-köpfiges Blauschafrudel aus Weibchen mit ihren Kitzen. Auch einige Blumen, unter anderem Storchschnabel blühen noch hier im Tal. Ansonsten ist die Landschaft ziemlich karg, mit weiten Schuttfeldern und kurzen Rasenflächen. Die Sonne ist schon längst wieder verschwunden, gegen Abend wird es windig und ungemütlich. Dennoch unternehme ich noch einen kleinen Spaziergang in die Umgebung bei dem ich wieder einige Blauschafe entdecke, bevor ich mein Globetrotter-Menü in der Apsis des Zeltes koche.
In der Nacht schneit es leicht, friert aber nicht dabei.


Nachdem das Wetter aufzuklaren scheint, setze ich meinen Weg talaufwärts fort. Im Tal kommt ein Blauschaf mit ihren 3 Kitzen bis auf 50 Meter auf mich zu. Die Tiere sind auch hier nicht scheu, aber doch etwas weniger „zutraulich“ als unterhalb des Kongmaru la, wo sie an Trekker gewöhnt sind.
Als ein Hagelschauer auf mich einprasselt, sehe ich entfernt eine Bewegung. Ich denke, es sind Hirten mit ihren Yaks, bin dann aber doch etwas überrascht, als 25 der zotteligen, schwarzen Rinder mutterseelenallein an mir vorbei talabwärts ziehen.
Bald darauf habe ich den Oberlauf des Tales erreicht, wo viel Pferdekot verrät, dass hier häufiger gelagert wird. Das Wetter wechselt im 5-Minutentakt zwischen Aufklaren und Schnee- oder Hagelschauern. Es ist kalt und ich habe leichte Kopfschmerzen, daher frage ich mich, ob ich wirklich jetzt zum nächsten 5000 er Pass, dem Zalung Karpo la aufsteigen soll.
Andre hat mir einige Tabletten geschenkt, da er genug dabei hatte, daher nehme ich jetzt eine Paracetamol und setze dann meinen Weg durch die heute düster und abweisend wirkende Bergwelt fort.
Während ich mir eine Ritter Sport Nussschokolade zum Mittagessen gönne, sehe ich entfernt eine Gruppe von Männern, die etwas aufzubauen scheinen. Als ich später bei Ihnen ankomme, entpuppen sie sich als die einheimische Vorhut einer Trekkinggruppe, die gerade ein Zelt zum Kochen für die Mittagspause der Wanderer aufgebaut hat.
Dann kommen auch schon die Trekker, und ich erfahre, dass es sich bei ihnen um eine überwiegend deutsche Gruppe von Hauser Exkursionen handelt. Der älteste Teilnehmer ist schon 78, hat aber keine Probleme mit den anderen mitzuhalten. Sie sind bereits 15 Tage auf einer wenig begangenen, sehr anspruchsvollen Route unterwegs, die Hauser zum ersten Mal im Programm hat.
Der Reiseleiter ist ein wettergegerbter älterer Mann. Als er von meinem Plan hört, warnt er mich vor den Fluten des Khurna Chu. Der Fluss führt noch viel Wasser, daher spannten sie Seile für die Überquerungen!
Dass ich nun den Spuren der Gruppe folgen kann, erleichtert die Orientierung, denn ansonsten gibt es keinen Pfad und das Tal des Langtang Chu habe ich schon längst verlassen. Der Anstieg wird jetzt anstrengender ist aber viel einfacher, als der auf den Kongmaru la.
Gegen 14 Uhr stehe ich auf dem Pass dessen Höhe laut GPS 5105 Meter beträgt. Manchmal zeigt sich jetzt sogar ein Stück blauer Himmel, in den die frisch verschneiten Gipfel ragen.
Zur einen Seite führt der Normalweg nach Karnak ins Sorra Tal, zur anderen Seite liegt das Rabrang Tal welches in den Khurna Chu, meinem nächsten Ziel mündet.
Ich bin froh, dass mir die Hauser Gruppe einen Serpentinenweg durch den steilen Geröllhang gebahnt hat, ansonsten gibt es hier keinen Weg und es wird wahrscheinlich nur sehr selten auf dieser Seite abgestiegen. Den Zalung Karpo la von dieser Richtung aus zu erreichen, muss wesentlich anstrengender sein. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass das auch mir noch bevorsteht…
Ich erreiche schließlich ein relativ breites Tal, in dem ich gut vorankomme, bevor es hinab in eine steile, unwegsame Schlucht geht. Kaum zu glauben, wie die Pferde der Gruppe hier rauf gekommen sind!
Unten angekommen finde ich einen traumhaften Lagerplatz mit grünem Gras an einem Bächlein. Ein Rotfuchs findet es hier auch offenbar schön. Als ich ankomme schnürt er einen Hang rauf und verschwindet.

                                          Traumhafter Lagerplatz - im Hintergrunder der Zalung Karpo la

Obwohl es schon spät ist, unternehme ich noch einen kurzen Abendspaziergang. Am Talende ragen spitze, matterhornartige Zackenberge auf. Die Gegend reizt mich unheimlich zum Erkunden. Hier habe ich wirklich das Gefühl, das ganze Tal für mich zu haben, was wahrscheinlich auch stimmt.
Noch vor Sonnenaufgang breche ich zu einem Erkundungsgang in die Umgebung auf. Die Enfernungen in dem weiten Tal lassen sich kaum einschätzen. Man glaubt, die nächsten Berge sind ganz nah, aber dann geht man stundenlang. Ich hatte gehofft zu dieser günstigen Tageszeit Wild beobachten zu können, aber außer einigen Steinschmätzern und Wachteln sehe ich nichts. Dafür entschädigt mich der Sonnenaufgang. Rosiges Licht und Wolken kämpfen miteinander.



Heute morgen leere ich meine erste 750 g Müslipackung. Die kalorienreiche Nussmischung hat immerhin für fünf Tage gereicht. Beim Aufbruch ist es noch sehr frisch, so dass ich all meine Jacken trage, aber als gegen 9 die Sonne den Talgrund erreicht, wird es rasch wärmer.
Zunächst ist das Tal noch ziemlich breit und am Rand mit dürrem Gras bewachsen, doch schon bald verengt es sich und ich laufe fast nur noch durch weite Kiesfelder. Zunächst ist nichts mehr vom Bach zu sehen, doch weiter unten wird er rasch wasserreicher, so dass ich mir immer geeignete Stellen suchen muss, wo ich von Stein zu Stein springend das Gewässer überqueren kann. Diese akrobatischen Einlagen machen mir Spass, allerdings wäre es kein Vergnügen sich hier den Knöchel zu verstauchen…
Die Landschaft in der engen Schlucht erinnert mich stark an den amerikanischen Südwesten.


Weiter unten tauchen dann auch die ersten Tamariskensträucher auf. Ein frischer Erdrutsch, der sich nicht umgehen lässt, verschafft mir ein etwas mulmiges Gefühl im Magen. Aber warum sollten sich die Erdmassen ausgerechnet wenn ich auf ihnen herumturne wieder in Bewegung setzen?
Dann verengt sich die Schlucht weiter und wird zu einer schattigen Klamm mit einem rauschenden Wildbach. Bunte Gebetsfahen verraten einen schmalen Pfad, der den Hang hoch führt. An manchen Stellen ist der Weg sogar mit Steinen abgestützt.
Ansonsten verläuft der Pfad häufig extrem ausgesetzt an dem instabilen Geröllhang. Man schaut hier besser nicht in die Tiefe…Kaum zu glauben wie der 78-jährige in der Hausergruppe und die Pferde diesen Abschnitt bewältigt haben.


Schließlich öffnet sich die Klamm und bald darauf habe ich die Mündung in den Khurna Chu erreicht. Das ist kein kleiner Bach mehr, sondern ein Gewässer, das man durchaus mit dem Kajak befahren könnte! Auf meiner Seite versperrt sofort eine senkrechte Felswand den Weg, also muss ich rüber. Zum Glück herrschen angenehme Temperaturen. Daher ziehe ich mich aus, und überquere den Khurna Chu zunächst ohne Gepäck. Das Wasser reicht bis knapp unter die Hüfte. Zwar ist die Strömung schnell, aber gestützt auf meine Wanderstöcke ist die Überquerung kein Problem.

                                                             Khurna Chu

Am anderen Ufer liegt ein guter Lagerplatz im Schatten einiger Weiden. Es gibt genügend Holz zum
Kochen auf dem Hobo Kocher, und im Fluss nehme ich das erste Vollbad dieser Tour.
Später erkunde ich den weiteren Verlauf flussaufwärts. Schließlich will ich dem Khurna Chu über ca. 30 Kilometer folgen. Schon nach wenigen Schritten versperrt mir wieder eine Steilwand den Weg und wird mich morgen zu einer weiteren Überquerung zwingen. Ich habe zwar noch einige Abdrücke von Pferdehufen im Sand festgestellt, aber von einem Pfad ist nichts zu sehen. Wird es überhaupt möglich sein, dem Fluss durch die engen Schluchten weiter zu folgen? In meiner Karte ist hier zwar ein Weg verzeichnet, aber wenn überhaupt ist er nur bei niedrigem Wasserstand um diese Jahreszeit zu bewältigen. Niedrigwasser führt der Khurna Chu aber zur Zeit nicht!
Hier auf 3700 Meter sind die Temperaturen wieder deutlich milder und ich kann abends noch lange vorm Zelt sitzen und die Stimmung am Fluss genießen. Ich bin gleichzeitig unsicher, aber auch von Vorfreude auf die weiteren Abenteuer erfüllt.
Am nächsten Morgen bin ich bald wieder an der Stelle bis zu der ich gestern Abend gekommen war. Die Durchquerung des Flusses stellt kein Problem dar. Dann scheint sich eine Art Pfad einen Hang hoch zu schrauben, und ich hoffe einen Weg gefunden zu haben, der mich durch die Schlucht führen wird. Doch leider ist von einem Pfad nichts weiter zu erkennen.
Bald stehe ich wieder am Fluss, denn die nächste Felswand versperrt den Weg auf dieser Seite des Khurna Chu. Hier ist die Strömung schneller und das Wasser steht höher als an den vorhergehenden Überquerungsstellen. Den Khurna Chu an dieser Stelle zu durchqueren wäre ein hohes Risiko. Allein schon das mögliche Durchnässt werden meiner Ausrüstung bei einem Sturz wäre extrem ärgerlich. Sicher wird es immer wieder bessere Stellen geben um durch den Khurna Chu zu kommen, leider kann man sich die hier aber nicht aussuchen, da die senkrechten Felswände „Zwangspassagen“ aufbauen.
Allerdings will ich noch nicht gleich aufgeben und versuche auf einem schmalen Band direkt über dem Wasser weiterzubalancieren. Bei einer Pause auf einem Absatz kommt ein Wiesel, das größer als das deutsche Hermelin ist, neugierig bis auf wenige Meter auf mich zu. Es wundert sich sicher, was dieser ungeschickte Zweibeiner hier macht!
Schließlich muss ich einsehen, dass ich auch hier nur mit großem Risiko weiterkommen würde.
Nach kurzer Überlegung komme ich zu dem Schluss, dass ich vernünftigerweise auf dem selben Weg zum Zalung Karpo la zurückkehre und von dem Pass auf der normalen Route in das Sorra Tal absteige.
Auf meiner Landkarte weisen die Höhenlinien hier ein breites Tal aus! War wohl nichts! Etwas niedergedrückt trete ich den Rückzug an.
Die Kletterei in der Klamm ist wieder spannend und atemberaubend, ansonsten gefällt mir das Tal nicht besonders, zu viel graues Geröll und zu wenig Grün.
Bei einem Pappelhain lege ich die Mittagspause ein, und will auf meinem Hobo-Kocher ein Globetrotter-Menü zubereiten. Dieser auf Postkartengröße zusammenfaltbare Kocher arbeitet nach dem Ofen-Prinzip und kann auch kleinste Stöckchen verarbeiten. Leider stellen die Pappel- und Weidenzweige keinen geeigneten Zunder dar. Erst mit Papier aus meinem Tagebuch schaffe ich es, ihn zu entzünden. Von den vielen Versuchen mit dem Feuerzeug fange ich mir tiefe Wunden an den Fingern ein, die erst nach meiner Rückkehr nach Deutschland heilen sollten.
An einem wunderschönen Platz wo sich das Tal wieder geöffnet hat, schlage ich mein Lager auf und unternehme noch einen Erkundungsgang in die Umgebung.



Es ist relativ warm, immer aber sind einige Wolken präsent. Viel alter Mist zeigt an, dass das Tal früher im Jahr von Nomaden beweidet wurde. Wie ich feststellen konnte, ist aber jetzt kein Mensch mehr auf dieser Seite des Zalung Karpo la. Ich genieße die Stille und die Aussichten auf die majestätischen Berge ringsum. Als ich einen eigentlich bescheidenen Hügel besteige, wird mir schnell wieder bewusst, in welcher Höhe ich mich bewege. Bereits nach wenigen Schritten muss ich stets eine Pause einlegen.
Mir waren die ganze Zeit schon Wildwechsel im Tal aufgefallen, aber erst bei der Rückkehr zum Zelt kann ich eine 11-köpfige Gruppe von Blauschafen mit Lämmern an einem steinigen Hang beobachten.
Heute wird meine Mutter 70! Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr nicht gratulieren kann, aber aufgehoben ist nicht aufgeschoben, immerhin sind meine Gedanken bei ihr und ich hoffe, dass sie sich nicht zu viele Sorgen macht. Zwar sollte sie eigentlich wissen, dass ich diese Wildnistouren wie die Luft zum atmen brauche und auch (meistens) wohlbehalten zurückkehre, aber als Mutter kann sie natürlich nicht aus ihrer Haut.
Kurz nach dem Aufbruch am nächsten Morgen sehe ich die letzten Blauschafe dieser Tour. Ob sie jenseits des Zalung Karpo la nicht vorkommen, oder ist es einfach Zufall?
Schon beim Zeltabbau geht ein Hagelschauer auf mich nieder und auch später bleibe ich nicht von diesen Wetterkapriolen verschont.

                                              Bald wird mich das Hagelschauer erreichen

Mir war schon vor zwei Tagen klar, dass der Aufstieg zum Pass von dieser Seite ziemlich hart ist, damals hatte ich mir aber noch nicht träumen lassen, dass er mir bald bevorsteht!
Hinzu kommt, dass es immer kälter wird. Trotz der schweißtreibenden Anstrengung trage ich all meine Jacken und auch die Handschuhe kommen zum ersten Mal zum Einsatz.
Nach fünf harten Stunden bin ich schließlich oben. Der eisige Wind lässt allerdings kaum eine Gipfelrast zu. Durch steile Geröllfelder steige ich ins Sorra Tal ab.
Als ich an einer geschützten Stelle raste, nehme ich wahr, dass ich heute nicht allein bin. Auf dem Pass ziehen zwei Gruppen mit ihren Ponys in meine Richtung. Als ich etwas später meine Mittagsschokolade verdrücke, werde ich auch schon von der Begleitmannschaft einer Trekkinggruppe überholt. Nach den letzten in Einsamkeit verbrachten Tagen gefällt es mir jetzt überhaupt nicht, in dieselbe Richtung wie zwei Trekkinggruppen zu ziehen.
Bald verengt sich das Tal wieder schluchtartig. Auf einem guten, grasigen Lagerplatz an der Einmündung eines Nebenbaches schlage ich mein Zelt auf. Das Wetter war bis jetzt ziemlich ungemütlich, bessert sich jetzt aber ein wenig, so dass ich draußen koche und esse.
Bald kommen die Kunden der ersten Trekkingmannschaft vorbei, ein französisches Pärchen, das auch über Pang zum Tsomoriri will. Bei den vielen Pferden hatte ich eigentlich mehr Wanderer erwartet, aber man kann hier auch durchaus luxuriös wandern!
Als ich beim Essen bin kommt die nächste Gruppe. Drei Schweizerinnen, die sogar bis nach Spiti wollen. Ein langer, anstrengender Weg! Eine der Frauen hat sichtlich mit der Höhe zu kämpfen. Ob sie es schaffen wird?
Abends unternehme ich noch einen Spaziergang in das Seitental. Ein fetter Pika mit weißem Bauch sitzt zwischen den Felsen. Ich versuche mich ihm zu nähern um ein Foto zu machen, aber stets flitzt es in seinen Bau. Schließlich hat es wohl genug von meinen Annäherungsversuchen und kommt nicht mehr zum Vorschein!
Meine kleine Digitalkamera ist zwar sehr praktisch, aber für Tieraufnahmen ist die Brennweite einfach zu niedrig.
Ein dunstiger, ungemütlicher Morgen erwartet mich. Es schneit ein wenig und ist so kalt, dass ich zeitweise meine Handschuhe trage. Schon bald passiere ich das Lager der Schweizerinnen. Zwar ist noch niemand zu sehen, aber herrlicher Frühstücksduft kommt aus dem Küchenzelt. Möchte ich auch so komfortabel wandern?
Trotz des Wetters wirkt das Tal jetzt viel einladender als gestern. Grünes Gras lädt förmlich dazu ein, hier zu lagern, aber ich gehe natürlich weiter! Nachdem ich das Lager der Franzosen passiert habe, erreiche ich Sorra. Die fünf grauen Steinhäuser werden von den Nomaden lediglich im Winter genutzt. Zur Zeit sind sie wohl noch auf den Hochweiden. Kaum vorstellbar, wie man in so einem einfachen Haus die eiskalten Winter hier oben überstehen kann!

                                                       Winterbehausung in Sorra

Bald darauf verschwindet der Bach in einer engen Klamm, über die eine Steinbrücke führt. Anschließend öffnet sich das Tal zunächst wieder.
Der Nieselregen gewinnt zunehmend an Stärke und schon bald ziehe ich mir meine Regenhose über. Schade, dass es heute so grau ist, denn bald tauche ich in eine tiefe Schlucht mit rötlichen, senkrechten Wänden ein. Das geschützte Mikroklima des Canyons lässt hier einen üppigen Wald aus bis zu drei Meter hohen Weiden wachsen. Zwar werden die Weiden von den Bewohnern regelmäßig gefällt und wohl als Brennholz genutzt bzw. verkauft, aber aus den Stöcken schlagen stets neue Ruten aus, weshalb dieser niedrige Baumbestand keineswegs einen verwüsteten Eindruck macht.
Dann erreiche ich die Einmündung des Sorra in den Khurna Chu. Der Fluss ist hier längst nicht so wild wie weiter unterhalb, dennoch bin ich froh, dass mir eine Steinbrücke die Durchwatung erspart.
Der Canyon des Khurna Chu, in den ich nach einiger Zeit gelange, ist noch eindrucksvoller als die zuvor durchquerte Sorra Schlucht. Es wäre sicher schön hier ein Lager aufzuschlagen, aber das Wetter lädt wenig dazu ein, außerdem ist es noch zu früh.

                                                         Die Khurna Schlucht im Regen

Schließlich treten die hohen Felswände auseinander und ich gelange in ein breites, grünes Tal. Vorübergehend hat der Regen nachgelassen, und zahlreiche Vögel scheinen die Rückkehr der Sonne zu begrüßen. Rotschwänzchen, Bachstelzen, Wiedehopfe, Würger, Mauerläufer und kleine Schnepfenvögel beleben die Stille.

Drei wohlgenährte, gelbe Murmeltiere mit schwarzen Äuglein und Stupsnäschen naschen vor ihren Bauen vom Gras. Als ich mich vorsichtig anschleiche, verschwinden sie im Boden, kommen aber bald wieder zum Vorschein, so dass ich mich schließlich bis auf drei Meter nähern kann um dieses Foto zu knipsen:

                                                     Murmeltier

Da ich nicht beim nächsten Ort, Dat lagern möchte, wie es sicher die anderen beiden Gruppen tun werden, schlage ich schon gegen 13 Uhr mein Zelt auf. Gerade rechtzeitig vor einem weiteren heftigen Regenguss. Die Schweizerinnen, die kurz danach vorbeikommen, hatten nicht so viel Glück. Eine von ihnen, die offenbar an der Höhenkrankheit leidet, kommt nur noch langsam voran, und will die Tour abbrechen.
Nachdem ich gekocht habe, breche ich zu einem Erkundungsgang auf. In diesem fruchtbaren Tal muss es Wild geben, vielleicht habe ich ja Glück und kann den seltenen Schneeleoparden beobachten? Leider ist das Wetter jetzt wieder umgeschlagen, mit eiskaltem Dauerregen und heftigem Wind. Es ist so ungemütlich, dass ich meinen Kopf sogar mit einer für arktische Verhältnisse konzipierten Sturmhaube schütze! Kein Wunder, dass ich bei diesem Wetter außer einem kleinen Fisch im Bach nichts weiter entdecken kann.
Der neue Morgen ist kalt, aber klar. Auf den Bergen liegt frischer Neuschnee. Nach kurzer Zeit im Tal erklimme ich einen Schotterhügel und eine weite Aussicht in das Tal von Dat eröffnet sich. Die etwa 30 nach dem mir schon bekanntem Muster erbauten Steinhäuser sind zur Zeit unbewohnt. Dagegen wirkt ein neues Betonhaus hier seltsam unpassend. Wahrscheinlich ist es ein Regierungsgebäude. Dazu passt auch, dass ab Dat eine kaum benutzte Jeeppiste in das Ramerthang Tal führt. Etwas abseits in einem Seitental befindet sich Dat Gompa, das kleine Kloster des Ortes. Das Camp der Schweizerinnen liegt unter mir im Tal, dagegen sind die Franzosen soeben dabei ihr Lager abzubrechen. Ein kleines Stück laufe ich zusammen mit dem jungen französischen Paar, dann beschließen sie auf ihre Leute zu warten, da sie sich über den weiteren Wegeverlauf nicht sicher sind.
Das breite Ramerthang Tal lässt in seiner Weite und Kargheit bereits die Nähe zu Tibet erahnen. Die Zackenberge der Zanskar Range liegen endgültig hinter mir. Bald entfaltet die Sonne so viel Kraft, dass ich im T-Shirt laufen kann. Der Sonnengenuss ist allerdings nur von kurzer Dauer, gegen Mittag kommt ein eiskalter Wind auf und von Zeit zu Zeit entladen sich wütende Schneeschauer.
Nach einer Talbiegung sehe ich bereits den Anstieg zum Yar la. Die bisher eher unscheinbare Piste zieht sich brutal in den Berg eingeschnitten in unzähligen Serpentinen empor. Ich schlage allerdings den direkten Weg zum Pass ein. Zwar erscheint der Anstieg verglichen mit Kongmaru la oder Zalung Karpo la eher bescheiden. Dennoch muss ich in der dünnen Luft immer wieder pausieren. Eine etwa 2-Meter breite Manimauer zieht sich auf beiden Seiten aus den Talgründen zum Pass hoch. Fast alle Steine weisen kunstvoll eingeritze Schriftzeichen auf. Welch Anstrengung derartige Bauwerke in dieser Einöde zu errichten! Die Buddhisten umschreiten die Manimauern stets im Uhrzeigersinn, wobei sie ständig die Gebetsformel „Om Mani padme hum“ rezitieren, das „Juwel in der Lotusblüte“.

                                                              Manimauern ziehen sich hoch zum Yar la


Die Passhöhe krönt ein weiteres buddhistisches Heiligtum, ein mit zahlreichen Gebetsfahnen geschmückter Chorten.

                                                               Chorten auf dem Yar la

Die Zanskar Berge liegen meist in Wolken, dafür entfalten sich jetzt die weniger schroffen Erhebungen Rupshus. Ein weites braunes Land unter einem unendlichen Himmel!
Am Passfuß mündet ein kleines Bächlein in das hier beginnende Tal. Das erste Wasser seit Dat! Eine grüne Wiese stellt einen optimalen Lagerplatz dar. Kaum habe ich mein Zelt aufgebaut, entfalten sich neue Unwetter mit Donnergrollen, Kälte und Schneeschauern.
Die Schweizerinnen schlagen ihr Lager einige Zeit später in unmittelbarer Nähe auf.
Am späten Nachmittag klart sich der Himmel auf, und ich breche zu einem Erkundungsgang auf. Häufig sehe ich kleine Pikas vor ihren Bauen. Einen der Pfeifhasen kann ich schließlich bis auf 2 m Nähe anschleichen.

                                                         Pika

Zurück im Lager bittet mich Mangal, der Führer der Schweizerinnen in ihr Küchenzelt. Er ist mit seinen beiden Leuten bereits bei den Vorbereitungen für das Abendessen. Komfort ist vielleicht etwas anderes, aber im Inneren des geräumigen Zeltes ist es durchaus behaglich und ein Becher Tee sorgt für Wärme im Bauch.
Die drei Schweizerinnen aus Lausanne haben von Bekannten die Adressen von Mangal erhalten. Er ist eigentlich Lehrer in Manali, organisiert aber bereits seit 20 Jahren Trekkingtouren um sein schmales Gehalt aufzubessern. Seine beiden Helfer kümmern sich hauptsächlich um die Ponys und die Küche.
Sylvie, Annelore und Christine haben ein sehr ambitioniertes Ziel, in 20 Tagen wollen sie von Hemis nach Spiti ziehen. Zwei der Frauen waren bereits zusammen in Nepal trekken, für die dritte ist der Himalaja völlig neu. Bald können wir das Abendmenü aus Suppe, mit Gemüse gefüllten Teigtaschen und Fruchtsalat genießen!
Jedes der Ponys trägt 60-70 kg, damit kann man schon ein paar ordentliche Mahlzeiten zaubern. Allerdings haben sie alleine 60 Liter Petroleum für die beiden Kocher dabei. Die gesamte Ausrüstung ist schwer und robust, allerdings schlafen die Frauen in eigenen, mitgebrachten Zelten. Eine Maus die von den Vorratssäcken im Speisezelt angezogen wurde, sorgt kurz für Aufregung!
Als ich gegen 21 Uhr zu meinem Zelt gehe, friert es bereits und ein klarer Sternenhimmel funkelt.
Früh am nächsten Morgen erfüllt dicker Nebel die frostige Landschaft. Schon bald habe ich Lungmoche erreicht, eine weitere verlassene Ansiedlung. Hier stoße ich noch einmal auf das Lager der Franzosen, die aber noch längst nicht startklar sind. Laut Karte soll der Weg nach Sangtha bald hinter Lungmoche aus dem Tal führen, ich kann aber keinen Abzweig finden.
Irgendwann beschließe ich mit GPS und Kompass ohne Weg zum nächsten Punkt zu laufen, dessen Koordinaten ich schon zu Hause ins GPS eingegeben hatte. Nach einem kurzen Anstieg erreiche ich eine weite, wellige Hochebene. Im Nebel, durch den schon langsam die Sonne dringt, nehme ich eine Bewegung war.
Kiangs! Diese herrlich bunt gefärbten tibetischen Wildesel hatte ich eigentlich schon gestern im Ramerthang Tal erhofft. Zunächst sehe ich zwei von Ihnen mit einem Fohlen, kurz danach eine Herde von 7 Kiangs. Obwohl sie mich gleich bemerkt haben, verhalten sie sich nicht sehr scheu. Allerdings halten sie stets etwa 100 Meter Abstand zu mir. Der Leithengst scheint die Gruppe zu führen und ist immer ein Stück voraus. Ab und zu bleibt er stehen und beäugt die Umgebung.

                                      Die ersten Kiangs!


Es dauert nicht lange und die Sonne zaubert die Schneegipfel aus den letzten Dunstfetzen hervor.


                                   Letzte Dunstwolken heben sich von den frisch "gezuckerten" Bergspitzen

Ich finde es traumhaft mir in dieser grandiosen Weite meinen eigenen Weg zu suchen. Obwohl ich es genossen habe, den gestrigen Abend mit den Schweizerinnen und ihrer Mannschaft zu verbringen, bin ich froh die ausgetretenen Pfade wieder zu verlassen.
Mein nächstes Ziel, das Zara Tal erscheint in der klaren Luft ganz nah, aber natürlich sind es noch einige Kilometer bis dort. In meinem Übermut will ich ein weiteres Stück weglos abkürzen. Aber dann stehe ich am Rand einer tiefen Schlucht. Zwar wäre es kein Problem im breiten Kiesbett weiter zu kommen, aber zunächst muss ich einen Weg nach unten finden. An einer Stelle die etwas weniger steil erscheint, versuche ich den rutschigen Kieshang hinab zu gelangen. Allerdings breche ich dieses Unterfangen nach kurzer Zeit ab, der Hang ist einfach zu steil und ich habe keine Lust in einer Kieslawine unten zu landen.
Mit einiger Mühe wieder oben angekommen, entdecke ich schließlich den Beginn eines kleinen Seitentales. Die Rinne zieht sich weit hin, erreicht aber schließlich das Tal des Zara Chu, fast gegenüber von Sanghta. Auch diese Siedlung vor der 10 mächtige, weiße Chorten aufragen, scheint verlassen zu sein, später sehe ich aber am anderen Ufer in einiger Entfernung zwei Männer.
Das Tal wirkt sehr trocken, fast wüstenhaft. Im Bachbett sind nur noch einige Pfützen verblieben. Über einer festungsartig aufragenden Felswand kreisen zwei große Geier.

                                

Es ist erstaunlich wie rasch sich die Landschaft ändert, denn ein Stück weiter finden sich grüne Weiden, auf denen zahllosen Yaks grasen, die mich kaum beachten. Die schwarzen Fellmonster sind wesentlich größer als auf der Hochebene Nimaling, wirken aber sehr friedlich. Ihre Besitzer haben sie mit Ohrmarken gekennzeichnet.

                                                                   Yak

Gegen Mittag ändert sich wieder einmal das heute bisher herrliche Wetter. Mit schöner Regelmäßigkeit gehen Regen- und Hagelschauer verbunden mit heftigen Windböen auf mich nieder . Einige Minichorten hoch oben in einer Wand verraten mal wieder die Bedeutung des Buddhismus für die Einwohner Ladakhs. Selbst in scheinbar abgelegenen Ecken finden sich Manimauern und Chorten.


Schließlich erreichen ich die Einmündung des Toze Chu, der einen ganz anderen Charakter als der idyllische Zara aufweist. In einem weiten Kiesbett spaltet sich der Fluss in zahlreiche Arme auf, nur selten sehe ich an den Talrändern einige Grasflecken.

                                  Das weite Bett des Toze Chu

Ich habe keine Lust ständig meine Stiefel auszuziehen und achte daher sehr darauf, flache Stellen für die Durchquerung der mäandernden Wasserläufe zu finden. Die heftigen Schauer lassen die Gegend sehr unwirtlich erscheinen. Doch schließlich kehrt die Sonne dauerhaft zurück, und es gelingt mir am Talrand ein winziges grünes Fleckchen für mein Zelt zu entdecken.
Ich nutze den Sonnenschein um meine Ausrüstung zu trocknen. Vor allem dem Daunenschlafsack gilt meine Aufmerksamkeit. Zwar ist er in einer Mülltüte im Rucksack wasserdicht verpackt, aber durch die nächtliche Kondensation im Zelt ist er morgens stets ziemlich feucht. Damit die Daunen ihre isolierende Funktion nicht verlieren ist ständiges Trocknen notwendig, was über den Wanderstöcken aufgehängt in Sonne und Wind auch meist gut gelingt. Ein kleiner Abendspaziergang talabwärts zeigt mir keine neuen Hindernisse, die morgen auf mich zukommen könnten.
Seit Sanghta habe ich den normalen Weg nach Pang verlassen. Auf der Karte sieht der Weg durchs Tal des Toze Chu, den ich jetzt eingeschlagen habe, durchaus gangbar aus. Allerdings hat mir auch im Internet vor der Abreise niemand verraten können, ob man auf diesem Weg Pang tatsächlich erreichen kann. Ein eventuell unüberwindliches Hindernis wäre z.B eine enge Schlucht mit nicht durchwatbarem Wasserlauf wie am Khurna Chu. Daher bin ich sehr gespannt, ob ich auf diesem Weg Pang erreichen werde. Pang ist ein kleiner Ort an der Hauptzugangsstraße nach Ladakh, wo ich neue Vorräte für den zweiten Abschnitt der Wanderung kaufen muss.
Wieder einmal hat es nachts gefroren und schon beim Zeltabbau bin ich in Schneetreiben gehüllt, was dann auch die nächsten drei Stunden anhalten sollte. Unter diesen Umständen ist es sehr öde sich durch das graue Kiesbett weiter vorzuarbeiten. Glücklicherweise bleibt das Tal breit und die zahlreichen Wasserläufe kann ich durchwaten ohne meine Stiefel ausziehen zu müssen. Einmal sehe ich entfernt am anderen Ufer ein graues Zelt mit Lagerfeuer auf dem Kies. In den Hängen grast eine große Schafherde, die von zwei Hirten gehütet wird. Ab 11 Uhr klart es auf und ein mächtiger Schneeberg taucht auf. Das Tal verengt sich jetzt zusehends, so dass der Toze Chu nun in einem einzigen Bett mit zahlreichen Windungen verläuft. Die Wassermenge ist dadurch so angestiegen, dass ich nun fast ständig meine Sandalen trage, wenn ich den Fluss durchwaten muss, weil eine Felswand den Weitermarsch versperrt. Häufig wechsle ich von einer Uferseite auf die andere. Glücklicherweise ist der Wasserstand aber so gering, dass sich keine Probleme ergeben. Zu anderen Zeiten kann das hier ganz sicher anders aussehen! Es ist auch gut, dass sich die Schlucht erst auf den letzten Kilometern vor Pang verengt, da ich bis dahin sehr rasch vorangekommen bin.

                            
Schließlich erreiche ich Pang.

                                                                 Pang

Einerseits bin ich froh, für kurze Zeit in die „Zivilisation“ zurückgekehrt zu sein, andererseits will ich mich nicht länger als unbedingt nötig hier aufhalten. Es gibt einen Polizeiposten an der Straße und natürlich ist auch das Militär an dieser strategisch wichtigen Stelle präsent, wo die Straße in eine Schlucht eintaucht und über den Toze Chu führt. Mein Permit für das Gebiet östlich der Straße ist erst in sechs Tagen gültig, daher möchte ich eine Kontrolle vermeiden!
Die Zeltrestaurants werden meist von tibetischen Frauen betrieben. Ob sie allerdings ursprünglich aus dem von tibetischen Nomaden, den Changpa bewohnten Bereichen Ladakhs stammen, oder vor den chinesischen Besatzern aus dem eigentlichen Tibet geflohen sind, lässt sich nicht sagen.
Ich nehme an einem Klapptisch vor dem Zelt Platz, genieße die wärmende Sonne und verspeise erst einmal einen Teller Reis mit Gemüse. Eine alte Frau mit verwitterten, markanten Zügen, sowie eine jüngere kümmern sich um mich. Zwar können sie kein englisch, verstehen aber trotzdem, was ich möchte. Das Innere des Zeltes ist behaglich mit Teppichen eingerichtet und die Damen geben mir zu verstehen, dass ich hier übernachten kann.
Aber wie gesagt, ich will keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Daher erledige ich nach dem Essen sofort meine Einkäufe. Die Auswahl an Lebensmitteln ist allerdings ziemlich beschränkt. Die mir schon bekannten chinesischen 2-.Minuten Nudeln mit scharfer Soßenpackung und Kit Kat Schokoladen erwerbe ich in großer Menge. Dazu kaufe ich 1 kg Tsampa, dass geröstete Gerstenmehl, welches in Tibet bei keiner Mahlzeit fehlt.
Mittlerweile sind schon einige Leute herbeigeströmt, die meine Wanderstöcke und den schweren Rucksack bestaunen. Aus dem genannten Grund verabschiede ich mich bald von den freundlichen Leuten und setze meinen Weg fort. Tatsächlich komme ich ungehindert am Polizeiposten mit Schlagbaum vorbei und tauche rasch wieder in eine Schlucht ein. Ab hier folge ich dem Sunkar Lungpa. Ohne groß in die Karte zu gucken marschiere ich weiter, was wie ich erst abends merken sollte, ein großer Fehler ist!
Nachdem ich die enge Schlucht hinter mir gelassen habe, finde ich mich wieder in weiten Kiesfeldern, die ich schon von heute morgen zur Genüge kenne. Zwischendurch gibt es mal wieder einige Hagelschauer und ich würde ganz gerne bald mein Lager aufschlagen, da ich inzwischen weit genug von Pang entfernt bin. Leider gibt es weit und breit kein geeignetes Plätzchen. Irgendwann gelingt es mir dann aber doch einen grünen Rasenfleck zu finden auf dem ich mein Zelt aufschlage.
Erst als ich mit dem GPS meinen Standort bestimme und in die Karte übertrage, kommt der Schock: In meiner Eile Pang zu verlassen, bin ich nicht ins Sunkar Lungpa Tal gegangen, sondern dem Toze Chu weiter gefolgt! Fast drei Stunden in die falsche Richtung!
Zwar widerstrebt es mir, den selben Weg zurück zu gehen, aber ein Blick auf die Karte verrät, dass eine Abkürzung zurück auf den „rechten Weg“ durch hohe Bergketten versperrt wird. Ärgerlich, aber nicht zu ändern!

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