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04.12.2013

Durch Wüsten und Canyons des Colorado Plateaus 5

Ich lasse es mir nicht nehmen, ein üppiges Frühstück mit Rührei und Speck in der Boulder Mountain Lodge einzunehmen. Frisch gestärkt mache ich mich dann daran, eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Und tatsächlich, das erste Auto, das vorbei kommt, nimmt mich mit. Die junge Frau hat ihr kleines Kind dabei und wirkt wie ein toughes Cowgirl. Und tatsächlich, sie veranstaltet Pferdetouren für Touristen.
Leider nimmt sie mich nur ein paar Meilen mit bis zum Abzweig zu ihrer Ranch. Danach kommt eine ganze Weile mehr kein Auto auf dem Burr Trail. Ich habe keine Lust nur rumzustehen, daher gehe ich etwa zwei Kilometer bis zu einem Zeltplatz. Die Umgebung von Boulder ist wunderschön, und ich kann gut verstehen warum man hier Urlaub macht. Der Zeltplatz liegt idyllisch unter hohen Pappeln an einem Bach. Zunächst scheint mir, dass niemand auf dem Platz ist, aber dann taucht ein junger Amerikaner auf, der soeben aufgestanden ist und mir erklärt, dass er hier lebt. Zwar muss er theoretisch Geld für seinen Aufenthalt in eine Box stecken, aber ich habe das Gefühl, dass hier nur selten kontrolliert wird. Der Amerikaner lädt mich ein mit ihm zu frühstücken, aber mein Bauch ist ziemlich voll, und ich möchte auch keine potentielle Mitfahrgelegenheit verpassen.
Ich stehe über eine Stunde, in der drei Autos vorbei fahren, mich jedoch nicht mitnehmen. Dann habe ich wieder Glück. Ein älteres Ehepaar aus Minnesota hatte mit mir in der Boulder Mountain Lodge gefrühstückt. Ich hatte mitbekommen, dass sie den Burr Trail fahren wollen, daher hatte ich sie nach einer Mitfahrgelegenheit gefragt. Die Beiden sind stark an meiner Wanderung interessiert, daher unterhalten wir uns während der Fahrt sehr gut miteinander. Gleichzeitig bewundern wir die fantastische farbenfrohe Landschaft des Waterpocket Fold.
Kurz nach 11 errreichen wir den Lower Muley Twist Canyon unweit von der Stelle wo ich gestern am Burr Trail angekommen war.

                             Lift zum Start meiner nächsten Etappe



Der Canyon ist eine offizielle Wanderroute. Zwar treffe ich keine anderen Leute unterwegs, sehe aber einige Fußspuren, die zeigen, dass tatsächlich mitunter Wanderer hier unterwegs sind.
Schon bald tauche ich in die fantastische Schlucht ein.

                                         Der Lower Muley Twist Canyon beginnt

Zwar windet sich der Canyon tatsächlich wie “ ein Maultier” aber das Besondere hier sind die tollen Kontraste zwischen rotem und weißem Sandstein. Eine Mischung die mich ein wenig an den Zion Nationalpark erinnert.
Schon bald wird die Schlucht mit ihren glatten Wänden tiefer und tiefer.Überall künden zurückgebliebene Wasserlachen von den Regenfällen der letzten Tage. Häufig kann ich über die glatten Felsen laufen und komme gut voran.
Manchmal verengt sich die Schlucht sehr stark, fast schon Slotcanyonartig. Dann wieder gibt es riesige, höhlenartige Überhänge. Nur einmal muss ich an einem Felssturz kurz klettern.
Nicht nur die unbelebte Natur hier ist faszinierend. Kleinvögel, Libellen, Eidechsen und Schmetterlinge sorgen immer wieder für Abwechslung. Außerdem kann ich eine Eule beobachten, die aus einer Wand fliegt und sich auf einem Wacholder niederlässt, einige Blauhäher mit schön leuchtendem Gefieder und ein kleines Hörnchen mit weißem Schwanz.
An den glatten Wänden, die eine Herausforderung für jeden Extremkletterer wären kann ich mich überhaupt nicht satt sehen.


                                      Glatte Steilwände im Lower Muley Twist Canyon

Am späten Nachmittag treten die Wände zunehmend auseinander und ich gelange in das Tal des Halls Creek.



                                                           Der Canyon öffnet sich

Hier in der Weite des Tales eröffnen sich spektakuläre Ausblicke auf die farbigen Berge der Umgebung im sanften Abendlicht.



                                                       Abend im Tal von Halls Creek

Schließlich entdecke ich ein Holzschild, das auf mein heutiges Ziel hinweist: Die Muley Tanks. Diese großen Auswaschungen in den Felsen am Fuß einer Steilwand trocknen fast nie aus, und sind daher eine ziemlich verlässliche Wasserstelle.
Ich muss ein wenig suchen bis ich die Pools gefunden habe.


                                                             Muley Tanks

Mit so einer großen Wasserstelle, in die vor kurzem sogar ein Wasserfall aus der Wand geflossen ist, hatte ich nicht gerechnet.
Zahlreich Spuren erzählen, wie wichtig dieser Ort für die Tiere der Umgebung ist. Um das nächtliche Leben nicht zu stören schlage ich mein Lager in respektvoller Entfernung auf. In den Pools wimmelt es von kleinen Fröschen!
Da es an dem milden Abend nicht nach Regen aussieht, kann ich endlich mal wieder ohne Zelt übernachten.
Während des Abendessens beobachte ich eine Ohreule die ganz in meiner Nähe in einem Wacholder sitzt. Später dann kann ich mal wieder einen unheimlich klaren, leuchtenden Sternenhimmel genießen.
Ich bin glücklich diese herrliche Landschaft durchstreifen zu dürfen!
Früh am nächsten Morgen folge ich weiterhin dem breiten Tal von Halls Creek. Es ist zunächst bedeckt, aber als die Sonne heraus kommt, entfaltet sie ein sanftes Licht, in dem die spektakuläre Landschaft mit ihren vielen Farben noch einmal so schön erscheint.

                                             Morgenstimmung in Halls Creek

Bei einem großen Felsrutsch beginnt mein Aufstieg aus dem Tal. Immerhin 700 Höhenmeter liegen vor mir, daher bin ich gespannt was mich erwartet.
Laut Führer kann ich zunächst einer alten Minenstraße folgen. Na ja, weil ich weiß, dass es sie gibt, gelingt es mir manchmal ihren Verlauf zu erahnen. Aber von einem Weg dem ich folgen kann, kann man nicht sprechen.
Kaum jemand weiß, dass es auf dem Colorado Plateau nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Amerikaner mit ihrem Atomwaffenprogramm begannen, einen regelrechten „Goldrausch“ gab. Dabei ging es allerdings nicht um das gelbe Edelmetall sondern um Uran, den Grundstoff für die Produktion der vernichtenden Bomben und Raketen. Etliche Leute kauften sich Geigerzähler und Bulldozer und versuchten das wertvolle Uran zu entdecken. Wirklich viel wurde aber nirgendwo gefunden, daher gaben die Prospektoren ihre Minen meist schon nach kurzer Zeit wieder auf. Überreste ihrer Versuche lassen sich aber noch heute an einigen Stellen finden.
Relativ komfortabel gewinne ich an Höhe und kann schon bald schöne Aussichten genießen.

                                               Halls Creek

                                                 Blick zurück zu den Henry Mountains

                           Die schräg aufgefalteten Schichten des Waterpocket Fold

Der alte Minenweg endet oberhalb eines tief eingeschnittenen Canyons. Ab hier muss ich mir meinen Weg durch ein Labyrinth aus riesigen Steinbrocken und dichtem, niedrigen Buschwald bahnen. Dabei begegne ich einer freundlich aussehenden, langen, dünnen Schlange, die sich aus kurzer Entfernung einige Zeit lang von mir fotografieren lässt. Leider ist die Vegetation so dicht, dass ich sie nie ganz frei bekomme.

                                         Eine freundlich aussehende Schlange begegnet mir

Weiter kämpfe ich mich durch die dichten Gebüsche. Immer wieder sehe ich den Pass, aber er scheint leider nicht wirklich näher zu kommen.

Doch schließlich stehe ich erschöpft aber glücklich auf der Wasserscheide zwischen Halls Creek und Escalante River, die zugleich die Grenze des Capitol Reef Nationalparks darstellt.
Die Aussichten zurück kenne ich ja bereits vom Aufstieg, die Gegend in die ich absteige sieht dagegen von oben einförmig, öde und trocken aus. Immer wieder stelle ich fest, wie Eindrücke in dieser zerklüfteten Gegend doch täuschen können…
Weit entfernt ragt das Kaiparowits Plateau auf. Auch dort hin möchte ich…

                          In diese Richtung setze ich meine Wanderung fort - Was wird mich erwarten?

Durch ausgedehnte knöchelbedrohende Blockhalden geht es steil nach unten, bis ich einen schmalen Canyon erreiche. Ich freue mich schon dass dieser mich relativ problemlos zum Middle Moody Canyon führen wird, aber dann stehe ich vor einem tiefen Absturz, den ich nicht umklettern kann. Also heißt es ein Stück zurückwandern und es im nächsten Seitencanyon probieren. Diesmal habe ich mehr Glück und erreiche tatsächlich den Middle Moody Canyon.
An etlichen Stellen steht noch rotes Wasser, was allerdings weniger einladend als das im Muley Twist Canyon aussieht…

                                            Middle Moody Canyon

Nach dem fantastischen Muley Twist Canyon wirkt dieser weniger spektakulär, dafür ist das Vorankommen schwieriger. Immer wieder müssen Abstürze umklettert werden und oft blockieren gigantische Felsen den weiteren Weg im Bachbett.
Am Spätnachmittag schlage ich mein Lager in der offenen Wüste oberhalb des Canyons auf. Trotz der schwierigen Wegstrecke habe ich heute ca. 25 Kilometer zurückgelegt. Es sieht nicht nach Regen aus, daher schlafe ich wieder einmal unter dem Sternenhimmel. Leider hat der Regen hier Scharen von Mücken hervor gezaubert, die mich ziemlich nerven…
Bevor ich die Augen schließe, lese ich wie immer noch ein wenig in dem Buch, das ich im Rucksackmitführe. „Desert Solitaire“ von Edward Abbey. Ich hatte mir dieses Taschenbuch schon vor vielen Jahren auf einer anderen Tour im Canyon Country gekauft, und lese es jetzt mit großer Freude wieder.
Abbey hat es wie kaum ein anderer geschafft, die spezielle Atmosphäre des Colorado Plateaus einzufangen. Dabei handelt es sich keineswegs um trockene Naturbeschreibung sondern spannend und interessant geschriebene Berichte, die verschiedene Facetten der Hochwüste beleuchten. Obwohl Desert Solitaire bereits 1968 geschrieben wurde, sind viele der Ansichten die „Kaktus Ed“ darin äußert noch heute brandaktuell. Abbey arbeitete Ende der Fünfziger mehrere Jahre lang als Hilfsranger im Arches Nationalpark in der Nähe von Moab. In dieser Zeit erlebte er, wie überall in den Nationalparks der USA die Wildnis durch den Bau von Straßen gestört wurde, die den lauffaulen Touristenmassen den Zugang zu den Naturwundern des Westens gewähren sollten. Gegen diese Entwicklung und andere Maßnahmen der industriellen Erschließung des Westens wie zum Beispiel auch den Bau des Glen Canyon Staudamms bezog er in seinen Büchern auf einmalige sarkastisch- ironische Weise Stellung.
Der Hayduke Trail wurde von seinen Schöpfern Joe Mitchell und Mike Coronella nach George Washington Hayduke, einer Figur aus Abbeys Roman „The Monkey Wrench Gang“ benannt. Die darin beschriebenen frühen „Ökoterroristen“ haben viele Umweltaktivisten unter anderem die Gruppe „Earth First“ beeinflusst.
Kurz gesagt, „Desert Solitaire“ ist für mich die perfekte Lektüre auf dieser Wanderung. Am nächsten Morgen betont die aufgehende Sonne die Farbe der Sandsteinfelsen. Zunächst folge ich zwei Stunden weiterhin dem Middle Moody Canyon bis zur Einmündung in den Moody Creek. Nach eineinhalb weiteren Stunden Wanderung zwischen hohen Wänden erreiche ich schließlich den Escalante River.

                                           Escalante River

Der Fluss ebenso wie der Ort Escalante, das heutige Nationalmonument Grand Staircase- Escalante und eine Reihe weiterer Plätze wurde nach Silvestre Velez de Escalante benannt, einem Franziskanermönch, der 1776/ 1777 mit seinem Mitbruder Dominguez und einer kleinen Expedition versuchte eine Route zwischen den zu der Zeit noch spanischen Kolonien New Mexico und Kalifornien zu finden. Das gelang zwar nicht, dafür waren sie offenbar die ersten Weißen, die in einen Teil des heutigen Utah gelangten.
Im Führer zum Hayduke Trail wird die Strecke entlang des Escalante Rivers als extrem schwierig beschrieben. Daher bin ich gespannt was mich erwartet…
Einige Wanderer die ebenfalls bereits auf dem Hayduke unterwegs waren, haben diesen Abschnitt auf einer anderen Route umgangen…
Was macht das Vorwärts kommen hier so schwierig? Zur Zeit ist der Fluss meist nur etwa knietief und das Wasser klar und schnell fließend mit häufigen kleinen Stromschnellen. Man könnte auf die Idee kommen, einfach den Fluss als Wanderweg zu verwenden. Das probiere ich auch, allerdings gibt es auch immer wieder tiefere Stellen und der Schlamm des Flussbettes will mich häufig festhalten. Es gibt hier auch eine besonders unangenehme Sache namens „Quicksand“ oder Treibsand zu deutsch.
Viele kennen die Stelle im Film „Lawrence von Arabien“ wo jemand im Sand versinkt. Das ist eine reine Erfindung des Films, die es im trockenen Sand nicht geben kann.
Anders sieht es aus, wenn Sand in Verbindung mit Wasser die richtige Konsistenz erreicht. Diese Mischung kann so „anziehend“ sein, dass man sich unter Umständen kaum noch befreien kann…
Im Führer wird dieses Phänomen für den Escalante eindrücklich beschrieben. Zwar bleibe ich zunächst nirgendwo stecken aber immer wieder einmal fühle ich, wie der Sandschlamm mich saugend festhält und ich mich beeilen muss, schnell wieder raus zu kommen…
Kurz gesagt, so richtig gut kommt man im Flussbett nicht vorwärts, zumal meine Lederstiefel schon nach kurzer Zeit schwer wie Blei sind. Jetzt wäre es schön, meine Turnschuhe noch dabei zu haben, aber diese hatte ich ja schon zu Anfang der Wanderung aus Gewichtsgründen zurück gelassen…
Da mir das Wandern im Wasser aus den genannten Gründen nicht besonders gefällt, versuche ich also an Land vorwärts zu kommen. Leider sind die offenen, sandig- kiesigen Abschnitte nicht besonders häufig. Immer wieder geht es durch den schwer zu durchdringenden, fast schon dschungelartigen Bewuchs aus Weiden und Tamarisken.
Häufig sind die Wände der Schlucht auch so steil und bis an den Gehölzgürtel reichend, dass ich nicht nach oben ausweichen kann. Immer wieder wechsle ich die Flussseite wenn mir das Weiterkommen auf der anderen Seite einfacher erscheint, oder unüberwindbare Hindernisse mich dazu zwingen.

                                                
                                                  
                
                                         Mühsames Wandern in der Escalante Schlucht

Trotz der warmen Temperatur ist es nicht gerade angenehm, ständig mit nassen Füssen zu laufen, daher lege ich etwa alle zwei Stunden eine Pause ein, um Füße, Socken und Stiefel ein wenig zu trocknen.
Natürlich gibt es eine Menge Tiere in diesem wasserreichen, grünen Wüstenkorridor, auf die mich aber in erster Linie die zahlreichen Spuren hinweisen. Einmal entdecke ich sogar eine Pumafährte.
Als ich abends mein Lager bei einer hohen Pappel aufschlage, fliegt ein schwerer Truthahn auf und segelt auf die andere Flussseite.
Natürlich lasse ich mir die Gelegenheit nicht entgehen und bade ausgiebig im Fluss.
Nachdem am nächsten Morgen einige Regentropfen gefallen sind, ist es wieder heiß und schön. Ich komme heute im Flusstal etwas besser voran, die Gebüsche sind weniger dicht und ich begegne keinem Treibsand. Dennoch muss ich häufig die Uferseite wechseln. Das Wasser ist jetzt oft so tief, dass ich nach geeigneten Watstellen Ausschau halten muss, die sich in der Regel an kleinen Stromschnellen finden. Einmal gelingt es mir eine hübsche Libelle aus der Nähe zu fotografieren.


                                         Hübsche Libelle

Zwar sind die Flussdurchquerungen ziemlich einfach, aber dennoch passiert mir einmal ein Missgeschick. Als ich nach einer Watstelle die Uferböschung erklimmen möchte, rutsche ich im glatten Schlamm aus, und lande in der schmierigen Masse. Glücklicherweise fällt meine Kamera nicht in den Dreck, lediglich meine kurze Hose ist jetzt im wahrsten Sinne „schlammfarben“.

                                             Nach einem Sturz im Uferschlamm

Gegen 14 Uhr höre ich es entfernt donnern. Als ich mich umblicke sehe ich im Norden eine dunkle Gewitterfront.

                                       Gewitter im Oberlauf des Escalante


Ich rechne damit, dass das Gewitter bald auch bei mir ist allerdings fallen nur wenige Tropfen Regen. Nichts desto trotz weiß ich, dass Niederschläge im Oberlauf des 145 Kilometer lange Escalante auch hier Folgen haben können. Daher achte ich darauf jetzt keine Engstelle zu passieren, an der ich einer möglichen Flut nicht ausweichen könnte.
Und tatsächlich, nach einer halben Stunde schwillt der Escalante innerhalb weniger Minuten zu einem reißenden Strom an. Das vorher klare Wasser hat sich in eine rote Schlammsuppe verwandelt in der Treibholz und abgerissenes Grün schwimmt.
Zwar ist das keine große „Flashflood“, aber immerhin ist der Wasserstand soweit angestiegen, dass eine Überquerung des Escalante nur noch mit großem Risiko möglich wäre.


                                        Der Escalante hat sich in eine reissende, rote Suppe verwandelt

Ich bleibe jetzt auf der rechten Flussseite. Zwar muss ich einige kleinere Klettereinlagen absolvieren und bin langsamer als wenn ich jeweils dem günstigeren Ufer folge, aber dennoch komme ich voran. Als einmal eine Sandsteinplatte unter meinem Gewicht nachgibt und mit mir abrutscht, kann ich mich sofort wieder fangen.
Immer wieder erfreuen die Farbtupfer einige Blumen meine Augen.


In der Nähe meines Nachtlagers sehe ich dann ein grandioses Zeichen zu was eine wirklich große Flut hier im Canyon fähig ist: Eine riesige Pappel mit angeschwemmten Geäst liegt 20 Meter über dem Fluss auf einemFelsen. So eine Flashflood hier im Canyon ist sicher extrem eindrucksvoll, allerdings nur wenn man sich hoch genug über dem Fluss befindet…

                                        Zeugnis einer gewaltigen Flut

Beim richtigen Wasserstand wäre es sicher ein Vergnügen mit dem Packraft den Escalante zu befahren. Die beste Chance hierzu hat man nach der Schneeschmelze im Frühjahr. Aber in diesem engen Canyon mit seinen zahlreichen Blöcken ist es sicher nicht so einfach zu manövrieren.
Am nächsten Morgen hat sich der Fluss etwas beruhigt, aber der Wasserstand ist nach wie vor viel höher als zuvor. Zumindest lässt sich der Escalante an geeigneten Stellen jetzt wieder überqueren. Allerdings ist im trüben Wasser die tatsächliche Tiefe schwer abzuschätzen. Daher geschieht mir bei einer Querung ein übles Missgeschick: Zwar verpacke ich meine Kamera wasserdicht für alle Fälle, vergesse aber mein kleines Fernglas, das ich wie üblich in der Seitentasche meiner Hose verstaut habe. Das ich meine Sachen nicht ausgezogen habe und daher jetzt auch meine Unterhose nass ist, ist bei den herrschenden Temperaturen nicht weiter schlimm. Allerdings hat auch das Fernglas einen Tauchgang eingelegt. Leider ist es nicht abgedichtet, daher ist Wasser eingedrungen. Zunächst hoffe ich ein wenig, dass die Flüssigkeit verdunstet und ich das Glas dann wieder benutzen kann. Zwar ist das Wasser nach einiger Zeit tatsächlich aus dem Fernglas verschwunden, aber natürlich bleibt soviel Sediment aus der roten Suppe des Escalante zurück, dass ich nur noch im wahrsten Sinne „trübe Aussichten“ damit genießen kann.
Zwar habe ich heute weniger mit dichter Vegetation zu kämpfen, aber die Mischung aus zähem Uferschlamm an meinen Stiefeln und kleinen Kletterpartien in den Canyonhängen ist meiner Gesundheit im Zweifelsfall auch nicht wirklich förderlich.
Als am Nachmittag ein natürlicher Steinbogen hoch oben in der Steilwand der Schlucht auftaucht, denke ich, dass die zwar schöne, aber doch ziemlich anstrengende etwas vierzig Kilometer lange Wanderung in der Escalante Schlucht ihrem Ende entgegen geht.

                                                          Stevens Arch

Auf dessen Höhe soll laut dem Führer Coyote Gulch, ein Nebencanyon des Escalante abzweigen. Zwar kommt es mir ziemlich merkwürdig vor, dass der Zugang zum Canyon sehr steil ansteigt, aber da ich auf Steinmännchen stoße, denke ich mir nichts weiter dabei, bis ich nach einiger Zeit doch erkennen muss, dass ich in einer Sackgasse gelandet bin.
Zurück am Escalante erweist es sich als zunehmend schwierig dem Fluss weiter zu folgen. Ich quere nach links, bald darauf zwingt mich aber wieder eine unüberwindbare Steilwand zu einem Seitenwechsel. Aber wo ich es auch probiere, das Wasser ist überall zu tief zum Waten und am Ufer lauert tückischer Quicksand.
Schließlich habe ich eine mir halbwegs geeignet erscheinende Stelle gefunden. Kleidung und alles was nicht mit Wasser in Berührung kommen darf habe ich wasserdicht verpackt, leider haben meine dazu gedachten Beutel bereits einige Löcher, daher würde ein längerer Schwimmgang meiner Kamera bestimmt nicht bekommen…
Aber die Überquerung scheint zu klappen, fast habe ich das andere Ufer erreicht, als ich merke, wie mich die saugende Mischung aus Sand und Wasser mit eiserner Faust festhalten will. Mir ist klar, dass wenn ich stehen bleibe es schwer werden wird aus dem Matsch wieder heraus zu kommen. Daher kämpfe ich mich aus Leibeskräften vorwärts, immer kurz davor endgültig stecken zu bleiben. Doch schließlich habe ich es geschafft, zwar sehe ich so aus, als käme ich gerade vom Schlammcatchen, aber immerhin bin ich drüben. Nachdem ich mich etwas umgeschaut habe, entdecke ich schließlich sogar eine Stelle wo ich wieder ans Wasser gelangen kann, um mir die schnell trocknende Pampe abzuwaschen.
Bald darauf biege ich in den nächsten Seitencanyon ein, in der Hoffnung, dass dieser Coyote Gulch ist. Aber auch diesmal bin ich zu früh vom Fluss abgebogen. Wieder stoße ich auf Steinmännchen, denen ich folgen kann. Sie führen zu einer nicht ganz einfachen, aber machbaren Ausstiegsroute aus dem Canyon. Irgendwann stehe ich hoch oben über dem Canyon auf schmalen, ebenen Sandsteinsimsen.
Im Canyon zu laufen ist eine anstrengende aber schöne Erfahrung, aber hier hoch oben über der tiefen Schlucht zu wandern ist einfach grandios, vor allem im sanften Licht des Spätnachmittags bevor der Canyon wieder vollkommen im Schatten liegt.
Zwar beruhigen mich die unregelmäßigen Steinmännchen ein wenig, aber mir ist natürlich klar, dass mein Sims jederzeit aufhören kann und der Übergang zur nächsten Stufe möglicherweise zu schwierig für mich ist. Und tatsächlich, muss ich auch einige Male den Komfort der ebenen Balkone verlassen, aber ich komme ohne Probleme auf das „nächste Level“
Irgendwann sehe ich Stevens Arch wieder auf der anderen Flussseite aber jetzt viel näher. Durch diesen fantastischen Bogen sollen sogar schon tollkühne Flieger geschossen sein.

                                Stevens Arch

Meine Route hat einen Bogen gemacht und tief unter mir liegt jetzt mein Ziel Coyote Gulch.

                                            Coyote Gulch von oben

Zwar ist der Anblick dieses gewundenen grünen Korridors von oben fantastisch, aber gleichzeitig auch ziemlich beängstigend. Wie soll ich in diesen offenbar überall steil abbrechenden Schlund sicher hinabsteigen?

Aber ich habe Glück, die Steinmännchen führen mich problemlos nach unten, zu einem traumhaften Lagerplatz unter hohen Pappeln. Dieses ist der erste, offenbar regelmäßig genutzte Zeltplatz auf den ich stoße. Auch hier ist das Wasser noch braun, offenbar gab es in Coyote Gulch ebenfalls eine kleine Flashflood. 

                                            Lagerplatz in Coyote Gulch

Bereits in der Dämmerung bin ich am nächsten Morgen wieder unterwegs. Es dauert nicht lange bis ich auf ein kleines Lager mit einigen Leuten stoße.
Nach einer kurzen Unterhaltung weiß ich, dass der Guide Aaron Johnson aus Escalante hier mit vier Kunden unterwegs ist. Alle schwärmen von der Schönheit Coyote Gulchs daher bin ich gespannt was mich weiter erwartet.
Die Schlucht ist wesentlich schmaler als Salt Creek im Canyonlands Nationalpark, dabei aber noch üppiger. Es gibt mit Ried und sattgrünem Schachtelhalm bedeckte Flächen und manchmal erinnern in einigem Abstand zu einander stehende hohe Pappeln an eine Parklandschaft. Überall ist Wasser. Neben dem braunen Hauptlauf gibt es einige klare Quellen und immer wieder hängende Gärten unter schützenden Überhängen in denen das ständig tröpfelnde Wasser kleine Paradiese in dieser sonst so trockenen Landschaft schafft.   

                                                            Üppiger Schachtelhalm

                                               Hängende Gärten unter schattigen Überhängen

                                             Parkartige Pappelwälder grenzen an dichte Ufervegetation

Manchmal ist eine Art Pfad erkennbar, häufig aber auch nicht. Das erzeugt in mir den Eindruck, dass Coyote Gulch zwar gelegentlich einige Besucher erhält, aber keineswegs überlaufen ist.
Es gibt hier sogar richtige, kleine Wasserfälle die über Steilstufen fallen. Während einer Flut sehen die sicher richtig spektakulär aus.


                                             Kleine Wasserfälle in Coyote Gulch

An einer nur zwei Meter breiten Engstelle steht tiefes Wasser. Ich ziehe mich aus und erkunde erst einmal ohne Gepäck ob ich die Stelle ohne zu schwimmen überwinden kann. Zwar ist das Wasser hier tatsächlich erstaunlich tief und kalt, aber meinen Rucksack über dem Kopf tragend kann ich gerade noch hindurchbalancieren.

Einmal nehme ich eine Bewegung in der dichten Vegetation war und schaue genauer hin.

                                                  Wer verbirgt sich hier?

Ich habe eine Gruppe von Maultierhirschen entdeckt, die nicht besonders scheu ist und sich einige Male von mir fotografieren lässt.


                                                                    Maultierhirsche

Erst gegen Mittag erreicht die Sonne den Canyon und lässt unter dem strahlend blauen Himmel die Landschaft noch einmal so schön erscheinen.

                                       Coyote Gulch ist eine üppig grüne Oase

Es gibt hier auch eine Reihe von Felsbögen. Einer davon gefällt mir besonders, weil der Bach mitten hindurch fließt!

                                        Der Bach fließt durch einen Steinbogen!

Irgendwann erreiche ich das Seitental des Hurricane Wash. Anfangs gibt es auch hier noch Wasser und die Canyonwände stehen eng beieinander. Schließlich verwandelt sich die Schlucht aber in ein trockenes Kiesbett in der offenen Wüste.
Gegen 15.30 erreiche ich schließlich die Hole- in- the Rock- Road, eine Schotterpiste. Sie verdankt ihren seltsamen Namen einer Gruppe von Mormonen die 1879 diese Route erschlossen haben. In der Nähe des Glen Canyons fanden sie einen engen Felsdurchgang den sie in sechs- wöchiger mühevoller Arbeit so präparierten, dass auch ihre Planwagen die Engstelle passieren konnten.
Ich habe unheimliches Glück, denn genau in dem Moment als ich die Straße erreiche, tauchen zwei Geländewagen auf und halten bei mir. Es handelt sich um die Gruppe die ich am Morgen in Coyote Gulch getroffen hatte! Sie hatten ihren Plan den Canyon weiter zu erkunden aus einem Grund den ich später erfahren sollte nicht umgesetzt und waren auf direkter Route zu ihren Wagen an einer Piste oberhalb von Coyote Gulch zurückgekehrt.
Ich darf einsteigen und die etwa 60 Kilometer bis nach Escalante mitfahren.
Der erst 26- jährige Aaron Johnson hat im letzten Jahr sein Unternehmen „Grand Staircase Adventure Guides“ gegründet, und begleitet Kunden auf mehrtägigen Touren durch die umliegenden Canyons. Sein 47- jähriger Freund Mike hilft ihm dabei, wann immer es seine Zeit erlaubt.
Die Piste ist in ziemlich schlechtem Zustand, daher benötigen wir eineinhalb Stunden für die recht kurze Strecke!
Das erst 1876 gegründete Escalante hat zwar nur 800 Einwohner, ist aber das touristische Zentrum für einen weiten Einzugsbereich. So befindet sich hier auch ein Besucherzentrum für das Grand Staircase- Escalante Nationalmonument.
Dieses mit über 7500 km² ziemlich riesige Gebiet wurde erst 1996 durch die Clinton Regierung nach langen Kontroversen als Schutzgebiet ausgewiesen. Der Hayduke Trail wird mich ab hier für weite Strecken durch dieses Reservat führen.
Aaron empfiehlt mir Escalante Outfitters zum Übernachten. Dieser Laden ist eine Kombination aus Restaurant, Ausrüstungsladen und Campingplatz. Ich komme in einer kleinen Blockhütte unter und gehe anschließend im Lebensmittelladen des Ortes einkaufen für die nächsten acht Tage. Zwar veranschlagt der Führer sogar 12 Tage für die vor mir liegende Strecke, aber ich möchte ungern Verpflegung für so lange Zeit mitschleppen, da ich auch viel Wasser werde tragen müssen. Im Ausrüstungsladen kann ich Ersatz für meine durchlöcherten Wassersäcke beschaffen.
Später verabrede ich mich mit Aaron und Mike zum Pizza essen bei Escalante Outfitters. Als ich eine 16- inch Pizza nur für mich bestelle (40,6 cm Durchmesser) fragt die Bedienung mich ob sie gleich eine Schachtel für die Reste mitbringen soll.
Als ich strahlend verkünde, dass es keine Reste geben wird, guckt sie mich ungläubig an, dass scheint auch in der Heimat der Fettleibigkeit eine ganz ordentliche Portion zu sein und eigentlich sehe ich ja auch nicht so aus, als ob ich ständig solche Mengen essen würde…
Wir unterhalten uns sehr gut über die Tourenmöglichkeiten in den Canyons der Umgebung und Aaron erzählt von den Erfahrungen mit seiner Firma. Die Tour heute musste er abbrechen, da eine der vier Kunden sich so unwohl in der Wildnis gefühlt hat, dass sie regelrechte Angstzustände entwickelt hatte…
Natürlich gibt es wie angekündigt keine Reste bei meiner Pizza, aber da wir draußen sitzen und es sich ziemlich abgekühlt hat ist auch meine Pizza am Ende nicht mehr gerade warm.
Die nächste Etappe soll mich durch eines der größten straßenlose Stücke Wildnis der USA außerhalb Alaskas führen. Gleichzeitig enthält dieser Abschnitt auch einen der laut Führer längsten wasserlosen Abschnitte des Hayduke Trails.

Kurz gesagt: Es wird spannend bleiben!

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