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20.12.2013

Abenteuer Mongolei - durch die Berge Dschingis Khans


Eine Landschaft in der die weite mongolischen Grassteppe zunächst in Taigawälder und dann in Tundra übergeht, dazwischen pittoreske Granitberge- , aufgrund der Nähe zur Hauptstadt leicht erreichbar und trotzdem eine menschenleere Wildnis die sich über hunderte von Kilometern bis nach Sibirien erstreckt.

Schwer zu widerstehen!

Im Spätsommer 2006 ist es soweit, meine Erkundung des Khenti Gebirges kann beginnen.




Aufbruch in die Mongolei

Am 26.8 hebt meine Maschine vom Flughafen Frankfurt ab.
Die Tupolew 154 der Aeroflot ist fast voll besetzt. Die Passagiere sind wohl überwiegend Deutsch-Russen, die zu einem Besuch in ihre alte Heimat starten, so auch das junge Paar neben mir. Ein bischen unsicher war ich ja schon, was auf dem Flug mit dieser russischen Fluglinie auf mich zu kommen würde.
Nun, überflüssigen Schnickschnack wie „Bord Entertainment“ oder saubere Toiletten gibt es hier nicht. Aber das Essen ist in Ordnung und was das Wichtigste ist: Sie fliegt, und stürzt auch bei der Landung nicht ab!
Nach nur Zweieinhalb Stunden schweben wir pünktlich zum Sonnenuntergang in Moskaus Scheremetowo Flughafen ein. Von oben wirkt die riesige Metropole nicht anders als eine westeuropäische Großstadt. Die birkengesäumten Seen erinnern etwas an Finnland.
Da es nur eine Stunde bis zum Start des Anschlussfluges nach Ulan Bator ist, werden die Mongolei Passagiere bei der Bordkartenausgabe vorgezogen.
Nun lerne ich auch die ersten anderen Mongolei Reisenden kennen: Ein elegantes älteres Paar war offenbar schon oft in dem Land und gibt mir Tipps, welche kulturellen Stätten in der Hauptstadt ich auf keinen Fall verpassen dürfe. Eine junge Frau mit Rollkoffer entpuppt sich als Beraterin einer deutschen Firma, die für die Entwicklungshilfegesellschaft GTZ in der Mongolei tätig ist. Sie war zwar noch nie in der Mongolei, hat aber Erfahrungen mit anderen Aeroflot Flügen in verschiedene der zentralasiatischen Republiken. Als Sie erzählt noch nie einen Anschlussflug verpasst zu haben, werde ich etwas gelassener, dass es auch diesmal mit der knappen Umsteigezeit hinhauen wird. Sie soll nur eine Woche in der Mongolei bleiben und ich frage mich, was das für eine Beratung sein soll, bei der man ein Land nur im absoluten Turbogang zu erleben bekommt.
Zwar gilt auch bei der Aeroflot die Handgepäckgrenze von 8 kg, aber der Lederkoffer der jungen Mongolin, die neben mir Platz nimmt, scheint voller Goldbarren zu sein, und wiegt mindestens 30 kg was ich feststelle, als ich das Teil unter den Sitzen der Nachbarreihe verstaue. Sie entpuppt sich als in Deutschland lebende Tourismusstudentin, die offenbar sowohl deutsch als auch englisch und russisch fließend beherrscht. Wie ich später noch feststellen sollte, ist sie in gewisser Hinsicht typisch für die junge Generation gebildeter, städtischer Mongolen, die vom Nomadenleben vieler ihrer Mitbürger ebenso weit entfernt sind, wie ein in Berlin aufgewachsener Deutscher.
Man darf halt nicht vergessen, das ein Drittel aller Mongolen in der Hauptstadt Ulan Bator lebt.
Bald ist es dunkel und nachdem das Abendessen serviert wurde, versuche ich in dem engen Sitz etwas Schlaf zu finden.
Rechtzeitig zum Landeanflug auf Ulan Bator geht die Sonne auf. Die Stadt breitet sich in einem großen Talkessel aus, und ist auf allen Seiten von mit gelbem Gras bewachsenen Bergen umschlossen. Das Flughafengebäude wirkt fast familiär und in Kürze liegen die Einreiseformalitäten hinter mir. Sogar das Visum, dass ich bereits bei der mongolischen Botschaft in Berlin erhalten hatte, ist hier direkt zu bekommen.
Das Gepäckband dreht sich, leider taucht mein Rucksack nicht auf. Dennoch bin ich nicht allzu sehr beunruhigt, da viele andere Leute ebenfalls noch warten. Dann stoppt das Karussell, und wir werden gewahr, dass offenbar die Zeit in Moskau für das Umladen des Gepäcks nicht ausreichend war, daher die vielen ebenfalls noch auf Ihre Sachen wartenden Leute.
Ein stoischer Angestellter der nationalen mongolischen Fluglinie Miat, nimmt für jeden Passagier, der noch etwas vermisst ein Protokoll auf. Als ich an der Reihe bin, bringe ich immerhin aus ihm heraus, dass die nächste Maschine aus Moskau morgen um die selbe Zeit landen soll, und der Angestellte empfiehlt, sich dann wieder hier einzufinden.
Ich bin aufgrund der 8 Stunden Zeitverschiebung ziemlich müde, aber zunächst lässt sich ohnehin nichts an der Situation ändern. Also halte ich nach anderen Passagieren Ausschau, mit denen ich mir das Taxi in die Stadt teilen kann.
Rasch habe ich zwei französische Paare gefunden, die gleich einwilligen mit mir zusammen in die Stadt zu fahren. Der erste Taxifahrer der uns anspricht, hat allerdings eine Schnapsfahne die man auf fünf Meter riecht und wirkt nicht so, als ob er fähig sei, überhaupt noch irgendwo hin zu fahren.
Aber natürlich gibt es auch nüchterne Kollegen und bald sitzen wir in einem Taxi, das mit Taxameter ausgestattet ist. Im Reiseführer hatte ich gelesen, dass es einen von der Regierung festgesetzten Kilometersatz gibt, der recht günstig ist, und für alle Fahrten gelten soll.
Die Temperatur außerhalb des Flughafengebäudes lässt eher an Winter als an Ende August denken, dafür wirken die Konturen der Grasberge in der klaren Morgenluft wie mit dem Messer geschnitten. An diesem frühen Sonntagmorgen gibt es noch kaum Verkehr und schon nach einer halben Stunde sind wir an einem dampfenden Kohlekraftwerk vorbei dem Zentrum der Hauptstadt nahe gekommen. Die an die ehemalige DDR erinnernden Plattenbauten lassen die Stadt nicht besonders schön erscheinen, aber wer fährt schon wegen der Hauptstadt hierher, die Naturschönheiten dieses Landes von der Größe Westeuropas mit lediglich 3 Millionen Einwohnern sind es, die Besucher anziehen.
Mitten im Zentrum verlassen wir das Taxi. Ich habe mir keine Gedanken über eine Unterkunft gemacht, aber die Franzosen verfügen über einen Tipp von einem Freund, der schon mal hier war. Nachdem wir den Reiseführer konsultiert haben, gelangen wir nach kurzem Fußmarsch zu dem Guesthouse „Ganas Ger“. Es liegt zentral in der Nähe des großen Gandan Klosters in einem Viertel, wo die hier Ger genannten Jurten neben Steinhäusern stehen. In dem Guesthouse hat man die Wahl zwischen normalen Zimmern oder auf einem Vordach stehenden Jurten. Wir beschließen nicht zuletzt wegen dem günstigen Preis uns ein Ger mit fünf Betten zu teilen.
Während das jüngere Paar sich erst einmal ausruhen will, beginne ich eine Unterhaltung mit Lilliane und Pierre. Die beiden sind Mitte 40 und wollen mit dem Fahrrad die Mongolei erkunden. Natürlich sind auch ihre Drahtesel nicht in dem Flugzeug gewesen. Obwohl das Paar noch keine Vorstellung von ihrer Route hat, sind sie sehr reiseerfahren. So sind sie schon um die Welt gefahren und haben China per Rad kennen gelernt. Als ich erzähle, dass ich zu einem Outdoorladen will, um mir dort die per e-mail von Deutschland aus reservierten Gaskartuschen zu kaufen, schließen sie sich mir an und wir gehen gemeinsam ins Stadtzentrum.




                                                              Ulan Bator

Die meisten Läden und Restaurants konzentrieren sich an einer vierspurigen Hauptstraße, der Peace Avenue. Inzwischen herrscht auch schon mehr Verkehr als in der Frühe. Pierre erinnert das Straßenleben an Nordchina. Man sieht elegant gekleidete junge Mädchen neben Frauen, die ein Satellitentelefon zu Gesprächen zur Verfügung stellen, und sich mit einem Mundschutz vor dem Staub schützen. Manchmal taucht auch ein älterer Mann im farbenfrohen, traditionellen Del mit umgürteter Schärpe auf, aber der Großteil der Leute auf der Straße ist sehr jung, und westlich gekleidet.

Nach kurzer Suche haben wir unser Ziel, den Laden „Seven Summits“ erreicht. Neben meinen Gaskartuschen gibt es hier von Wanderstiefeln über Goretexjacken bis zum GPS alles was das Herz des Outdoorbegeisterten begehrt. Auch Lilliane und Pierre finden ihre Karten. Der Laden scheint unter deutscher Leitung zu stehen. Daneben gibt es auch eine Brauerei mit Biergarten und eine österreichische Bäckerei mit Sachertorte in Ulan Bator.

Während morgens die Temperaturen noch eher winterlich waren, ist es jetzt um die Mittagszeit sonnig und angenehm warm. Ich möchte beim Essen draußen sitzen und entdecke einen Platz wo auf einem Rost Schaschlikspieße gegrillt werden und Plastiktische dazu einladen sich niederzulassen. Im Reiseführer lese ich, dass es meist Kirgisen sind, die über den Sommer in der Innenstadt diese Grillstände betreiben. Als ich meinen Spieß verzehre, kommt immer wieder ein vielleicht 12-jähriger Straßenjunge an den Zaun, der den Platz abgrenzt und hält mit flehender Miene seine Hände auf, bis er von einem Grillangestellten vertrieben wird, der befürchtet, bettelnde Straßenkinder könnten seine Gäste stören. Es gibt in Ulan Bator zahlreiche dieser Kinder, meist Waisen. Im Sommer mag ihr Leben noch halbwegs erträglich sein, den Winter in der kältesten Hauptstadt der Welt können sie nur im Untergrund in der Wärme des Fernheizungsnetzes überleben.

Bald taucht eine große Gruppe uniformierter Soldaten auf. Ihre Hautfarbe lässt eine afrikanische Herkunft vermuten, dazu passen aber ihre scharfen Gesichtszüge nicht, die sie ziemlich „tough“ erscheinen lassen. Schließlich spreche ich einen der Männer an, und erfahre,dass die Gruppe von den Fiji- Inseln stammt und hier auf einer UN-Übung ist!
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Vorfahren der Soldaten gefürchtete Kannibalen waren!

Zurück bei Gana sitze ich in der Sonne auf dem Dach und schreibe Tagebuch. Unter mir wird in einem umzäunten Hof gerade eine Jurte errichtet. Erst wird das Gerüst zum Rund zusammengesteckt, dann kommen diverse Filzschichten als Isolation, die von einer weißen Segeltuchbahn abgedeckt werden. Auf der anderen Straßenseite herrscht an den Markständen dichtes Treiben, und unweit davon ragen Geschäftshochhäuser auf. Die vielen Kräne verraten, dass diese Stadt boomt und ständig neue Glaspaläste errichtet werden. Das Zauberwort heißt Rohstoffe. Egal ob Kohle oder Gold, die Mongolei ist reich ausgestattet und viele Vorkommen werden erst jetzt erschlossen.




                                                                Gana 's Ger

Bald gesellt sich ein anderer Gast zu mir und wir beginnen eine Unterhaltung. Günter ist österreichischer Lehrer, der sich 2 Jahre frei genommen hat um zu reisen. Die Mongolei ist seine erste Station, gefällt ihm aber sehr gut. Er war längere Zeit im Altai und ist dort zum Basislager für die Besteigung des Tavan Bogd Ul gewandert, des höchsten Bergs des Landes. Allerdings scheint Planung nicht seine Stärke zu sein, denn als er nach einer Woche dort ankam, waren seine Vorräte aufgebraucht. Glücklicherweise half ihm eine Expedition mit Essen aus, sonst hätte er hungern müssen.

Als ich von meinen Wanderplänen erzähle, ist er gleich Feuer und Flamme und würde sich gerne mir anschließen, wenn er sich nicht schon mit einem Franzosen für eine Reittour verabredet hätte. Diese scheint aber noch nicht ganz fest zu stehen.

Nun, offenbar haben wir beide dieselbe Wellenlänge und ich würde ihn mitnehmen, unter der Vorraussetzung, dass jeder autark ist, so dass wir uns jederzeit wieder trennen können, sollte es Probleme geben.
Später erfahre ich dann aber, dass es doch mit der Reittour klappt, daher bleibt es dabei, dass ich alleine gehe.

Mein Abendessen nehme ich auf der Veranda des „Chez Bernard“ ein, da man dort in der Sonne sitzen kann und dabei das Leben auf der Straße an einem vorbeizieht. Das Cafe gehört einem Belgier, von dem allerdings nichts zu sehen ist. Dafür unterhalte ich mich mit einigen älteren Franzosen, denen man den Stolz darauf anmerkt, einen Monat im Geländewagen mit Führer durch die Mongolei gefahren zu sein. Als ich von ihren Rad fahrenden Landsleuten erzähle, erklären sie deren Vorhaben für gefährlich und verrückt.
Nachdem ich mich bei Gana mit einigen anderen Reisenden unterhalten habe, falle ich müde ins Bett.

Früh am nächsten Morgen fahre ich mit den Franzosen auf einem LKW, den wir von Gana gechartert haben zum Flughafen. Leider hat der Flieger 1,5 Stunden Verspätung, aber schließlich beginnt das Gepäckband zu rollen. Zwar hat uns das Wachpersonal klar gemacht, dass wir erst Zutritt zur Halle bekommen, wenn die gerade angekommenen Passagiere alle ihr Gepäck haben, aber da wir es kaum noch erwarten können, zu sehen ob unsere Sachen diesmal eingetroffen sind, mogeln wir uns einer nach dem anderen am Aufsichtspersonal vorbei. Es dauert nicht lange und die Rucksäcke der jungen Franzosen kommen zum Vorschein. Kurz danach rollt auch mein grüner Rucksack heran. Jetzt kann die Reise richtig beginnen!

Pierre und Lilliane wollen mit ihren Rädern gleich vom Flughafen losrollen, daher fahre ich mit dem jungen Paar schon zurück in die Stadt.

Als wir durch die engen Gassen am Gandan Kloster fahren, sehen wir eine große Prozession von gelbgewandeten Lamas, die meist spitze Mützen tragen. Erst als wir schon wieder beim Guesthouse sind, erzählen die Franzosen, dass der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der mongolischen Buddhisten in der Stadt sei, und sie ihn gestern in einem Auto gesehen hätten.

Diese Gelegenheit einen so bedeutenden Mann zu sehen, möchte auch ich mir nicht entgehen lassen, aber als wir zurück beim Kloster sind, ist bereits alles vorbei.

Im Übernachtungspreis bei Gana ist sogar ein Frühstück aus Omelette, Tee, Kaffee, Brot, Marmelade und Butter enthalten. Bevor ich in die Wildnis aufbreche, möchte ich mich stärken, daher nehme ich an dem langen Frühstückstisch Platz. Neben jungen Rucksacktouristen, esse ich auch mit zwei Althippies, die offenbar schon geraume Zeit bei Gana logieren. Diese Typen mit ihren langen grauen Haaren würde man eher in Amsterdam als in Ulan Bator vermuten! Aber das Leben ist relativ günstig hier und im Sommer herrschen angenehme Temperaturen, so dass man es hier schon eine Zeit lang aushalten kann.

Gesättigt gehe ich runter zu Gana. Da er neben dem Guesthouse auch eine kleine Touragentur betreibt, die seinen Gästen Programme nach Wunsch anbietet, ist es kein Problem für ihn, mir einen Wagen zur Verfügung zu stellen, der mich nach Gatshurt bringen soll, dem Ausgangspunkt meiner Wanderung in das Khenti Gebirge. Die Fahrt kostet kaum mehr, als ein Transfer zum Flughafen. Na ja, Gatshurt ist der erste Ort außerhalb der Hauptstadt und gerade einmal 30 Kilometer entfernt.

Doch bevor wir die Weite der Steppe erreichen, müssen wir uns erst einmal durch die Staus Ulan Bators quälen. Superteure Geländewagen stehen neben alten Schrottkarren.
Wenn das Stadtzentrum mit seinen Läden und Restaurants zumindest noch einen gewissen Charme versprüht, sind die Vororte einfach nur grau und schmutzig. Sozialistische Häuserblockarchitektur in Bestform.

Schließlich liegt die Metropole hinter uns, es geht durch ein Stück Steppe mit ersten Reitern, dann haben wir Gatshurt erreicht. Der Ort ist größer als ich dachte und erstreckt sich entlang den Ufern des Tuul Flusses. Ich habe wenig Lust hier mitten im Ort meine Wanderung anzutreten. Zwar sind die Mongolen dem Vernehmen nach freundlich und ungefährlich, aber ich möchte vermeiden,dass das Bild eines einsamen Wanderers der in die Berge geht, die Leute zum nachdenken bringt…

Nun, der Fahrer der kein Englisch spricht, hat nicht vor mich im Ort auszusetzen und fährt auch als der Asphalt endet, noch ein ganzes Stück auf einer holprigen Piste voller Schlaglöcher weiter, obwohl wir in keinem Geländewagen sitzen. Schließlich hält er dann aber doch. Hier im mäandrierenden Tal des Tuul gibt es einen Streifen Galeriewald aus saftig grünen Pappeln. Gatshurt sieht aus einiger Entfernung mit Holzhäusern und roten Dächern direkt nett aus.


Der Fahrer schaut interessiert zu, wie ich meine Wanderstöcke auseinanderschraube. Dann wuchte ich meinen 28 kg schweren Rucksack hoch, und laufe schnurstracks den nächsten Hügel hoch. Es ist um die Mittagszeit, so dass ich heute noch einiges laufen kann. Erstaunlicherweise sehe ich auf der Piste die wir eben noch befahren haben, zwei westliche Tourenradler mit Packtaschen an ihrem Velo.
Der gelbe, steinige Hügel ist kaum bewachsen, so dass die Vegetation meinem Vorwärts kommen kein Hindernis entgegensetzt. Die Spitze krönt ein Ovoo. Diese Steinhaufen werden von den buddhistischen Mongolen gerne an erhöhten Punkten angelegt. Aus diesem ragt ein Holzstock an dem eine blaue Schleife befestigt ist.




                                                                  Ovoo

Zum Asralt Chairchan, dem höchsten Berg des Khenti

Mein GPS hat nach kurzer Zeit den Standort bestimmt, den ich gleich auf meiner russischen Militärkarte im Maßstab 1:500.000 eintrage. Gatshurt als Ausgangspunkt der Wanderung wurde mir von Jens Geu per e-mail empfohlen, der die Mongolei seit vielen Jahren kennt und hier ein Beratungs- und Tourismusunternehmen betreibt. Ursprünglich hatte ich vorgehabt die erste Nacht in der Mongolei in seinem Ger Camp in Gatshurt zu verbringen, aber Aeroflot hatte diesen Plan durchkreuzt.

Mein erstes Ziel ist der Terelj-Fluss, der in nordöstlicher Richtung liegt. Offenbar gibt es von hier keinen direkten Weg dorthin, daher muss ich mit Karte, Kompass und GPS selber meinen Kurs bestimmen. Eigentlich hatte ich zwei Täler früher loslaufen wollen, macht aber nichts, gehe ich halt hier los. Um mir einen Überblick über die Topographie der Gegend zu verschaffen, bleibe ich auf den kahlen Hügelkämmen. Auch genieße ich es jetzt endlich meinen Blick ungehindert in die mongolischen Weiten schweifen zu lassen. Denn war ich vor gut einer Stunde noch im Trubel der Großstadt, kann ich hier schon die Stille der Steppe fühlen.

Nach einiger Zeit sehe ich unter mir ein breites Tal, das sich bis zum Tuul erstreckt. Verstreute Ansammlungen von weißen Gers, am Talende sogar einige Holzhäuser verraten, dass die Gegend hier noch besiedelt ist. Vorerst beschließe ich auf den Hügelkämmen zu bleiben. Das stellt sich allerdings als anstrengend heraus, da die Hügel von kleinen Tälchen unterbrochen sind, und es dadurch häufig bergauf und bergab geht. In einem dieser Tälchen verläuft eine Fahrspur, die so die Hügelkette überquert.

Als ich wieder einmal einen Anstieg erklimme, steht vor mir ein Rotfuchs auf und läuft langsam davon. Auch die Schwarzmilane, die ich manchmal beobachte erinnern an Deutschland. An einen geschützten Hang lehnen sich einige Lärchen. Viele Baumstümpfe verraten, dass hier die Jurten im Tal unten ihr Brennholz holen. Schließlich wird mir der Marsch über die Hügel zu mühsam und ich gehe in das breite Tal.

                                                                    Weites Steppental

Es gibt auch hier eine Piste und einmal sehe ich sogar entfernt einen Wagen vorbei fahren. Auch hier möchte ich noch keine Aufmerksamkeit erregen und schlage daher immer einen weiten Bogen um die dann und wann in die Landschaft gesprenkelten Jurtengruppen. Ein weiterer Grund für diese Ausweichmanöver sind die großen Hunde, die die Zelte bewachen. Ich habe gelesen, dass es ziemlich unangenehm werden kann, wenn man ihnen zu nahe kommt und gerade niemand in der Nähe ist, der sie zurück pfeifen kann.

Die braun-weißen Kühe hier sind gut genährt und könnten fast in Deutschland auf der Weide stehen. Dann und wann leisten einige Ziegen ihnen Gesellschaft. Einmal kommen zwei junge Frauen, die Milchkannen transportieren unweit von mir vorbei, beachten mich allerdings nicht.
Obwohl der anfangs noch sonnige Himmel sich zusehends bewölkt, muss ich häufig trinken. Ich habe nur einen Liter Wasser in meiner Flasche, weil ich davon ausging, bald auf einen Bach zu stoßen. Das Khenti Gebiet ist für seinen Wasserreichtum bekannt.
Und natürlich, wo Menschen leben, muss es auch Wasser geben. Das gibt es auch hier im Tal, ist aber durch das Vieh völlig verschmutzt, daher probiere ich es nicht einmal.

Irgendwann beginne ich ein auf der anderen Seite des breiten Tales gelegenes Seitental hinaufzusteigen. Gerade verblühtes Edelweiss, das manchmal in Massen in der Mongolei wächst, und einige Enziane verraten, dass der Sommer noch nicht ganz vorbei ist.

Je höher ich komme, desto mehr Bäume begleiten mich, neben den Lärchen auch Haine von schönen weißen Birken. Die erst ziemlich gemächlich ansteigende Fahrspur wird jetzt immer steiler. Entferntes Grollen verrät, dass es wohl in Kürze regnen wird. Trotzdem steige ich weiter, denn noch immer zeigt sich nicht das kleinste Rinnsal.

Einige Ziegen werden von zwei alten Männern mit zerfurchten braunen Gesichtern gehütet. Sie kommen auf mich zu und versuchen ein Gespräch mit mir zu beginnen, was sich aber als schwierig herausstellt. Sie sehen mit ihrer gebräunten Hautfarbe ganz anders aus als die Mongolen die ich bisher gesehen habe, welche eine ziemlich helle Haut haben. Ich vermute,dass sie Burjaten sind, eine Volksgruppe die hauptsächlich in Sibirien, aber auch hier im Khenti Aimag (Landkreis) lebt. Immerhin verstehen sie, dass ich Wasser suche, ihren Gesten nach gibt es hier aber tatsächlich keins.

Der steile Anstieg mit meinem noch ungewohnten, schweren Rucksack schlaucht mich ganz schön, alle paar Meter muss ich verschnaufen und auch häufig die Last absetzen. Dann ist es soweit, die ersten Tropfen fallen und ich beginne rasch mein Zelt aufzubauen, was wegen der noch fehlenden Routine relativ lange dauert. Schließlich liege ich auf dem Rücken und höre die Tropfen auf das Zeltdach fallen. Allerdings scheint das Gewitter vorbei zu ziehen, denn es regnet nicht sehr stark und schon nach einer halben Stunde kann ich das Zelt abbauen und weiter gehen. Inzwischen ist es später Nachmittag und ich würde am liebsten lagern. Aber die Aussicht mit den wenigen noch in meiner Wasserflasche verbliebenen Tropfen die Nacht und eventuell noch einen Teil des nächsten Tages verbringen zu müssen, treibt mich weiter.

Am Kamm angekommen befinde ich mich inzwischen in relativ dichtem Lärchenwald, der wenig Aussicht in die Umgebung erlaubt. Zwar kann man noch die Fahrspur erkennen, aber hier ist sicher schon lange niemand mehr mit einem Auto gefahren. Je weiter ich in dem Wald vorankomme, desto mehr verstärkt sich mein Gefühl in der Wildnis angekommen zu sein. Als leichter Regen wieder einsetzt, ziehe ich meine einfache Nylon Regenhose über und die gute wirklich wasserdichte Goretex Jacke.

Irgendwann endet die Fahrspur im Nichts und ich folge teils alten Pferdepfaden, teils gehe ich auch völlig weglos weiter. Obwohl der Wald stellenweise auch dichter ist, stellt das Vorwärts kommen kein Problem dar. Ein schwarzes Hörnchen klettert einen Stamm hoch und sieht abgesehen von der Farbe so aus, wie die Eichhörnchen bei uns. Auch die Kolkraben die mit ihren metallischen Rufen manchmal über mir kreisen, sind alte Bekannte. Das gilt nicht für einen großen, schwarzen Adler der einmal in geringer Entfernung vorbeifliegt.

Es wird später und später. Ich weiß, wenn ich Wasser finden will, muss ich den Kamm verlassen und in ein Tal absteigen. Lange gehe ich hangabwärts. Spuren von Vieh und alte Stümpfe von abgesägten Bäumen verraten, dass der Wald hier von Menschen genutzt wird.

Schließlich erreiche ich den Beginn eines kleinen Tales auf der Nordseite. Der Unterwuchs ist üppig und ich denke wenn es irgendwo Wasser gibt, dann hier, wo das Wasser von den umliegenden Hängen sich sammeln muss. Ganz leise meine ich das Plätschern eines kleinen Baches zu vernehmen und gehe dem Geräusch nach. Wasser! Zwar hier nur wenige Zentimeter tief, aber ein Stück weiter gibt es tiefere Stellen und ich kann mich erst einmal an dem köstlichen Nass satt trinken. An einer unweit gelegenen idyllischen Lichtung zwischen Birken schlage ich mein Zelt auf .



Es wird auch höchste Zeit dafür, denn mittlerweile ist es schon 19 Uhr und in zwei Stunden ist es hier im Tal dunkel. Inzwischen hat der Himmel aufgeklart und es wird rasch kühler.Bisher war es mir beim Laufen immer warm, aber jetzt beim Kochen ziehe ich gerne einen dünnen und einen dicken Fleece unter meine Jacke. Es dauert nicht lange und ich falle mit Heißhunger über ein Fertig Menü her. Die 250 Gramm Portion ist eigentlich für zwei Leute gedacht, aber ich weiß von früheren Touren, dass ich auf Wanderung eine Packung für mich alleine brauche um satt zu werden.

Mein GPS verrät mir, dass ich heute 13 km Luftlinie zurück gelegt habe. Nicht schlecht für den ersten Tag, zumal ich erst mittags losgegangen bin. Bei meiner Planung hatte ich mit Tagesestappen von 15 km Luftlinie kalkuliert.

Nachdem ich abgewaschen habe unternehme ich noch einen kurzen Spaziergang. Ich bin, nachdem ich zu guter Letzt doch Wasser gefunden habe, sehr zufrieden mit meinem ersten Wandertag. Es ist toll mal wieder als Waldläufer unterwegs zu sein. Vor allem das Suchen der eigenen Route ohne das irgendwelche Wanderwegsmarkierungen vorhanden wären, erzeugt ein starkes Gefühl der Spannung und lässt mich ständig voll konzentriert auf meine Umgebung sein. Ich erlebe so die Natur viel intensiver als das meist zu Hause der Fall ist. Zudem erzeugten bereits die Wälder entlang des Kammes ein Gefühl der Abgeschiedenheit. Natürlich ist mir klar, dass hier Menschen leben, dennoch konnte ich mich heute Nachmittag durchaus in den Glauben versetzen, ein Entdecker zu sein, der in unbekanntes Land vordringt.

Als es dunkel ist, krieche ich in meinen Daunenschlafsack, und falle bald in tiefen Schlaf.
Es ist noch dunkel, als mich näher kommende Geräusche wecken. Ich kann die Laute nicht deuten, habe aber keine Lust im Zelt überrascht zu werden. Also setze ich meine Stirnlampe auf, schlüpfe in die Stiefel und leuchte die Umgebung des Zeltes aus. Nach kurzer Zeit sehe ich einige Augenpaare und schließlich wird mir auch klar, wer mich hier besucht: Eine Gruppe von Pferden ist das Tal hoch gezogen und will sicher auch am Bach trinken!

Mit der Morgendämmerung verlasse ich das Zelt und mache mir mein Müslifrühstück. 300 Gramm Schokomüsli mit etwas Milchpulver sind meine morgendliche Ration für die geplanten nächsten 17 Tage. Die Nacht war kalt, es hat aber nicht gefroren und der Daunenschlafsack hat seine erste Bewährungsprobe bestanden. Der Himmel ist wolkenlos und es verspricht ein herrlicher Tag zu werden. Kurz nach 8 habe ich mein Lager abgebaut und wandere weiter.

Schon bald verlasse ich den Wald und mein kleines Tälchen mündet in ein breites Wiesental. In einiger Entfernung sehe ich eine kleine Ansiedlung mit Holzhäusern, Gers und hölzernen Umzäunungen für das Vieh. Weit entfernt trabt ein Reiter über die Steppe, ich aber setze meinen Marsch unbeachtet fort. Erst steigt das Tal nur unmerklich an, und ich kann einer Fahrspur folgen. Dann beginnt wieder der Wald und ich treffe auf den ersten Bach des Morgens, dessen klares Wasser ich bedenkenlos trinke. Die Fahrspur hört auf und ich bewege mich durch den dichten Unterwuchs der noch im Schatten liegenden Nordseite des Tales weiter. Das hohe Gras und die Beerkräuter sind noch nass vom Tau und das Vorankommen gestaltet sich ziemlich mühsam. Daher will ich auf die andere, bereits im Sonnenschein liegende Talseite wechseln. Allerdings ist der Talboden versumpft und mit dichtem Weidengebüsch bewachsen, so dass ich ein wenig suchen muss bis ich einen passenden Durchgang gefunden habe.

Es ist erstaunlich, wie stark sich die Exposition der Hänge hier auf die Vegetation auswirkt. Der Wald der Nordhänge endet wie mit dem Messer gezogen auf der Gratschneide, die Süd- und Westhänge sind grasbewachsen. Allerdings hat dieses Grasland keine Ähnlichkeit mehr mit dem kümmerlichen Bewuchs der steinigen Hänge gestern zu Anfang meines Marsches. Hier steht das Gras kniehoch und wird häufig von Farbklecksen aus Großem Wiesenknopf und einer schönen, blauen Kugeldistel unterbrochen.
Die Heuschrecken singen und hüpfen stellenweise in Scharen davon. Auch viele Schmetterlinge sind noch unterwegs.




                                           Steppe und Taiga begegnen sich

Die steilen Grashänge hinauf kämpfe ich mich auf ein bewaldetes Hochplateau und lande gleich wieder in einer anderen Welt, deren dunkler Schatten nur von verstreuten Sonnenflecken unterbrochen wird. Der Wald wird belebt von Tannenhähern die auch in deutschen Gebirgswäldern leben, kleinen Streifenhörnchen, von denen ich bisher annahm, dass sie nur in Nordamerika leben, und dunklen Eichhörnchen.

Wieder hatte ich bereits das Gefühl, die besiedelten Gegenden hinter mir zu haben, aber verstreute Lager und Stimmen nicht allzu weit entfernt verraten die Anwesenheit von Menschen. Ich schlage große Bögen um diese menschlichen Zeichen, denn hier im Wald überraschend auf eine Gruppe von Leuten zu treffen will ich noch mehr vermeiden als in der offenen Steppe. Dennoch inspiziere ich eines der Lager aus der Nähe und fotografiere es mit meiner kleinen Canon Ixus 40 Digitalkamera. Das warme Feuer und ein Haufen von Zirbelkiefernzapfen verrät, dass die Bewohner wohl nur über Tag in den Wald ausgeschwärmt sind. Ein Gerüst aus mit Plastikplanen überzogenen Ästen, dient als provisorische Behausung. Der Zapfenhaufen lässt darauf schließen, das die Zapfen wegen ihrer essbaren Kernen gesammelt werden.




                                                                   Lager der Zapfensammler


Schließlich geht es wieder hangabwärts und ich lande im nächsten Tal. Wieder sehe ich entfernt eine Ansiedlung und ein Junge galoppiert zu seiner auf der anderen Talseite weidenden Rinderherde. Der Anstieg zum nächsten Kamm erweist sich als ziemlich anstrengend. Immer wenn ich denke gleich oben zu sein, eröffnet sich hinter der Geländekante nur ein weiterer Teil des Hanges. Doch schließlich bin ich ausgepumpt aber zufrieden oben angelangt. Mit dem GPS überprüfe ich meine Position und stelle fest, dass ich schon ein gutes Stück in der richtigen Richtung voran gekommen bin. Die Aussicht ist zwar durch den Waldbestand etwas eingeschränkt, aber die großen Waldbrandflächen mit ihren ausgebleichten Baumskeletten erlauben immer mal wieder einen kleinen Überblick über das vor mir liegende Gelände, das hauptsächlich bewaldet zu sein scheint. Weder sehe ich Spuren von Menschen, noch das Tal des Terelj, dass jetzt nicht mehr allzu weit entfernt sein kann.

Während ich bis lang überhaupt keine Probleme mit Insekten hatte, nerven mich jetzt Mengen von kleinen, schwarzen Fliegen, die wenn ich mich zur Pause nieder lasse versuchen in Augen, Ohren, Nase und auch sonst überall hin zu krabbeln.

Ich setze meine Wanderung fort, und stoße dann beim Abstieg ins nächste Tal auf ein Labyrinth von Baumleichen auf einer alten Waldbrandfläche. Bisher hatte ich stets erfolgreich solche Flächen gemieden, aber diese ist so groß, das ich durch muss, will ich nicht einen großen Umweg in Kauf nehmen. Tatsächlich gelingt es an den meisten Stellen auch einen Zick-Zack Kurs durch die Verhaue zu nehmen, aber manchmal ist auch etwas Klettern und Balancieren gefragt, was mit dem schwerenRucksack ziemlich mühselig ist.

An einem Bächlein will ich gegen Mittag eine Mahlzeit auf meinem kleinen Gaskocher zubereiten. Die Sonne scheint, und eigentlich könnte es eine schöne Erholungspause werden, aber die Fliegen lassen mich nicht zur Ruhe kommen. Zu allem Überfluss kippt dann auch noch mein Topf vom Kocher, so dass ich dann Nudeln garniert mit Lärchennadeln genießen kann!

Auf der anderen Talseite geht es wieder durch summendes Grasland. Eine undeutliche Wegspur verrät, dass auch hier manchmal Menschen sind. Allerdings gibt es keine Spuren von Vieh, vielleicht werden diese Hänge zur Winterweide genutzt. Zwar habe ich lediglich 9,5 Kilometer zurückgelegt und es ist erst 16 Uhr, aber eine von Bäumen umgebene grasige Lichtung an einem Bach erscheint mir ein so idealer Lagerplatz zu sein, dass ich beschließe hier zu bleiben.

Nachdem ich mein Zelt aufgeschlagen habe, beginne ich einen Erkundungssteifzug talabwärts. Nur mit Fernglas, kleinem Rucksack in dem sich lediglich die Wasserflasche befindet, Kamera und Notizbuch läuft es sich federleicht und ich kann ohne schwere Last die herrliche Umgebung so richtig genießen. Während die rechte Talseite dicht bewaldet ist, steigen links steile, mit schütterem Gras und Blumen bewachsene felsige Hänge an.

Schon nach einer halben Stunde bin ich nicht mehr weit von der Talmündung entfernt. Ich steige zu einem Aussichtspunkt um mir einen Überblick zu verschaffen. Das Panorama, das sich mir bietet erinnert an Kanada: Vor mir liegt das breite, mäandernde Tal des Terelj.

                                                            Das Tal des Terelj

Die Ufer werden von einem Galeriewaldstreifen aus Pappeln gesäumt. Daran schließt sich Grasland an, das auf der anderen Talseite von einigen Gers unterbrochen wird. Die Pappeln und Lärchen sind noch satt grün, aber erste Weiden und Storchschnabelblätter im Unterwuchs nehmen schon die gelben und roten Farben des Herbstes an. Im versumpften Tal leuchten die weißen Fruchtstände des Wollgrases und manche Ebereschen prangen bereits kupferfarben.
Auch jetzt am Spätnachmittag herrscht noch warmes T-Shirt Wetter. Ich sitze lange im Gras und nehme die Umgebung in mich auf. Die Hänge sind noch von zahlreichen Blüten gesprenkelt, ob rote Nelken, blauer Eisenhut, Enziane, Astern oder Edelweiß.

Ich beginne einen felsigen Berg zu besteigen, aber irgendwann erkenne ich, dass es für heute wohl zu weit wird. Der Abstieg führt durch steile Blockhalden, wo ich gut aufpassen muss, nicht umzuknicken oder eine Steinlawine auszulösen. Da ich meine warme Mahlzeit ja schon Mittag gegessen hatte, bleibt mir für Abends jetzt nur noch eine 100 Gramm, Rittersport Nussschokolade, die sich auf vielen meiner Touren als idealer Snack erwiesen hatte.

Im Wald höre ich einen Schwarzspecht, aber ich hatte eigentlich gehofft bei einem solchen, ruhigen Abendspaziergang auch Wild beobachten zu können, was sich aber nicht erfüllt.

Zurück im Lager stelle ich bereits die ersten Schäden an meiner Ausrüstung fest: Meine sehr stabile Essschüssel aus Melamin ist zerbrochen und auch der Löffel hat einen Riss. Dummerweise hatte ich die Sachen zu brutal in den Topf gestopft. Na ja, dann esse ich ab jetzt eben sowohl Müsli als auch warme Fertignahrung aus meinem Aluminiumtopf.
Auch mein zweiter Wandertag bei herrlichem Wetter hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Am nächsten Morgen herrscht ruhiges Wetter bei bedecktem Himmel. Bald habe ich die Einmündung in das Terelj Tal erreicht, und laufe durch eine weite von Gras bedeckte Ebene auf einer Schotterterasse über dem Fluss.
Auch hier blühen zahlreiche Edelweiss.

                                                                      Edelweiss

Als ich in den Wald eintauche, frage ich mich, wie ich in der zum Teil dichten Vegetation vorankommen werde. Solange ich im Hochwald aus Lärchen, Birken und Aspen marschiere ist das kein Problem. Anders sieht das in den Weidengebüschen aus, die häufig in Ufernähe stehen. Meist ist das Tal zwar weit, manchmal nähert sich ein Mäander aber auch den das Tal einfassenden Bergen, so dass es nur wenig Raum zwischen dem hier 10 bis 20 Meter breitem, meist ziemlich flachem Fluss und den Steilhängen gibt. Glücklicherweise stoße ich auf eine undeutliche Pferdespur, in der es sich recht gut geht. Die abwechslungsreiche Flusslandschaft erinnert mich stark an meine Touren in Kanada und Lappland.

Als ich gegen 9.30 Pause mache, dringt die Sonne durch das Wolkendach, und im Nu gibt es nur noch einen strahlenden, blauen Himmel. Ein herrlicher Morgen! Zu meiner Überraschung stoße ich dann auf einen Fahrweg, aber kein Mensch ist weit und breit zu sehen Weites Grasland wird immer wieder von kleinen, parkartigen Waldabschnitten unterbrochen. An einigen Stellen ist Heu aufgeschichtet und einmal sehe ich sogar einen blauen LKW im Grasland stehen. Offenbar wird hier Viehfutter für den Winter gewonnen.

Doch weder Kühe noch Menschen sind zu sehen. An manchen Stellen ist die Grasnarbe umgebrochen, ein deutliches Zeichen dafür, dass hier Wildschweine leben.
Ansonsten sehe ich einen rüttelnden Turmfalken, kleine gelbe Ziesel und ein Eichhörnchen, das zu meinem Erstaunen sich weit von Bäumen entfernt in die Steppe vorgewagt hat.

Dann und wann münden Seitentäler von beiden Seiten ein. Entfernt am anderen Ufer stehen sogar einige Gers in einem dieser Täler. Gegen Mittag begegnet mir ein junger Bursche, der zu Fuß vom Fluss heraufkommt, und jetzt in der Wärme nur ein Unterhemd trägt. Er spricht mich an, aber als er merkt, dass er sich nicht mit mir unterhalten kann, geht er weiter. Offenbar war er nicht allzu erstaunt, einen Fremden hier zu treffen. Für mich sollte es aber für lange Zeit die letzte Begegnung mit einem Menschen bleiben.

Abseits des Weges koche ich mir an einem idyllischen Platz unter einer großen Pappel mein Mittagessen. Es ist so warm, dass man sich hier problemlos sonnen könnte.

Frisch gestärkt gehe ich weiter. Während ich bisher erst einmal den Terelj überqueren musste, weil der Weg das Ufer wechselte, muss ich nun wiederholt den Fluss durchwaten. Das Wasser ist zwar kalt, aber bei dem schönen, warmen Wetter kommt so eine kleine Abkühlung ganz recht, zumal das Wasser an den Furten maximal Kniehöhe erreicht.



Um Gewicht zu sparen, habe ich außer den Wanderstiefeln kein anderes Schuhwerk dabei. Das bedauere ich bei den Durchquerungen, denn die harten Kiesel drücken heftig gegen meine zarten Fußsohlen, die das Barfuss laufen nicht gewohnt sind. Eine gute Hilfe sind meine Wanderstöcke, die mir Halt geben, dass ich nicht so leicht ausrutschen kann.

Zeitweise glaube ich schon, dass die Fahrspur nicht mehr weiterführt, da ich sie im Gewirr der Seitenarme verloren habe, aber nachdem ich ein Stück querfeldein weiter gegangen bin, taucht sie auf der hohen Uferterrasse wieder auf. Während bisher nur relativ niedrige, teils mit Nadelwald, teils mit Gras bestandene Berge das Tal begrenzen, taucht nun noch weit entfernt die kahle abgerundete Silhouette eines der höheren Berge des Khenti auf.

Als ein weiteres Seitental von Norden einmündet, bestimme ich mit dem GPS meine Position und stelle fest, dass ich schon eine Strecke von 17 Kilometern im Terelj Tal zurück gelegt habe. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten für die weitere Route: Entweder dem Haupttal weiter folgend bis in den Quellbereich am Fuß des Asralt Chairchan, dem mit 2800 m höchstem Berg des Khenti, den ich mir als erstes Ziel ausgewählt habe, oder weiter im Seitental, auf direkterer Route tiefer in das Bergland vordringen.
Ich entschließe mich dazu das Tal des Terelj zu verlassen.

Ich hatte zwar bereits etliche Nebenbäche ohne mir die Füße nass zu machen überquert, aber der Akhain Gol ist fast so breit wie der Terelj und kann nicht von Stein zu Stein hüpfend überquert werden. Ich bin es leid, jedes Mal meine Stiefel aus- und wieder anzuziehen und behalte sie diesmal einfach an den Füßen, darauf vertrauend, dass ich bei dem schönen Wetter schnell wieder trockene Füße haben werde.

Nach der Überquerung gabelt sich die Fahrspur und ich folge ab jetzt dem Seitental, dass zunächst nur unmerklich ansteigt. Seit der Mittagspause hatte ich kein Ger mehr gesehen und habe das Gefühl, die Gegend allein für mich zu haben.
Dagegen spricht allerdings, dass ich immer wieder an Wiesen gelange, wo gerade erst Heu gemacht wurde und in Haufen aufgeschichtet auf den Abtransport wartet.

Ich genieße die herrliche Landschaft in der milden Spätnachmittagssonne. An den Hängen wechseln sich immer noch Wald und gelbes Gras miteinander ab, das Tal wird jetzt langsam schmaler als das Haupttal und einzelne Kiefern und Lärchen stellen die Vorposten des Waldes dar.
Gegen 18.30 verlasse ich die Spur und finde einen idyllischen Zeltplatz direkt am Bach auf einer kleinen Grasfläche umgeben von Weiden. Die gegenüberliegenden Hänge sind von bleichen Baumskeletten, den Zeugen eines Waldbrandes bedeckt.




Heute habe ich 21,2 km Luftlinie zurück gelegt, worüber ich sehr zufrieden bin. Nachdem ich das Terelj-Tal, das die Grenze des großen Khan Khenti Reservates bildet, hinter mir gelassen habe, werde ich ab morgen tiefer ins das Gebirge eintauchen.

Bei einem kleinen Abendspaziergang stelle ich fest, dass unweit von meinem Lagerplatz sich die größte von mir bisher gesehene, gemähte Wiese befindet. Ich bin zwar jetzt innerhalb des streng geschützten Khenti Reservates, aber es scheint, als würde hier tatsächlich mit Traktoren gemäht. Das ist sicher nicht der Wintervorrat einiger Hirten, sondern scheint eher für einen großen Viehzuchtbetrieb gemacht zu sein, der es sich erlauben kann, das Gras per LKW von hier abzutransportieren. An einer Feuerstelle finde ich Radiobatterien und halb verkohlte Packungen chinesischer Fertiggerichte.
So wird der Eindruck unberührter Natur zwar etwas gestört, aber ich finde die Gegend trotzdem herrlich, auch wenn die Elstern, die die Heuhaufen umschwärmen eher an zu Hause erinnern.

Als die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist, kommt die schmale Sichel des zunehmenden Mondes zum Vorschein. Mit rasender Geschwindigkeit wird es bitter kalt, und es bildet sich Reif auf dem Zeltdach. Schnell verschwinde ich im warmen Schlafsack.

Als ich in der Nacht wiederholt das Heulen von Wölfen in der Nähe höre, wird mir bewusst, dass Heuwiesen hin und her ich mich in einer abgelegenen mongolischen Wildnis befinde.

Der Morgen ist eiskalt, Stiefel und Zelt sind steif gefroren. Besonders unangenehm sind die noch nassen Socken. Ohne etwas zu essen packe ich vor Kälte zitternd in der Dämmerung mein Zelt zusammen, und laufe rasch los, um durch die Bewegung warm zu werden.

Erst eine Stunde später hat die Sonne die Luft ein wenig erwärmt und ich esse mein Müsli-Frühstück. Die offenen Grasflächen habe ich jetzt endgültig hinter mir gelassen, statt dessen bedecken dichte Weidengebüsche den Talgrund. Aus dem guten Fahrweg von gestern ist mittlerweile eine manchmal nur schwer zu verfolgende Spur geworden.

Hufabdrücke verraten die Benutzung durch Pferde, aber offenbar sind hier auch schon Kraftfahrzeuge gefahren. Eine Wolfsfährte in der schwarzen Erde verrät die Urheber des nächtlichen Konzertes.

Glücklicherweise ist es nach drei Stunden, als die erste Bachüberquerung ansteht, schon recht warm. Bei der Kälte des Morgens wäre es kein Vergnügen gewesen, barfuss durch das eiskalte Gewässer zu laufen! Die nassen, steif gefrorenen Stiefel haben mir ein für alle Mal klar gemacht, dass die bloßen Füße im kalten Wasser das kleinere Übel sind, verglichen mit der dauerhaften Klammheit, die mein leichtsinniges Anlassen des Schuhwerks mir eingebrockt hat.

Gegen Mittag habe ich bereits den Fuß der ersten Tundraberge erreicht. Die Landschaft ist jetzt deutlich karger, mit großen Schotterhalden und schütterem Baumbewuchs. Der Bach verzweigt sich oft in mehrere Seitenarme, die aber über die Steine springend durchquert werden können. Zu der etwas düsteren Landschaft passt, dass es sich bewölkt hat, und auch kleine Schauer nieder gehen. Mitunter steigt der Pfad jetzt aus dem Talboden auf eine höher gelegene Terrasse. Dort sehe ich zum ersten Mal die abgerundete Gipfelpyramide des Asralt Chairchan. Der Berg ist allerdings noch weit entfernt, und lediglich die Spitze ist nicht von anderen Bergen verdeckt.

Zurück am Bach stoße ich auf eine Rastplatz, der von einem Baum mit blauer Schleife markiert wird. Offenbar machen Tourismusunternehmen auf ihren Pferdetouren durch das Khenti hier Rast, denn die herumliegende Cabernet Sauvignon Flasche wurde wohl kaum von einem mongolischen Hirten getrunken!

Der Pfad entfernt sich jetzt zunehmend vom Fluss und führt durch weite Hänge, dichter, oft über meterhoher Zwergbirkengebüsche. Irgendwann gelange ich an eine Stelle, an der sich drei Wege gabeln. Der erste stellt sich als Sackgasse heraus. Offenbar wurde versucht, eine Sumpfstelle zu umfahren, was aber offensichtlich nicht gelungen war, da die Fahrspur abbricht. Der nächste Weg führt im Tal eines kleinen Baches aufwärts. Ich lasse meinen Rucksack zurück und will feststellen, wohin dieser Pfad geht. Kurz vor einer Art Pass, entdecke ich Spuren eines weiteren Lagerplatzes. Man kann hier sogar an den sonst von fast undurchdringlichen Weidenbüschen eingefassten Bach gelangen, dennoch finde ich den dem Wind ausgesetzten Platz zum Lagern nicht besonders geeignet. Dann bin ich oben und sehe in ein weites Zwergbirkenhochtal, das von einer weiteren Fahrspur gequert wird.

Wer benutzt diese Spuren in selbst mit Geländewagen fast unbefahrbarem Terrain? Goldsucher oder Wilderer die hier im Reservat für den unersättlichen chinesischen Markt jagen? Ich kann nur Spekulationen anstellen, die Spuren bleiben ein Rätsel für mich.

Als ich zurück bei meinem Rucksack bin, ist es bereits 17 Uhr, und ich habe eigentlich keine Lust heute noch weiter zu marschieren. Der Platz ist schön gelegen, und würde sich gut zum Zelten eignen, leider liegt er weit entfernt vom Fluss und es scheint kein Wasser zu geben. Trotzdem sehe ich mich ein wenig in der Umgebung um und entdecke einen schmalen Pfad, der zu einem Bächlein mit klarem Wasser in der Nähe führt.

Passend zum Zeltaufbau kommt auch die Sonne wieder heraus, und mein immer noch mit dem morgendlichen Rauhreif bedecktes Zelt kann trocknen. Zwischen den Felsblöcken der Umgebung nehme ich immer wieder eine Bewegung wahr und höre es pfeifen. Schließlich kann ich die Urheber identifizieren: Es sind Pikas, 2 kleine Nagetiere mit großen Ohren, die ich bereits aus Nordamerika kenne, von denen ich aber nicht wusste, dass sie auch in Asien beheimatet sind. Die Nager sind relativ scheu, stehen aber immer wieder einmal unbeweglich vor ihren Erdhöhlen zwischen den Blöcken.

Mein Lagerplatz gewährt herrliche Ausblicke über das Tal mit seinen sich schon langsam in herbstliches Gelb kleidenden Weiden- und Zwergbirkenflächen, zu den kahlen Tundrabergen, die jetzt sehr nahe sind, den düsteren Geröllhängen und einer Bergkette mit bizarren Felsformen auf dem Kamm.




Ich nutze den ruhigen, schönen Abend noch zu einem kleinen Spaziergang im Tal und genieße die schöne Umgebung. Auch mein Ziel, der Asralt Chairchan taucht hinter einer Talbiegung wieder auf, und lockt mich morgen direkt in seiner Richtung weiter zu gehen.
Die Abendsonne ruft immer wieder wechselnde Farbenspiele hervor, von der stahlblauen Färbung der Wolken über den Bergen, bis zur kupfernen Einfärbung des Tales im letzten Licht. Schließlich erscheint die schmale Sichel des zunehmenden Mondes in der Richtung aus der ich das Tal hinaufwandernd gekommen war.

Mein GPS weist 16,7 zurückgelegte Luftlinienkilometer für den heutigen Tag aus, und ich bin zufrieden mit diesem forderndem, erfüllten Tag, obwohl das Wetter heute meist nicht so schön war.

Auch in dieser klaren Nacht hat es wieder heftig gefroren. Aus dem gestrigen Kältemorgen habe ich einige Lehren gezogen: Mein Müslifrühstück hatte ich schon am Abend vorbereitet und nehme es im Schutz des Zeltes ein. Bevor ich dann rausschlüpfe und meine Behausung abbaue, ziehe ich alles an Bekleidung an, was ich habe, inclusive Handschuhe und Regenhose.

Eine Stunde lang marschiere ich weiter im Tal aufwärts, dann muss ich eine Entscheidung treffen: Entweder ich bleibe im Tal, bis fast zur Quelle, von wo es nicht mehr weit bis zum Asralt Chairchan ist, oder ich laufe weglos auf den jetzt in der klaren Morgenluft ganz nah erscheinenden Berg los.

                                                        Erster Blick zum Asralt Chairchan

Nun, ich bin bisher sehr gut hier im Tal des Akhain Gol vorangekommen, aber jetzt lockt mich die Aussicht weglos diese herrliche, weite Wildnis zu durchstreifen und mir meine Route selber zu suchen. Lediglich die dichten Zwergbirkengebüsche, die sich vor mir in alle Richtungen erstrecken, lassen mich zweifeln, ob sie überhaupt mit vertretbarem Aufwand zu durchqueren sind.

Egal, die Weite lockt. Inzwischen ist die Sonne höher gestiegen, und erwärmt die Erde von einem wolkenlosen, strahlend blauen Himmel. Innerhalb von fünf Minuten habe ich alle meine Bekleidungsschichten abgelegt und marschiere im T-Shirt weiter. Zunächst sind die Zwergbirken von Grasflecken durchsetzt, so dass ich mich nicht ins Gebüsch begeben muss. Doch dann gibt es keine Umgehungsstrecke mehr, und ich stürze mich in die knie- bis hüfthohe, mittlerweile von der Sonne aufgetaute, tropfnasse Vegetation. Erfreut stelle ich fest, dass die Zwergbirken mehr ein psychologisches Hindernis sind, und das Vorankommen nicht wirklich erschweren. Natürlich ist meine dünne Trekkinghose sofort klatschnass, aber auch das stört mich bei den angenehmen Temperaturen überhaupt nicht.

Die Umgebung ist fantastisch: Die Zwergbirkentundra wird an den häufig eingestreuten Hügelkämmen von dichtem Nadelwald abgelöst. Im Hintergrund erscheint die Kette der nackten, grauen Berge die zum Asralt Chairchan überleitet, zum Greifen nah.




Im Wald beobachte ich auch endlich mal wieder einige Tiere: Zwei graue Waldhühner, die unseren Haselhühnern ähneln und deren Köpfe von Federhauben gekrönt sind, erscheinen im dichten Unterholz, fliegen auf und lassen sich auf einem Ast nieder, bevor sie weiterstreichen. Ein kleines Streifenhörnchen, dass ich bisher auch nur aus Nordamerika kannte, huscht von Baum zu Baum und einige graue Häher mit schwarzen Kopfhauben schweben mit jammernden Flötgeräuschen durch den Wald. Bei einer anderen Pause sehe ich einen Schwarzspecht, ein alter Bekannter aus dem deutschen Wald.

Die Zwergbirken bilden auch in den Waldstreifen häufig den Unterwuchs, wachsen hier aber weniger hoch und dicht. Viele der großen Lärchen sind schwarz am Stammfuß, Zeugen von Bränden die durch den Wald gefegt sind, aber den dickborkigen Bäumen nichts anhaben konnten.

Stellenweise finde ich herrlich süße Heidelbeeren und auch rote Moosbeeren, wie in Skandinavien. Manchmal wird der Waldboden aber auch nur von dichten weißen Rentiermoospolstern bedeckt. Da ich mich immer wieder gut an den Bergketten orientieren kann, muss ich nur selten den Kompass zur Routenfindung benutzen. Ständig rechne ich damit, auch einmal einem größeren Tier zu begegnen, diese Hoffnung erfüllt sich jedoch leider nicht. Es gibt auch nur wenig Wechsel und Losung die auf Wildvorkommen hinweisen würden.

Als ich mir die nun näher gerückten Berge bei einer Pause intensiver betrachte, beschließe ich eine Routenänderung: Der Grat, den ich für den Aufstieg zu „meinem“ Berg vorgesehen hatte, scheint nur zu einem Vorgipfel zu führen. Daher beschließe ich einen der kahlen Bergkämme zu überschreiten und dann den Asralt Chairchan von der anderen Seite anzugehen. Bei meiner „Schokoladenmittagspause“ genieße ich den bisher schönsten Landschaftseindruck dieser Reise unter einem nach wie vor wolkenlosen Himmel. So wie es hier aussieht, stellt man sich Gegenden in Kanada oder Alaska vor.


Erst geht es im Wald relativ gemäßigt bergauf, dann wird es steiler, und ich muss häufig rasten. Schließlich endet der Wald und weicht mit niedrigem Gras bewachsenen Hängen und Geröll. Weiter oben geht der Hang in einen breiten Rücken über, aber schließlich stehe ich oben.
Der Asralt Chairchan erscheint jetzt ganz nah, aber ich weiß wie das in der klaren Luft täuschen kann. Unterhalb verläuft ein schmales Tal, das einen Standort für mein Aufstiegsbasislager und einen guten Zugang zum Berg gewährt. Doch zunächst gilt es unbeschadet den steilen Geröllhang herunterzukommen, denn schließlich möchte ich nicht zusammen mit rutschigen Felsbrocken den Berg runterkollern!




Ich versuche meine Route über die schmalen Grasstreifen zwischen dem grauen Gestein zu legen, was auch ganz gut funktioniert. Nur an einigen Stellen bewege ich mich mit großer Vorsicht wie auf rohen Eiern durch die Geröllhalden.

Im Tal warten Rhododendron und bis zu 30 Zentimeter tiefe Moospolster auf mich. Der Wald ist soweit oben schon sehr licht, besteht aber zum Teil aus sehr imposanten Kiefern- und Lärchenveteranen, die zwar nur etwa 10 Meter hoch sind, aber bis zu 80 cm Durchmesser aufweisen. Unweit des kleinen Baches finde ich eine ebene Grasfläche auf der ich schon gegen 15 Uhr mein Zelt aufschlage.

Zwar habe ich heute nur 9,3 Kilometer Luftlinie zurückgelegt, bin aber trotzdem zufrieden mit dieser Leistung im weglosen Gelände. Von Wetter und Landschaft her, war das die bisher schönste Etappe. Ich nutze den Sonnenschein für das erste Vollbad dieser Wanderung!

Nachdem ich mein Abendbrot gegessen habe, breche ich zu einer kleinen Erkundungstour talabwärts auf. Die steilen Blockhänge auf der linken Bachseite lassen kaum einen ebenen Streifen, bis das weidengesäumte Ufer beginnt. Ein kleines Streifenhörnchen kommt einige Male bis auf 2 m an mich heran. Ich verharre unbeweglich, möchte aber natürlich gerne ein Foto schießen. Immer wieder erschreckt der kleine Nager sich, und verschwindet unter den Felsen. Schließlich gelingt es mir doch das Hörnchen halbwegs scharf aufzunehmen.

Weiter unten weitet sich das Tal und ich laufe über Flechtenmatten durch lichten Kiefernwald. Einige Mücken sirren um mich herum, aber im Wesentlichen ist es sehr still in diesem Wald.



Dadurch, dass ich meinem ersten Ziel jetzt so nahe gekommen bin, ist die Spannung ein wenig verschwunden, und ich grüble wohin ich als nächstes gehen will.
Inzwischen hat sich der Himmel zusehends bewölkt und die ersten Tropfen fallen. Ich ziehe schnell mein Regenzeug aus dem kleinen Rucksack, der bei den Erkundungstouren immer dabei ist, und haste zurück zum Zelt, denn mittlerweile ist der Himmel bedrohlich schwarz und ein Gewitter zieht heran. Doch zunächst bleibt es bei einigen Tropfen und entferntem Donnern. Erst als ich im Zelt liege, bricht das Unwetter richtig los. Heftiger Regen prasselt auf das Zelt und fast ununterbrochen gehen Blitze nieder, die die Nacht erleuchten.

Mein Zelt hält dicht, dennoch bin ich ziemlich besorgt und schlafe lange nicht ein. Heute war wieder ein toller Tag. Die Spannung den eigenen Weg zu suchen und dabei diese Traumlandschaften zu entdecken, ist unvergleichlich.

Auch am nächsten Morgen gehen immer wieder Schauer nieder. Ich beschließe zunächst im Zelt auf besseres Wetter zu warten und nehme dabei mein Müslifrühstück ein. Schließlich prasseln keine Tropfen mehr auf das Zeltdach und ich strecke meinen Kopf hinaus. Das Unwetter scheint sich tatsächlich ausgetobt zu haben und am Himmel tun sich erste blaue Lücken in den noch immer tief hängenden Wolken auf. Diese Gelegenheit muss genutzt werden! In kurzer Zeit habe ich meinen Tagesrucksack gepackt und mache mich auf zur Besteigung des Asralt Chairchan.

Zunächst gehe ich weiter im Tal aufwärts. Die knorrigen, alten Kiefernveteranen werden immer seltener, dann folgt eine Zwergbirkenzone, die von niedrigen Grasteppichen, die sich kaum gegen das von allen Seiten herandrängende Geröll behaupten können abgelöst wird. Es ist kalt, daher trage ich unter meiner Wetterjacke zwei Fleeceschichten, von denen ich eine erst beim steilen Aufstieg auf dem Grat ablege.
Nach dem das Tal endet, erklimme ich einen Grashang und gelange so zum Sattel, von dem dann der lange Gipfelgrat nach oben führt.
Inzwischen bin ich vollkommen vom Nebel eingehüllt, so dass ich nur wenige Meter weit meine Umgebung wahr nehme. Auf dem Grat empfängt mich ein peitschender Wind, der in Regen übergeht, welcher schließlich gar mit Hagel gemischt ist. Klar, hatte ich mir schöneres Wetter für den Anstieg vorgestellt, dennoch verschafft mir der Kampf mit den Elementen große Befriedigung. Mittlerweile gibt es fast gar keine Vegetation mehr, und ich muss durch die Felsbrocken balancieren. Der peitschende Seitenwind lässt nie nach. Bei diesen Bedingungen bin ich nur froh, dass die Route über den Grat eindeutig ist, und ich mich nicht verirren kann.

Nach knapp drei Stunden wird der Grat flacher und geht in das sanft ansteigende Gipfelplateau über. Eine Reihe hoher, geschmückter Ovoos markiert den höchsten Punkt. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, so viele Zeugen vergangener Besteigungen hier vorzufinden, aber Gipfel sind nun einmal heilig für die Buddhisten, und der Asralt Chairchan ist mit Abstand der höchste und markanteste Berg im Khenti Gebirge. Von weitem sieht er einer Pyramide ähnlich, so dass man ein Gipfelplateau hier gar nicht erwartet. Mit Selbstauslöser und auf einem Felsen abgestellter Digitalkamera, gelingt mir sogar ein Gipfelfoto.

                                                          Auf dem Gipfel des Asralt Chairchan


Zwar bin ich kein Bergsteiger, aber die Erklimmung dieses Berges hat mir großen Spaß gemacht, vor allem natürlich, weil er nur in mehreren Tagesmärschen zu erreichen ist.

Dies ist die erste Tour bei der ich Google Earth für die Planung benutzt habe. Auf den Satellitenbildern war der Berg deutlich zu erkennen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass ich mir in Zukunft häufiger Berge als Ziel suche.

Ich schlendere trotz des miesen Wetters über das felsige Plateau. Ursprünglich hatte ich eine andere Route für den Abstieg geplant. Bei diesen Sichtverhältnisssen halte ich es aber für das Beste, den gleichen Weg zurück zu nehmen. Während ich mich noch auf dem Plateau aufhalte, reißt der Nebel manchmal für kurze Augenblicke auf und gewährt weite Blicke über die Wildnis aus Bergen und Taiga, in der kein Zeichen die menschliche Anwesenheit verrät.

                                                  Blick in die Weite des Khenti Gebirges

Schließlich reiße ich mich los von der trotz Kälte und eingeschränkter Sicht eindrucksvollen Spitze des Berges. Beim Abstieg bessert sich das Wetter zusehends und zaubert wunderschöne Stimmungen hervor, wenn überraschend blaue Himmelfenster im Weiß der Wolken sich öffnen.







Allerdings ist die Atempause die mir die Elemente lassen, nur von kurzer Dauer. Als ich wieder am Oberlauf des Baches angelangt bin, setzt heftiges Schneegestöber ein, das die Sicht auf nur wenige Meter reduziert. Ich bin froh, dass ich schon um 13 Uhr zurück beim Zelt bin.
Während draußen der Schneesturm wütet, überlege ich, welches Ziel ich als nächstes ansteuere, nachdem ich heute den Asralt Chairchan erreicht habe. Mich interessieren die heißen Quellen von Yesti, über die ich in einem kurzen, deutschen Reiseführer über das Khenti Reservat gelesen habe. Dieser Führer wurde im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojektes erstellt, und enthält auch interessante Informationen über Flora und Fauna des Khenti Gebirges. Die heißen Quellen werden offenbar gelegentlich auch von Einheimischen wegen ihrer gesundheitsfördernden Wirkung aufgesucht.

Zwar hoffe ich, dass sich das Wetter heute noch bessert, denn unter diesen Bedingungen hat es wenig Sinn in der Taiga umherzuirren, aber Stunde um Stunde vergeht und es schneit weiter. Im englischsprachigen Lonely Planet erfahre ich viel Wissenswertes über die Mongolei, so wird es mir im Zelt nicht langweilig.

Erst gegen 19 Uhr beruhigt sich das Wetter. Zwar schneit es nicht mehr, dafür ist es jetzt eiskalt. Noch ist die Schneedecke so dünn, dass sie für das Vorankommen kein Hindernis darstellt. Mir ist allerdings klar, dass falls es weiter schneien sollte, was in der Mongolei auch zu dieser Jahreszeit durchaus möglich ist, ich ein echtes Problem hätte. Daher beschließe ich zunächst nicht weiter nach Norden zu gehen, da ich mich sonst noch weiter von der Zivilisation entfernen würde, und der Rückweg durch tiefen Schnee immer länger würde. Stattdessen peile ich den See Khagin Khar als nächstes Ziel an. Im Internet habe ich gelesen, dass er gelegentlich von Reisegruppen zu Pferd angesteuert wird.

Am nächsten Morgen sind meine Stiefel, die ich ins Zelt gestellt hatte, steif gefroren und es kostet mich einige Mühe in sie hinein zu schlüpfen.

                                              Frostiges Erwachen am nächsten Morgen

Nachdem ich mein Zelt abgebaut habe, marschiere ich talabwärts. An manchen Stellen geht es durch Felder voller Felsblöcke. Halb vom Schnee verdeckt und glatt muss ich meine ganze Aufmerksamkeit verwenden um unbeschadet hindurch zu balancieren. Ein gebrochener, oder auch nur verstauchter Knöchel wäre fatal.
Die Taiga, die vorgestern im Sonnenschein noch in prächtigen Farben erschienen war, ist nun kalt, grau und abweisend. Der scharfe Nordwind zwingt mich dazu all meine Kleidungsstücke zu tragen, obwohl der schwere Rucksack mich sonst schon nach wenigen Minuten schwitzen ließ.

Ich erreiche ein breites Quertal voller Weidengebüsche und Sumpfgräser, zwischen deren Bülten offene Wasserlöcher lauern, jetzt von der weißen Decke gnädig verdeckt. So sehr ich mich auch vorsehe, irgendwann tappe ich mit dem rechten Fuß durch den Schnee in ein wassergefülltes Loch und augenblicklich rinnt die braune Brühe in meinen Stiefel. Ein tolles Gefühl, bei der Kälte jetzt auch noch mit nassen Füßen weiter laufen zu müssen!

Da schützt nur in Bewegung bleiben vor der von den Füßen hoch kriechenden Kälte.
Schließlich habe ich den gegenüberliegenden Wald erreicht, und komme etwas leichter vorwärts ohne damit rechnen zu müssen wieder in einem Wasserloch zu versinken.

Blühende Weidenröschen im Schnee bieten ein bizarres Bild und erinnern daran, dass der Sommer eigentlich noch gar nicht zu Ende ist.




                                                  Weidenröschen im Schnee

Zweimal entdecke ich Überreste von Hütten, sogar ein Ofenrohr rostet vor sich hin. Sicher dienten diese Behausungen einsamen Fallenstellern, die hier im Winter Jagd auf begehrte Pelze von Zobeln und anderen Tieren machten.

Nachdem ich lange Zeit weglos durch die Taiga gewandert bin, stoße ich überraschend auf eine Fahrspur, die zu einem Lagerplatz am Waldrand führt. Kurz darauf suche ich mir aber wieder meinen eigenen Weg. Ein breiter, schnell fließender Bach scheint ein Ernst zu nehmendes Hindernis zu sein. Nach der Erfahrung heute Morgen verspüre ich überhaupt keine Lust meine Haut dem eiskalten Gewässer auszusetzen. Lange Zeit suche ich, bis ich eine Stelle entdecke, an der ich von Stein zu Stein springend den Bach überqueren kann.

Gegen Mittag kommt die Sonne heraus, und schmilzt rasch den Schnee. Nur die Höhen der Berge, die jetzt wieder klar sichtbar sind, erscheinen noch überzuckert. Der Blick zurück zum Asralt Chairchan verrät, dass ich seit meinem Aufbruch schon ein gutes Stück zurückgelegt habe.

Über zwei bewaldete Höhen und durch Zwergbirkenfelder gelange ich in ein breites Tundratal, am Fuß des Altan Ölgi mit seinem langgestreckten, runden Gipfelgrat.




                                                                      Altan Ölgi

Die Aussichten werden immer herrlicher, je weiter ich in dem Tal aufsteige. Schließlich schlage ich mein Lager auf einem kleinen, ebenen Grasflecken oberhalb eines Rinnsales auf.

Zwar habe ich nur 10 km zurückgelegt, aber unter diesen Bedingungen bin ich zufrieden damit. Ich will die Sonnenstrahlen nützen um meine nassen Socken und Stiefel zu trocknen, den Schlafsack zu lüften und auch das in seiner Hülle noch von Schnee bedeckte Zelt Wind und Licht auszusetzen. Obwohl ich den ganzen Tag die Regenhose trug, fand der Schnee doch seinen Weg in die Stiefel. Gamaschen wären hier sehr nützlich! Alle Lagerplätze waren bisher schön, aber dieser in der weiten Bergtundra ist mein absoluter Favorit.

                                          Herrlicher Lagerplatz in der Bergtundra

Kaum zu glauben, wie sich hier die Bedingungen innerhalb eines Tages ändern. Von Zähne klappern im Schnee am Morgen bis zum in der Sonne faulenzen am Nachmittag. Waren meine Sorgen wegen des Wintereinbruches unbegründet?

Um 18 Uhr breche ich zu einem Abendspaziergang auf. Ein zunächst kaum sichtbarer Pfad, den ich anfangs für einen Elchwechsel halte, führt zu einer Passhöhe. Was für eine Weite und Stille! Das schräge Licht der Sonne bricht durch die Wolken und bisher noch nicht geschaute Berge werden sichtbar. Der Elchwechsel entpuppt sich als Pferdespur, die zu einem Lagerplatz, knapp unterhalb der Passhöhe führt. Neben Resten von Lagerfeuern liegt auch etwas Müll herum, der in dieser Wildnis um so deplazierter wirkt. Ich folge dem Pfad durch den dichten Wald, der in dieser geschützten Lage gut wächst, abwärts in Richtung des nächsten Tales.

                                                                       Taiga

Obwohl ich langsam und vorsichtig vorwärts schreite, gelingt es mir nur mitunter ein schwarzes Eichhörnchen oder ein kleines Streifenhörnchen zu sehen. Zumindest Elche muss es hier geben, aber wo sind sie? Obwohl es schon spät ist, locken mich der ruhige Abend und der Zauber des Stille immer weiter, bis ich schließlich, fast im Tal angelangt umkehre. Mein GPS verrät mir, dass das Zelt in über zwei Kilometern Entfernung steht. Zwar würde es mich auch weglos zurück zum Lager führen, will ich dort aber noch vor der Dunkelheit eintreffen, muss ich den Pfad zurück gehen. Umso mehr erschrecke ich, als ich erkenne, dass ich die undeutliche Spur verloren habe. Glücklicherweise dauert es nicht lange und ich bin wieder auf dem richtigen Weg. Zurück am Pass taucht die untergehende Sonne die Zwergbirkentundra in lila und orange unter einem stahlblauen Himmel.

                                                            Tundra im Abendlicht

Später kommt der Halbmond heraus und zaubert ganz andere Stimmungen hervor.


Trotz aller Schwierigkeiten war auch heute wieder ein toller Tag. Ich bin gerne hier!

Unter dem sternenklaren Himmel wird die Nacht frostig kalt, so dass mich gegen Morgen nicht einmal der gute Daunenschlafsack noch wärmen kann. In meiner Wasserflasche schwimmen Eisklumpen, die noch nicht vollständig getrockneten Socken, die ich über eine Leine im Zelt gehängt hatte, sind bretthart gefroren und meine Stiefel wieder einmal steif. Hastig nehme ich mein Müslifrühstück zu mir und muss mich arg überwinden bevor ich in Strümpfe und Stiefel schlüpfe. Noch bevor die Sonne hinter den Bergen erscheint bin ich wieder unterwegs, heute allerdings ohne großen Rucksack, denn ich habe mir vorgenommen, den Altan Ölgi zu besteigen. Die weite Landschaft wirkt wie vom Frosthauch erstarrt.

                                     Ein strahlender aber zunächst eiskalter Morgen bricht an

Doch es steht keine Wolke am Himmel und ich weiß, wenn die Sonne erschienen ist, wird es heute rasch warm. Über weite, baumlose Moore und große Waldbrandflächen voller grauer Nadelbaumskelette marschiere ich auf mein in der klaren Luft zum Greifen nah erscheinendes Ziel zu. Einige Drosseln und Tannenhäher bringen Leben in die Stille der Wildnis. Nicht nur die zahlreichen umgestürzten Bäume zwingen mich zu ständigen Zick-Zack Kursen, oft sind riesige Granitblöcke wie die Murmeln eines Riesen über die Hänge verteilt. Auf einem Kamm ähneln sie sogar den westfälischen Externsteinen mit ihren bizarren Formen. Zwar führt dieser Rücken scheinbar ziemlich eben an den Fuß des Altan Ölgi, aber stellenweise frage ich mich, ob ich einen Weg durch das Felslabyrinth finde, dass stellenweise sogar kurzes Klettern erfordert. Eigentlich hatte ich vor, den Gipfel des 2656 m hohen Berges über die weniger steilen Flanken zu erreichen, aber nun stehe ich vor der Ostwand. Sie ist zwar fast durchgehend von Geröll übersät und steigt nicht gerade flach an, ich denke aber, dass wenn ich mich von Grasfläche zu Grasfläche taste, ich keine Steinlawine ins Rollen bringen werde.

Im Gegensatz zu den Bedingungen am Asralt Chairchan, herrscht heute ideales Wetter und ich trage beim Aufstieg nur ein T-Shirt. Auf dem ausgedehnten Gipfelplateau angelangt, streife ich schon bald allerdings all meine Jacken wieder über, denn es geht ein scharfer Nordwind. Nur einige Reste zeugen noch von dem Unwetter vorgestern, und auch die umliegenden Berge sind größtenteils schneefrei. Nur ein weit entferntes, in Richtung Sibirien liegendes, hohes, langgestrecktes Bergmassiv ist noch überzuckert. Wo der höchste Punkt erreicht ist, lässt sich auf dem felsübersäten, ausgedehntem Plateau kaum sagen, aber schließlich entdecke ich einen Ovoo, der sicher die höchste Stelle markiert.

Immer noch steht kein Wölkchen am Himmel, leider aber ist das Licht jetzt um die Mittagszeit ziemlich grell, darum werden die Fotos von hier oben nicht so schön, wie Panorama und Wetter eigentlich erlauben würden. Die Berge unmittelbar westlich haben etwa die selbe Höhe wie der Altan Ölgi, ihre breiten Rücken sind aber von tiefen Schluchten zerfurcht.


                                                        Ausblicke vom Altan Ölgi

Der Berg im Norden ist niedriger, hat aber einen markanten Felsgipfel, daher beschließe ich, morgen auch diesen Gipfel zu besteigen. Die Orientierung fällt hier durch die markanten Berge ziemlich leicht, ich würde das GPS nicht unbedingt benötigen.

Nachdem ich das Gipfelplateau ausgiebig erkundet habe, mache ich mich an den Abstieg. Bald stehe ich schon wieder in den offenen Flächen am Anfang eines Bachtales. Überall verlaufen hier kleine Wasserläufe, die manchmal tief eingeschnitten sind und im Weidenbewuchs oft kaum zu erkennen. Konzentration bei jedem Schritt ist auch hier das Zauberwort.

So schön die Umgebung meines Zeltplatzes auch ist, auf den weiten, offenen Flächen wird es in klaren Nächten einfach zu kalt. Daher packe ich nach dem Kochen meine Sachen zusammen und schlage den Weg von gestern Abend ein. Ein Stück weiter als mein Umkehrpunkt gelange ich an einen Bach, auf dessen hohem Ufer ich im parkartigen Lärchenwald einen schönen Platz entdecke. Die Landschaft hier ist ganz anders, nicht so weitläufig. Es gibt mehr Wald, die Täler sind tiefer eingeschnitten. Der blaue Himmel und die klaren Farben begeistern mich total, zu meinem Glück fehlt nur noch das Wild. Könnte denn nicht mal ein Bär vor mir durch den Wald laufen?
Zwar friert es auch in dieser Nacht, aber es ist längst nicht so kalt wie gestern. Ich lasse mein Zelt stehen und breche schon um kurz nach sieben zu einer weiteren Tagestour auf. Bald tauche ich in weite, stille Nadelwälder ein. Zum Teil folge ich Wildwechseln, zum Teil suche ich mir auch selber meinen Pfad, was problemlos möglich ist. Schon nach kurzer Zeit gelingt mir eine Beobachtung: Ein Baummarder mit runden Ohren und gelber Kehle beäugt mich aufrecht auf den Hinterbeinen stehend aus 50 Metern Entfernung lange Zeit unbeweglich, bevor er verschwindet. Auch Eichhörnchen und die kleinen Streifenhörnchen beleben den Wald. Oberhalb eines schäumenden Baches steige ich gemächlich aufwärts. Schließlich am Kamm angekommen, warten wieder viele hohe, bizarr geformte Granitfelsen auf mich.




                                                             Bizarre Granitfelsen

Der namenlose Berg den ich gestern vom Altan Ölgi erspäht hatte, wirkt jetzt ganz nah. Durch eine weite, braune Tundraebene, auf der viele süße Blaubeeren wachsen, gelange ich an den Fuß des Schuttkegels.



Auch hier erinnern einige Blumen an den noch nicht ganz vergangenen Sommer. Gelber Rainfarn, und Punktierter Enzian, kommen auch in der mitteleuropäischen Flora vor, obwohl die Mongolei tausende von Kilometern hinter dem Ural liegt. Auf dem Weg hierher habe ich weder Fahrspuren, noch Zeichen von Pferdepfaden gesehen. Als ich die weite Tundra sehe, rechne ich beim Absuchen mit dem Fernglas damit, irgendwo einen Elch zu entdecken, aber leider wieder einmal Fehlanzeige.


                                                   Der Herbst kehrt in die Tundra ein

Um zum Gipfel, der laut Karte 2550 Meter hoch liegt zu steigen, muss ich einige kleine Klettereinlagen an den riesigen Granitmurmeln wagen, die die kegelförmige Spitze bedecken. Aber kein Problem. Nicht so einfach wird das Gipfelfoto. Ich benötige mehrere Anläufe, bis schließlich nicht mehr nur die Beine zu sehen sind!


Das Wetter ist nicht mehr so schön wie gestern, überall verdecken Wolken den blauen Himmel und die Luft ist auch nicht mehr so klar. Dennoch kann ich weit entfernt mein nächstes Ziel, den Khagin Khar Nur, einen kleinen Bergsee ausmachen. Während südlich von meinem Standpunkt die markante Bergketten um Asralt Chairchan und Altan Ölgi aufragen, wirkt die Wildnis im Norden gleichförmiger, auch die Berge sind langgestreckt, ohne auffallende Erhebungen. Das GPS verrät, dass es von hier bis zum Zelt 5,4 Kilometer sind, eine beachtliche Distanz in wegloser Wildnis. Daher trete ich den Rückweg an, allerdings auf einem anderen Weg, den ich mir von oben zurecht gelegt habe.

Zunächst geht es über weite Blockflächen und Grasfelder, dann tauche ich in große, alte Waldbrandflächen ein. Der Brand liegt sicher schon viele Jahre zurück, wie die zum Teil vermoderten Baumleichen zeigen. Dennoch sind nirgendwo Baumsämlinge im hohen Gras- und Weidenröschenbewuchs zu entdecken. Allerdings scheinen sich die Wildschweine hier wohl zu fühlen, wie zahlreiche Wechsel und Stellen zeigen, an denen die Sauen in der Erde gebrochen haben. Anfangs komme ich noch recht gut vorwärts, dann aber werden die Verhaue aus umgestürzten Bäumen immer dichter und fordern mir zahlreiche Balanceübungen ab. Ich fürchte schon zwischen einem schnellen Bach und undurchdringlichen Baumbarrieren gefangen zu sein, aber es gelingt mir den Bach zu überqueren und schließlich kann ich aufatmen, als ich die Waldbrandfläche hinter mir lasse.

In einem breiteren Tal angekommen stoße ich auf einen alten Lagerplatz und einen Pfad, dem ich folge. Das Tal verläuft in Richtung meines Lagers,dass immer noch 5 Kilometer entfernt liegt. Vom Berg hatte ich gesehen, dass es nur ein Paralelltal des Khongorin Gol ist, an dessen Oberlauf mein Zelt steht. Nach einiger Zeit habe ich dem Tal folgend, den Khongorin Gol erreicht. Der undeutliche Pfad führt durch eintönige Zwergbirkendickichte talaufwärts. Es geht zwar nur einmal ein kurzer Schauer nieder, aber der Himmel ist jetzt vollständig bewölkt und die Landschaft wirkt düster und schwermütig. Als der Pfad das enge Tal verlässt und weiter auf einer Geländeschulter oberhalb des Baches führt, verliere ich die Spur und stoße erst einige Zeit später wieder auf sie.

Obwohl ich mich beim Marschieren in den Tälern beeile, bin ich doch erst kurz vor 18 Uhr zurück amZelt, gerade noch passend, zum kochen, abwaschen und etwas lesen, bevor es dunkel wird. Zu einem Abendspaziergang raffe ich mich heute nicht mehr auf, denn es ist jetzt windig und ungemütlich außerhalb des Zeltes. Trotz des nicht so schönen Wetters durfte ich wieder einen erlebnisreichen, erfüllten Tag erleben.

In der Nacht ist etwas Schnee gefallen und es geht ein frostiger Nordwind unter dem bewölkten Himmel. Ich folge dem Khongorin Gol abwärts, und habe erst um 10.45 die Einmündung des Baches erreicht, ab der ich gestern den Pfad aufwärts gegangen war. Einige Nebenbäche lassen den Khongorin Gol schon bald wasserreicher werden, so dass nirgendwo mehr eine Überquerung über die im Wasser liegenden Steine möglich wäre. Zwar ist der Pfad dem ich talabwärts folge, schon lange nicht mehr benutzt worden, dennoch erleichtert er das Vorankommen im dichten Zwergbirkenbewuchs ganz erheblich. Erst gegen Mittag erscheint schüchtern die Sonne durch einige Wolkenlücken und die dünne Schneedecke beginnt langsam zu tauen. Die aufreißenden Wolken lassen die weiß gezuckerten Tundraberge jetzt besonders schön erscheinen.

                                                    Schüchtern zeigen sich einige Wolkenlücken


An einer geschützten Stelle zirpt sogar eine Heuschrecke, ansonsten hat der eisige Wind aber nicht nachgelassen. Ab der Stelle wo ein aus Süden kommender Pfad den Bach überquert, wird die Spur ausgetretener. Ich vermute, dass der Pfad jetzt von Reittouristen benutzt wird, die zum Khagin Khar See unterwegs sind. Als der Khongorin Gol deutlich nach Süden abknickt, folge ich dem Pfad in ein breites Nebental. Doch plötzlich ist die vorher deutliche Spur verschwunden, was möglicherweise daran liegt, dass Wildschweine hier den Boden umgedreht haben. Ich suche eine Weile, finde den Pfad aber nicht wieder und laufe weiter nach Kompass in die Richtung des Sees. Die Tundralandschaft ist sehr weitläufig und meine russische Generalstabskarte hat mit 1:500.000 einen viel zu großen Maßstab um einen kleinen See in dieser Weite präzise ansteuern zu können. Dabei komme ich mir vor wie bei der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Immer wieder einmal denke ich, wieder auf einen Pfad gestoßen zu sein, aber die Spuren sind so undeutlich und verschwinden eben so plötzlich auch wieder, wie ich auf sie gestoßen bin. Eine gewisse Hilfe ist, dass ich den See gestern schon aus der Vogelperspektive ausgemacht hatte und daher weiß, dass er deutlich über dem Tal liegt und von Nadelwald eingefasst wird.

Nachdem ich an einigen kleineren Gewässern vorbeigekommen bin, erreiche ich gegen 17.30 nach 19,7 Kilometern Luftlinie den See. Obwohl ich die Uferlinie ablaufe, entdecke ich nirgendwo einen Lagerplatz, der auf häufige Nutzung hinweist. Den ganzen Tag hatte ich alle meine Kleidungsstücke, auch die Regenhose getragen, da ich sonst trotz der Wärme produzierenden Rucksack Schlepperei ausgekühlt wäre.

Zwar ist der See sehr malerisch gelegen, aber ich muss lange suchen, bis ich in einer Mulde am Seeufer eine Stelle gefunden habe, die halbwegs windgeschützt ist, so dass ich mein Zelt dort aufschlage.


Nach 10 gekochten Mahlzeiten ist die erste Gaskartusche heute am Ende, weshalb die Nudeln noch nicht gar sind. Egal, die Kalorien spendet das Essen auch so!
Die untergehende Sonne taucht den Berg auf dem ich gestern stand in rosafarbenes Licht und auch die Stimmung in der kargen Tundralandschaft um den See ist sehr schön. Allerdings ist es viel zu kalt um das richtig genießen zu können.
Am Morgen kostet es mich wieder einmal große Mühe in die hartgefrorenen Stiefel zu kommen. Der Wind hat sich gelegt, dafür liegt ein grauer Nebelschleier über dem Land und die dürren Grashalme sind von Rauhreif überzogen. Obwohl das Wetter nicht sehr einladend wirkt, breche ich schon früh zu einer Tagestour auf. Ich habe mich noch nicht weit vom See entfernt, als ich in einer grasigen Senke schemenhafte Bewegungen wahrnehme. Die ersten größeren Tiere, die ich in der Mongolei beobachte! Es sind vier Wildschweine die dort auf der Suche nach Nahrung die Erde umbrechen. Sie haben eine graue Farbe und ziemlich glatte, dünn wirkende Borsten. Vom Aussehen her würden sie auch in die deutschen Wälder passen, also keine riesenhaften Monsterschweine! Das eine ist deutlich kleiner und scheint ein Frischling zu sein. Langsam und vorsichtig pirsche ich näher. Aber die Sauen sind so in ihre Erdarbeiten vertieft, dass sie mich auch auf 50 Meter noch nicht wahrnehmen. Doch plötzlich wirft das eine Schwein auf. Ein lautes „wuff“ ertönt und in einer Kette hintereinander laufend verschwinden sie in den Hügeln.
Ich setze meinen Weg durch die weite, wellige Tundra fort, wobei ich heute kein Ziel ansteuere sondern mich einfach treiben lasse. Einige Male komme ich an kleinen Seen vorbei, die von einigen Enten belebt werden, darunter auch Pfeifenten die ich als Wintergäste vom Kühkopf kenne. Die spitzkronigen, bläulich schimmernden Fichten, die ich hier zum ersten Mal in der Mongolei sehe, im Kontrast zum jetzt kupferfarbenen Zwergbirkenlaub und den düsteren Wolken, durch die nur selten die Sonne bricht, geben der Szenerie einen schwermütigen Charakter.




In den bewaldeten Hügeln begegne ich einmal einer Auerhenne, der ich aus nächster Nähe in die roten Augen schauen kann, ohne dass der Vogel große Scheu zeigt.
In über 5 Kilometer Entfernung vom Lager trete ich den Rückmarsch an. Die üblichen Balanciereinlagen über die erhöhten Grasbülten durch die nassen Moore und auf riesigen Granitblöcken über einen schäumenden Bach sorgen dafür, dass die Wanderung nicht langweilig wird.

Dann setzt heftiges Schneetreiben ein und reduziert die Sicht schnell auf wenige Meter. Ich hatte rechtzeitig noch mal mir den Kurs zum Lager vom GPS anzeigen lassen und eine Kompasspeilung vorgenommen, daher glaube ich ziemlich genau zu wissen, wo mein Lager liegt. Aber als ich die bewaldete Hügelkette erreicht habe, hinter der ich den Khagin Khar Nur vermute, stimmen die Details des Geländes überhaupt nicht mit meiner Erinnerung von heute Morgen überein. Ich möchte auch nicht unbedingt das GPS mitten im wütenden Schneetreiben auspacken um eine neue Messung vorzunehmen. Doch schließlich finde ich eine geschützte Stelle im Wald, und wundere mich, dass das Zelt in einer anderen Richtung als angenommen liegt! Immerhin bin ich nur noch 1,1 Kilometer entfernt und schöpfe wieder Hoffnung schon bald meine schützende Behausung erreichen zu können. Aber das Halten der Richtung mit dem Kompass ist bei diesem Wetter gar nicht so einfach. In 500 Meter Entfernung überprüfe ich erneut die Richtung und gelange dann schließlich gegen 15 Uhr zurück ins Lager. Regenhose und Stiefel sind schon wieder gefroren, so kalt ist es selbst jetzt am Nachmittag.

Lange lese ich im Schlafsack und koche dann zum ersten Mal auf dieser Reise nicht draußen, sondern in der Zeltapsis, was man wenn irgend möglich vermeiden sollte. Ein durch einen Unfall mit dem Kocher abgebranntes Zelt würde mich bei diesen Wetterbedingungen schnell in eine Überlebenssituation bringen.

Einmal in einer kurzen Wetterpause, leuchtet die Sonne über der eiszeitlichen Landschaft, dann schneit es weiter.
Ich hoffe nur, dass sich das Wetter bald bessert, sonst wird der Rückmarsch schwierig!

In einer Woche startet mein Rückflug. Zwar sollte es eigentlich kein Problem sein, von hier rechtzeitig zurück nach Ulan Bator zu gelangen, aber wer weiß, was mir dieser Wintereinbruch noch beschwert.

Als ich am nächsten Morgen vor das Zelt trete, herrscht noch immer dichtes Schneetreiben. Mein Zelt sieht aus wie ein Iglu! Vorerst schlüpfe ich zurück in meine schützende Hülle und überlege intensiv wie ich weiter vorgehen soll. Angesichts der Verhältnisse und bei der Ungewissheit ob in diesem Jahr der Winter tatsächlich schon so früh seinen Einzug in das Khenti Gebirge hält, werde ich auf jeden Fall den Rückmarsch antreten. Bis nach Terelj, dem nächsten Ort der auch von Touristen frequentiert wird, sind es 60 Kilometer Luftlinie. Wenn ich mit dem Kompass nach Südwesten laufe, sollte es möglich sein, diese Strecke in 4 Tagen zurückzulegen. Dann hätte ich noch 3 Reservetage, so dass ich in jedem Fall rechtzeitig zurück in Ulan Bator wäre.

Als es um 9 Uhr noch immer schneit, will ich nicht länger warten und überwinde meine Abneigung gegen Kälte, Schnee und Wind. Nachdem ich das Iglu freigelegt habe, ist das Zelt im Nu verpackt, und ich stürze mich in das Schneeabenteuer. Obwohl ich ständig den Kompass im Blick habe, fällt es mir schwer die Richtung zu halten, da irgendwelche Landmarken in dem wirbelnden Weiß kaum zu erkennen sind. Zwar trage ich natürlich die Regenhose, dennoch sackt der Schnee gleich in die Stiefel, wo er bald getaut ist und mir mal wieder unangenehm nasse Füße beschwert. Die Wanderung unter diesen Bedingungen ist kein Genuss, dennoch macht mir der Kampf mit den Elementen Spaß. Es ist mir lieber mich der Herausforderung zu stellen, als im Zelt vor mich hinzugrübeln, was passieren wird, wenn die Schneedecke bald so hoch liegt, dass ich bei jedem Schritt tief einsinke. Unter solchen Bedingungen sind auch nur wenige Kilometer Fußmarsch eine schwere Anstrengung, was ich vor vielen Jahren mal am Kungsleden in Schwedisch-Lappland erlebt habe.
Ich bin überrascht, als ich schon nach zwei Stunden wieder am Khongorin Gol stehe, oberhalb von der Stelle, wo ich vor zwei Tagen den Fluss verlassen hatte. Diese zwei Stunden ohne Weg durch die Tundra haben mir klar gemacht, dass mein ursprünglicher Plan nach Kompasskurs zu marschieren, im Schneetreiben wenig Sinn hat. Mein neuer Plan ist jetzt den Khongorin ein Stück hochzulaufen, bis zu der Stelle, wo ich einen Pfad gesehen hatte, der den Bach überquert und von dort Richtung Tuul Fluss läuft.

Obwohl die Pfade hier meist nur rudimentär zu erkennen sind, erleichtern sie doch das Vorankommen ganz erheblich.

Das Schneetreiben schützt mich davor, frühzeitig von den Vögeln wahr genommen zu werden. So begegne ich einmal einem Birkhahn, der unmittelbar in meiner Nähe abstreicht, und drei Schneehühnern.

Dann erkenne ich die Stelle wieder an der der Pfad den Khongorin Gol kreuzt. Aber erst mal gilt es auf die andere Seite zu gelangen. Schon seit einiger Zeit bin ich immer mal wieder an das Ufer gegangen, um Stellen zu finden, wo Felsbrocken im Fluss liegen, und vielleicht eine Überquerung trockenen Fußes erlauben. Doch leider wird meine Hoffnung jedes Mal enttäuscht. Die Abstände zwischen den Steinen sind einfach zu groß, als das ich von Brocken zu Brocken springend den hier etwa 20 Meter breiten Fluss überqueren könnte. Ich scheue davor zurück, aber mir bleibt nichts anderes über, als bei Minusgraden und Schneefall barfuß durch das Gewässer zu waten.

Doch zunächst muss ich noch einmal ans Ufer gelangen. Ein Moment der Unachtsamkeit lässt mich in ein vom Schnee verdecktes tiefes Sumpfloch tappen. So steht schon mal der rechte Stiefel voll Wasser. Dennoch, nach den Erfahrungen meiner Arkhain Gol Durchquerung in Stiefeln will ich vermeiden, dass es wieder Tage braucht, bis sie von innen getrocknet sind. Zögern hilft jetzt nicht mehr. Kurz entschlossen entledige ich mich meiner Schuhe, krempele die Hose hoch und beginne das Gewässer an einer Furt zu durchwaten. Der Fluss ist hier relativ seicht und die Strömung glücklicherweise nicht zu stark, aber das Wasser ist eiskalt. Schon in der Mitte des Gewässers beginne ich meine Füße nicht mehr zu spüren, und am anderen Ufer angelangt, sind sie zu tauben Klötzen erstarrt. Jetzt hilft nur noch blitzschnell sich wieder in Socken und Stiefel zu zwängen und dann so schnell wie möglich weiterzulaufen, möchte ich Erfrierungen vermeiden. Es dauert geraume Zeit aber schließlich kehrt das Gefühl zurück.
Der Pfad auf der anderen Seite entpuppt sich als deutliche Fahrspur und irgendwann gelange ich sogar an einen Rastplatz mit Tischen und Bänken. Die Mineralwasserflaschen in einem Plastikbeutel lassen darauf schließen, dass der Platz von Reittouristen genutzt wird. Gegen 14.30 hört es endlich auf zu schneien, und eine schüchtern durch die Wolkenlücken scheinende Sonne lässt an Bilder aus einer Polarlandschaft denken.

                                                                Wintereinbruch

In den weiten Zwergbirkentälern gibt es nirgendwo vor dem scharfen Nordwind schützenden Wald. Daher biege ich in ein Seitental ein, und gelange schließlich zu einer kümmerlichen Lärcheninsel die etwas Schutz gewährt. Zwar sind die Nadeln noch überwiegend grün, aber ich habe das Gefühl, das der Frost die Lärchen jetzt schon zum Teil gelb färbt.

Als ich mein Lager aufgeschlagen habe, zeigt mir das GPS, dass ich heute 15,5 Kilometer zurückgelegt habe. Ich habe noch genug Gas, daher bemühe ich mich Socken und Stiefel über der Kocherflamme zu trocknen. In dichten Wolken entweicht die Feuchtigkeit. Unter diesen Bedingungen wären Gamaschen gut, die das Einsickern des Schnees in die Schuhe verhindern würden. Zwar hält mein Schlafsack eigentlich gut warm, aber die Kälte des Schnees ist in dieser Nacht durch Zeltboden und dünne Isomatte deutlich zu spüren. Daher lege ich mich auf meinen Rucksack um noch eine weitere Schicht zwischen mir und der Kälte zu haben.

Als ich gegen ein Uhr aufwache, sind meine Stiefel steif gefroren. Aber später in der Nacht schlägt das Wetter um, es taut und ein fieses Gemisch aus Regen und Schnee liegt in der Luft.

Der Regen ist nicht sehr stark, aber das Wetter ist trotzdem ziemlich ungemütlich. Dafür entdecke ich im schmelzenden Schnee wesentlich mehr Fährten als gestern. Elche, und einmal sogar ein Bär, der durch den Schnee getappt ist. Der kleine Bach dem ich gestern Nachmittag im breiten Tal gefolgt war, nimmt langsam immer mehr Zuflüsse auf und gewinnt zusehends an Breite. Als sich das Tal verengt und an Gefälle gewinnt verläuft der Pfad weit abseits durch die Hügel. Gegen Mittag vertreibt der heftige Wind langsam die Wolken und die Sonne kommt zurück.

Ich erreiche die Einmündung „meines Tals“ in den hier noch schmalen Tuul. Je tiefer ich gelange, desto deutlicher ändert sich die Landschaft. Die einförmige Zwergbirkentundra hört auf und wird von einem Mosaik aus Lärchenwald, Grassümpfen und Steppenhängen abgelöst. Etwas später hat die Sonne endgültig gesiegt. Heuschrecken schnarren und es blühen noch einige blaue Blumen. Ich bin zurück vom Winter in den Sommer gelangt, welch Freude!

Meine Füße werden auch zum ersten Mal seit drei Tagen langsam wieder trocken. Nach dem anstrengendem Wintereinbruch und dem miesen Wetter heute Morgen macht das Wandern jetzt wieder richtig Spaß. Die Sonne zaubert gelbe Herbstfarben in die Lärchenhänge und hier im Tal wachsen wieder richtig stattliche Bäume.

Nach 10 Tagen Wildnis erscheinen die ersten Zeichen der Zivilisation: Frische Fahrspuren, und alte Baumstümpfe die zeigen, dass der Wald genutzt wird. Einerseits bin ich froh, dem Winter in der Wildnis entronnen zu sein, andererseits ist es ein komisches Gefühl, wieder auf deutliche menschliche Spuren zu stoßen.

Kurz überlege ich durch ein Quertal zurück in die Berge zu gehen. Aber die Unsicherheit, welche Kapriolen das Wetter noch schlagen wird, und der Blick auf die Karte, der mir zeigt, dass das Tal zurück in die Richtung aus der ich gekommen bin führt, halten mich davon ab.

Nachdem der Pfad einige Zeit durch eine große Sumpfwiese mit offenen Wasserflächen führt, wo wieder einmal Konzentration bei jedem Schritt erforderlich ist, ändert sich die Landschaft erneut. Die weiten Grasflächen mit ihren verstreuten Bäumen ähneln dem Terelj Tal. Dann zweigt eine Fahrspur Richtung Fluss ab. Die Spur der ich folge, endet an einem Lagerplatz, so dass ich anschließend meinen eigenen Weg durch die abwechslungsreiche Flusslandschaft suche.
Mächtige Lärchen wechseln sich mit Weiden- und Zwergbirkengebüschen sowie kleineren Grasflächen ab. Schließlich schlage ich bereits vor 16 Uhr mein Zelt am Ufer eines malerisch gelegenen Altwassers in einem parkartigen Lärchenwald auf. 15,3 Kilometer beträgt meine heutige Tagesleistung. Ich will den Sonnenschein nutzen, um endlich einmal wieder Zelt und Schlafsack richtig zu trocknen.

Als ich beim Schreiben im Tagebuch gegen einen Baum gelehnt sitze, erscheint urplötzlich ein Reiter den ich erst bemerke als er schon fast bei mir ist. An diesem versteckten Platz, vermeintlich abseits des Pfades hätte ich zuletzt damit gerechnet einem anderen Menschen zu begegnen und bin entsprechend verdutzt.

Der Reiter ist etwa in meinem Alter, schlank, mit kurzen Haaren, und scharf geschnittenen Gesichtszügen die gar nicht mongolisch wirken. Er trägt einen schlichten braunen Del und sitzt auf einem kleinen Schimmel. Ohne zu zögern oder Scheu zu zeigen steigt er ab und kommt zu mir. Natürlich kann ich seine Worte nicht verstehen, aber aus seinen Gesten deute ich, dass er Zahnschmerzen hat. Da ich fast keine Medikamente mit führe kann ich ihm nicht helfen. Er scheint zu verstehen, nimmt sich meinen Topfdeckel und schöpft damit Wasser aus dem Altarm, das er in großen Zügen trinkt. Dann sitzt er wieder auf und galoppiert davon. Der Spuk ist ebenso schnell vorüber, wie er erschienen ist. In mir nagt die Frage, wie er mich gefunden hat. Reiner Zufall, oder ist er meiner Spur gefolgt? Wenn ja wie lange schon?

Diese Begegnung hat mich zumindest unsanft aus der Illusion geweckt, hier allein in der Wildnis zu sein. Als ich zu einem Abendspaziergang aufbreche, löst sich das Rätsel rasch auf. In Sichtweite meines Zeltes verläuft ein Pfad, auf dem der Reiter unterwegs war und dann mein Zelt erspäht hatte.

Bald gelange ich an den Tuul, der hier schon recht tief ist, und nicht unbedingt zum Durchwaten einlädt, wie ich feststellen muss, nachdem ich ein Stück am Ufer entlang gelaufen bin. Dennoch werde ich mich morgen wohl oder übel ins Wasser begeben müssen, da meine Talseite von einem steil aufragenden Kliff eingeengt wird. Als ich auf den Hang zugehe, entdecke ich einen kleinen Pfad der zunächst durch Weidengebüsch führt, und am Fuß der Klippe endet. Als ich genauer hinschaue, entdecke ich, dass er weiter führt und mich parallel zum Steilhang rasch um das Hindernis herum führt. Die Aussicht auf den Fluss und die weite Landschaft ist toll aus dieser erhöhten Perspektive


                                                              Am Tuul


Im rauschenden Wasser schwimmen 8 Gänsesäger, und die weite gelbe Steppe mit ihren bewaldeten Hängen lässt an die Prärien des wilden Westen denken. Nachdem ich in die Ebene auf der anderen Seite der Klippe gelangt bin, stoße ich wieder auf eine Fahrspur. Im warmen Licht des Sonnenuntergangs flattern noch einige Schmetterlinge umher und ich genieße den Frieden des Abends. Heute war wieder ein erfüllter Tag, doch wird mir bewusst, dass die Wanderung jetzt tatsächlich dem Ende entgegen geht.

Zurück in der Dämmerung des Uferwaldes rechne ich damit auf Wildschweine zu stoßen, die hier reichlich Spuren hinterlassen haben, werde aber wieder einmal enttäuscht.

Zurück im Lager geht bereits der fast volle Mond auf und weiße Nebelschwaden steigen empor.

Ich bin ein wenig beunruhigt, dass jemand meinen Zeltplatz kennt, und weiß dass ich alleine in der
Wildnis bin. Mit dem Messer neben meinem Kopf schlafe ich aber bald ein.

Als ich aus dem Zelt in den frostigen Morgen trete, steht der Vollmond noch am Himmel und das Gras ist überzogen von Raureif. Aber kein Wölkchen trübt den Himmel, daher weiß ich schon jetzt, dass es ein herrlicher Tag werden wird. Gerade als ich den Tuul erreiche, schiebt sich die Morgensonne über die bewaldeten Hügelkämme am jenseitigen Ufer und spiegelt sich in den glitzernden Fluten.

                                                        Sonnenaufgang am Tuul

Aus den weiten gelben Grasebenen steigen dünne Nebelschleier in das ungetrübte Blau des mongolischen Himmels.


                                                      Morgendunst über der Steppe

Zu dieser frühen Stunde beobachte ich auch einige Tiere: Fette Murmeltiere die in ihrem Bau verschwinden, mächtige Adler mit keilförmigen Schwanz , eine neuntötergroße Würgerart, Tauben und Elstern, sowie rötliche Hühnervögel.
Ich kann mich an der herrlichen Landschaft überhaupt nicht satt sehen, und genieße den wunderschönen Morgen vollkommen. Als die Sonne bereits wärmt, begegne ich zwei älteren Mongolen, die einen mit Heu schwer beladenen Karren begleiten, der von zwei riesigen, schwarz- weißen Zotteltieren mit langen Hörnern gezogen wird. Diese Giganten sind offenbar eine Kreuzung zwischen Yak und Kuh. Die beiden Männer erwidern meinen Gruß, wirken aber nicht sehr überrascht, hier einen einsamen, europäischen Wanderer zu treffen

Immer wieder sehe ich jetzt verstreute Jurten, Heuschober und Einzäunungen für das Vieh.

                                                           Ger in der Flussebene

Am gegenüberliegenden Flussufer erscheint einmal sogar eine regelrechte Jurtensiedlung mit über 25 Gers, die an längst vergessene Bilder von indianische Zeltlagern aus Karl May Romanen erinnert oder auch an Filme, wie „Der mit dem Wolf tanzt“.

Jetzt begegne ich auch dem Vieh der Mongolen, dass hier unbehindert durch Zäune frei durch Steppe und Uferwald wandern darf. Besonders imponiert mir ein hellbrauner Hengst in einer Herde von Pferden, dessen lange, dunkle, ungeschnittene Mähne bis vor seine Brust schwingt.


Die Pferde sind zwar nicht allzu scheu, aber für Nahaufnahmen lassen sie mich denn doch nicht nah genug heran.
Dagegen stellen sich die in vielen Farbtönen erscheinenden, recht wohl genährten Kühe direkt vor mir auf den Fahrweg.
Gegen Mittag kann ich mich an einem Altarm in der Sonne aalen, während mein Essen kocht. Kaum zu glauben, dass ich vorgestern noch durch einen arktischen Schneesturm gelaufen bin, während ich jetzt Mittelmeertemperaturen genieße!

Frisch gestärkt marschiere ich weiter. Rötliche schroffe Felsen engen das Tal auf meiner Seite ein, und ich fürchte den Tuul überqueren zu müssen. Am Fuß der Felsen mündet ein weites Seitental ein, das noch einmal einen Blick auf die schneebedeckten Berge in weiter Entfernung gewährt. Direkt am Pfad liegt hier eine kleine Ansiedlung aus fünf Jurten. Ich sehe westlich angezogene Männer, Frauen und Kinder. Die Leute erwidern meinen Gruß, sind ansonsten aber sehr zurückhaltend. Neben Kühen und Ziegen stehen hier auch ein Moped und ein einem Unimog ähnelnder, kleiner LKW. Offenbar verfügen die Viehzüchter hier im für mongolische Verhältnisse grünen, niederschlagsreichen Khenti über einen gewissen Wohlstand, für den auch das gut genährte Vieh spricht. Die Eingänge der Gers werden von niedrigen Holztüren verschlossen und aus jeder Dachöffnung ragt ein rostiges Ofenrohr.

Jetzt wo die Fahrspur auf der anderen Flussseite verläuft, suche ich mir meinen Weg entlang der zahlreichen Pfade, die das Vieh ausgetreten hat. Die vielen hungrigen Mäuler haben den Uferwald aufgelockert und eine abwechslungsreiche Parklandschaft aus offenen Grasflächen, Gebüschen, Altwässern, sowie meist einzeln stehenden Lärchen und Pappeln geschaffen.


                                                  Abwechslungsreiche Flusslandschaft


Nachdem ich wieder auf eine Fahrspur stoße, begegnen mir zweimal kurz hintereinander Fahrzeuge auf der „Straße“ und dann sehe ich sogar fünf mongolische Sportangler ihre Routen in den Tuul auswerfen. Nicht weit entfernt steht ihr nagelneuer Geländewagen. Offenbar unternehmen einige städtische Mongolen einen Sonntagsausflug an den Fluss.

Als dann noch eine Straßenbrücke auftaucht, wird auch noch das letzte „Wildnisgefühl“ bei mir zerstört. Nichts desto trotz ist die Landschaft mir ihren jetzt stärker golden gefärbten Lärchenhängen traumhaft.



Weiter geht es durch eine weite Grasebene mit etlichen Jurtenansammlungen und sogar einigen Holzhäusern. Vor einem Ger steht ein Basketballkorb und auch die obligatorische Satellitenschüssel fehlt nicht. Pferde, Kühe und von einem Jungen gehütete Schafe halten das Grasland kurz.

Ich bin froh, als ich endlich das einmündende Seitental des Baarun Bayan Gol erreiche.

                                                              Tal des Baarun Bayan Gol


Es gelingt mir den breiten Bach an einer Furt ohne nasse Füße zu überqueren. Ganz in der Nähe galoppiert eine Gruppe von 12 Reitern vorbei, vermutlich Touristen. Ungewöhnlich für die Mongolei, umgibt hier ein Holzzaun ein ausgedehntes Gelände. Wahrscheinlich liegt hier eine Art Hotel für organisierte Reittouristen.

Das Haupttal erstreckt sich weit bis an den Fuß der Tundraberge. Weiße Gers unterbrechen da und dort das kurze gelbe Gras und weisen darauf hin, dass das Tal des Baarun Bayan Gol von den Viehzüchtern als Weide genutzt wird.

Ein kleines Holzhäuschen steht etwas verloren oberhalb des Tales. Als ich es mir aus der Nähe anschaue, entpuppt es sich als ein Kassenhäuschen des Terelj-Nationalparkes, in dem ich mich nun befinde. Ein Plakat in mongolischer und englischer Schrift weist auf die Waldbrandgefahr durch unbeaufsichtigte Lagerfeuer hin. Allerdings ist die Saison hier offenbar schon zu Ende, denn das Gebäude macht nicht den Eindruck, als sei es in der letzten Zeit besetzt gewesen.

Schon bald marschiere ich ein Nebental aufwärts. An den Hängen sehe ich verstreute braune Kühe weiden, und auch einige Holzgebäude als Viehunterstände und Heulager beleben das Tal, ansonsten sehe ich keine Menschenseele.

Die Landschaft ist sehr malerisch und tolle Lagerplätze gibt es zu Hauf, aber leider ist der Bach ausgetrocknet, und sosehr ich auch suche, ich entdecke nirgendwo eine Wasserstelle.

Allerdings muss es Wasser geben, sonst wären die Kühe nicht hier. Schließlich entdecke ich eine sumpfige Wiese mit einer winzigen, offenen Quelle. Sie gibt nicht viel Wasser her, aber für mich reicht es. Scheinbar haben die Kühe die Stelle noch nicht entdeckt, denn das Gras um die Wasserstelle ist nicht zertrampelt. Zwischen einigen Weidensträuchern, die Sichtschutz zum offenen Tal gewähren, schlage ich mein Zelt auf. Das GPS verrät mir, dass ich heute die Rekorddistanz von 30,4 Kilometern Luftlinie zurück gelegt habe!

Das war natürlich nur möglich, weil ich den größten Teil des Tages auf gutem Weg ohne nennenswerte Steigungen unterwegs war.

Noch lange Zeit bescheint die Sonne die andere Talseite, doch schließlich versinkt der orange Ball hinter den Bergen, es wird kühl und ich begebe mich ins Zelt.





Was Wetter und Schönheit der Landschaftsbilder angeht, war heute wieder ein perfekter Tag. Leider war der Wildnischarakter meiner Wanderung ab dem Nachmittag zusehends verloren gegangen. Morgen werde ich die Umgebung ohne schweres Gepäck erkunden und hoffe dabei noch einmal auf Tierbeobachtungen, dann steht schon die letzte Etappe zurück in die Zivilisation auf dem Plan.

Der Morgen bricht frostig an, aber schon bald wird mir warm, als ich die Grashänge oberhalb des Tales erklimme. Kaum hat sich die Sonne über die Bergkämme geschoben, entfaltet sie ihre Kraft von einem mal wieder strahlend blauen Himmel, gegen den die goldenen Lärchen und Birken einen herrlichen Kontrast bieten.


                                            Die Mischung aus Steppe und Wald ist faszinierend


Hier in den tieferen Lagen blühen auch noch Blumen und Falter flattern umher.

                                                                    Wiesenknopf


Nur das Klopfen und Rufen eines Schwarzspechtes durchbricht die Stille. Als ich die
Wasserscheide erreicht habe, bietet sich mir ein Blick in das weite Terelj Tal und ich erkenne die Mündung in den Tuul. Verstreute Gers setzen weiße Punkte in die weite Steppe. Von einem anderen Aussichtspunkt erkenne ich später sogar die Stelle, an der die aus Ulan Bator kommende Asphaltstraße bei dem Dorf Terelj endet. Der Endpunkt meiner Wanderung scheint zum Greifen nah, doch ich weiß, dass ich morgen noch einige Stunden marschieren werde.

Möglichst lautlos pirsche ich durch den immer wieder von einigen Birken aufgelockerten Lärchenwald. Zwar benutze ich manchmal vom Vieh hinterlassene, schmale Pfade, dennoch bricht immer wieder ein Ast. So höre ich zwar Rehe ganz in der Nähe schrecken, sehe sie jedoch nicht. Schade, die Sibirische Unterart des Rehs ist viel größer als die Rehe die ich aus Deutschland kenne, und ich würde diese Art gerne beobachten.

Manchmal lasse ich mich auch gegen einen Baum gelehnt für einige Zeit auf dem moosigen Waldboden nieder. Bald gesellen sich Streifenhörnchen, oder ein schwarzes Eichhörnchen zu mir, dass einen Zapfen in den Pfoten hält und dann mit den Zähnen ringsum abraspelt. Auch einige Vögel und Mäuse kommen ganz in meine Nähe, hier in der Stille des sonnendurchfluteten Waldes.

                                                                 Herbstbunte Taiga


                                                      Der Herbst hat die Storchschnabelblätter gefärbt

Als ich auf einer grasigen Lehne meine obligatorische Schokolade esse, lässt sich ein Distelfalter auf meinen Stiefeln nieder. Offenbar schreckt ihn der entsetzliche Schweißgeruch nicht ab!





Obwohl ich immer wieder in schattige Tälchen abtauche, entdecke ich nirgends Wasser. Daher bin ich froh, als ich zurück am Lager wieder das kühle Nass der Quelle genießen kann.
Beim Abendessen streicht ein großer Adler am Gegenhang vorbei, und ein hell gefärbter Raubwürger sitzt in einem Busch in der Nähe. Die Kühe sind auch wieder da, offenbar
werden sie abends zurück zum Wasser im Haupttal getrieben und fressen über Tag in „meinem Tal“.

Heute war wieder ein toller Tag, dennoch ist bei mir ein wenig „die Luft raus“ und ich denke schon viel an zu Hause. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass ich schon sehr bald gerne wieder in diese herrlichen Weiten aufbrechen würde.

Während die Sonne gegen 19 Uhr versinkt, sitze ich unter einer goldenen Birke und genieße die friedliche Abendstimmung. Auf meiner Talseite herrscht bald tiefer Schatten und es wird so kühl, dass ich noch zu einem kleinen Abendspaziergang aufbreche, dagegen sind die gegenüberliegenden Hänge noch lange lichtüberflutet.
Ich folge einer Fahrspur und hoffe jetzt gegen Abend doch noch größeres Wild zu beobachten, was sich aber leider wieder nicht erfüllt.

Nach einer frostigen Nacht beginnt ein herrlicher Morgen, und ich wandere noch einmal durch den bunten Herbstwald des Khenti. Dabei schlage ich einen Abstieg zur falschen Seite ein, und lande fast wieder an meinem Ausgangspunkt! Das war zwar ein Umweg von einer Stunde, macht mir aber nichts aus, da das Tagesziel ja nicht sehr weit entfernt liegt.

Als ich hinter der Wasserscheide in ein Seitental gelange, stehen dort große, getrocknete Dunghaufen an der Wand eines Viehstalles, Brennmaterial für den Winter!

Schließlich habe ich das breite Terelj Tal erreicht, und marschiere noch einmal durch eine gelbe Ebene gesäumt von verstreuten Gers.






Gegen Mittag erscheinen einige Gebäude, dann führt die Fahrspur in den Uferwald. Der Terelj teilt sich hier in 4 Arme, zwei davon überwinde ich problemlos von Stein zu Stein springend, bei zweien muss ich waten. Am Ufer des letzten Armes liegt ein parkartiges Gelände, voller Touristenzelte.

Eine Gruppe französischer Touristen hat ihren Fahrer überredet, seinen weißen Pkw durch die Fluten auf die andere Seite zu steuern. Dabei ist das Vehikel in der Mitte des Flussarmes stecken geblieben und das Wasser strömt ins Innere des Fahrzeuges. Ein anderer mongolischer Wagen durchquert das Gewässer mit mehr Glück, ein Abschleppseil wird gespannt und versucht das stecken gebliebene Fahrzeug aus dem Fluss zu ziehen. Leider bewegt es sich keinen Millimeter!



An Jurten und Holzhäusern des Dorfes Terelj vorbei, gelange ich an das Ende der Asphaltstraße, das von einem großen Hotel, mit chinesisch wirkendem, roten, geschwungenen Dach markiert wird. Die 32-jährige Mongolin Tunga sitzt hier im Gras und wartet auf Touristen, denen sie ihr Pferd für einen Ausritt vermieten kann. Heute hatte sie zwar noch keinen Kunden, aber als sie mich sieht, wittert sie nicht zu Unrecht ein Geschäft. Ich biete ihr ein Stück Schokolade an, dass leider schon ziemlich geschmolzen ist, und unterhalte mich mit ihr, denn sie spricht etwas englisch. Schon bald verrät sie, dass sie mir einen Wagen nach Ulan-Bator vermitteln kann. Rasch einige ich mich mit ihr über den bescheidenen Preis, dann geht sie ins Dorf.

Bald erscheint ein weißer Toyota, mit einem arroganten, jungem Schnösel am Steuer, der trotz der Hitze Handschuhe trägt. Natürlich will er mehr als den mit Tunga ausgemachten Preis, doch als ich standhaft bleibe, kann ich schließlich doch einsteigen.

Ich staune nicht schlecht, als er eine CD nach der anderen mit mongolischem Rap und Rock einwirft. Die Musik geht gut ab, man merkt, dass sie von den Nachfahren Dschinghis Khans stammt.

Dafür hat das Auto aber leichte Probleme. Wenn wir an eine Steigung gelangen, wird es zusehends langsamer. Bevor wir ganz stehen, wendet mein Chauffeur, und fährt im Rückwärtsgang kilometerlange Steigungen hoch! So etwas habe ich auch noch nicht gesehen.

Zunächst ist das Tal ziemlich schmal und von lichtem, goldenen Lärchenwald bestanden, dann weitet es sich zusehends. Glatte Granitfelsen kündigen das Tal der Schildkröten, eine große mongolische Touristenattraktion an. Zahlreiche Schilder machen auf Ger Camps aufmerksam, ein Kamel wartet auf mutige Reiter und ein Mann im Del hat einen großen Adler auf dem Arm.

Ich bin auf den Eingang des Nationalparks gespannt, da ich ja keinen Eintritt bezahlt habe, aber wir passieren die Kontrolle am Schlagbaum des großen Besucherzentrums ohne Probleme. Nach dem Nationalpark wird die Straße zunehmend belebter und auch meinem jungen, nur wenig englisch sprechendem Fahrer, wird die Geschichte mit dem Rückwärtsgang zusehends unheimlicher. Ich kann mir nicht vorstellen, es auf diese Art bis in die Hauptstadt zu schaffen, aber bezahle etwas Benzin an einer Tankstelle, dann geht es weiter. Bäume gibt es jetzt keine mehr in der Steppe, dafür viel Müll am Straßenrand. Um einen Polizeikontrollposten fahren wir einen abenteuerlichen Bogen durch eine Art Slum.

Doch schließlich erreichen wir Ulan Bator, und ich verlasse auf der Hauptstraße Peace Avenue den Wagen. Nach den Tagen in der Einsamkeit, ist es kaum zu glauben, welche Menschenmassen sich auf den Gehwegen der sommerlichen Hauptstadt bewegen.

Mein Ziel ist Zayas Backpacker Hostel, eine Unterkunft deren Beschreibung im Lonely Planet einladend klingt. Doch zunächst muss ich noch eine ganze Zeit lang die Hauptstraße entlang laufen. Zwar weist ein Schild an der Straße dann auf die Unterkunft in einem abseits der Peace Avenue gelegenem Block hin, doch ich benötige einige Anläufe und muss schließlich mongolische Passanten fragen, bis ich die wie ein normales Apartment in einem mehrstöckigen Haus wirkende Unterkunft gefunden habe.

Für 8 $ erhalte ich ein Doppelzimmer, das schon mit einem weiteren Gast belegt ist.

Wie gut die heiße Dusche tut, mit dem ich mir den porentiefen Schmutz der Wanderung abwasche! Schließlich stand das Waschen in den Gebirgsbächen nicht gerade im Vordergrund der Unternehmung.

Dann lasse ich mich zum Abendessen auf der sonnigen Terrasse des Chez Bernard nieder. Zunächst unterhalte ich mich mit einem älteren französischen Paar, das einen Monat lang im Geländewagen bis in den Altai gefahren ist. Dann komme ich mit einem jungen belgischen Pärchen ins Gespräch, das lange unterwegs sein will. In ihrem Land gibt es die tolle Regelung, dass junge Leute mit Arbeitsplatzrückkehrgarantie reisen zu dürfen und zusätzlich noch 500 € im Monat vom Staat zu erhalten. Klingt wie im Paradies!

Das Essen und besonders das kalte Bier schmecken herrlich, nach der eintönigen Kost unterwegs.

Zurück bei Zaya treffe ich Eric, einen 35-jährigen Schweden, der 8 Jahre in Japan Englisch unterrichtet hat, und jetzt auf einem Motorrad quer durch Sibirien auf dem Weg nach Hause ist. Von Wladiwostok hat er bereits 5000 Kilometer, meist auf Waldwegen durch die Taiga hierher zurückgelegt. Stellenweise lagen 200 Kilometer zwischen den Dörfern und Spuren von Holzeinschlag konnte er keine feststellen.

Eric ruft die Bekannte einer Mongolin an, die er in Japan kennen gelernt hat, und verabredet sich mit ihr für den Abend. Sie arbeitet als Kellnerin im Riverfront Pub, zu dem ich mit ihm im Taxi fahre. Es ist ziemlich wenig los in dem westlich modern eingerichteten Laden, daher kann die Kellnerin etwas früher Feierabend machen. Sie ist mit einer Freundin in einer Disco verabredet, also begleiten wir sie dorthin. Obwohl heute Dienstag und nicht Wochenende ist, ist der Laden voll. Wir sitzen mit einem Mongolen zusammen, der eigentlich in Kanada lebt und offenbar dort zu Reichtum gekommen ist. Die Musik ist so ähnlich wie bei meinem Chauffeur vom Nachmittag, ziemlich mitreißend. Neben mongolischer Musik fehlt auch Bumm Bumm Musik von Rammstein nicht. Aber richtig abgefahren sind die Live Shows a la Dschinghis Khan die hier geboten werden. In Fälle gekleidete Akteure liefern atemberaubende Akrobatik und Attraktionen wie das Schlucken von Schwertern.

Nicht mehr ganz nüchtern landen wir ziemlich spät wieder bei Zaya.

Gegen 9 Uhr morgens stehe ich mit leichtem Kater auf, und esse mal wieder mein gewohntes Müslifrühstück, da ich meine Vorräte auf der Tour nicht aufgegessen hatte. Ein holländisches Paar, dem ich in der Küche begegne geht jedes Jahr für einige Monate auf Reisen. Nach Ulan Bator sind sie mit der Transsibirischen Eisenbahn gelangt, und wissen noch nicht so recht, was sie in der Mongolei unternehmen wollen.

Mein erster Weg führt mich ins Büro von Aeroflot, wo ich meinen Flug für übermorgen ohne Probleme bestätigen kann. Etwas ziellos bummele ich danach durch die Stadt. Bei Chez Bernard trinke ich einen Ananassaft, wobei ich den Straßenkindern zuschaue. Relativ häufig bekommen sie von Touristen und Einheimischen etwas zum Essen.

Im State Department Store bewundere ich die riesige Auswahl an Souvenirs. Ob kitschige Bilder, Wolfsfelle oder Bögen, alles findet man hier.

Zurück bei Zaya erfahre ich, dass ich mein Quartier räumen muss, denn eine größere Gruppe von Deutschen hat das Zimmer gebucht. Es tut Zaya, einer quirligen Mongolin in den Vierzigern sichtlich leid, mich auf diese Weise ausquartieren zu müssen. Allerdings bietet sie gleich Ersatz an. Ich könnte in ihrem privaten Domizil schlafen, das sie nur mit ihrer Tochter bewohnt, während ihr Mann in Ägypten als Diplomat arbeitet. Das ist mir denn doch etwas zu viel Familienkontakt! Aber Zaya hat ein anderes Angebot, ein Stück die Straße abwärts betreibt sie ein weiteres Hostel im Apartment Stil, wo ich in einem 4-Bettzimmer unterkommen kann. Dieses Apartment gefällt mir sogar besser als das erste, vor allem weil es eine schnelle Internetverbindung für die Gäste zur Verfügung stellt.

Mit im Zimmer sind eine schüchterne Amerikanerin, die am Rande der Gobi in einem Projekt Argalischafe erforscht hat, und der sympathische Chinese Jee.

Heute Abend gehe ich mal nicht zu Chez Bernard, sondern esse in dem guten italienischen Restaurant Pizza della Casa. So eine feine Pizza würde man auch auf Anhieb nicht in Ulan Bator vermuten. Aber wie ich immer wieder feststelle, seit dem Ende des Kommunismus ist hier alles möglich.

Zurück bei Zaya beschließen Jee und ich auf ein Bier in die Stadt zu gehen. Leider wird die Kneipe in der eine Bekannte von ihm die tags als Journalistin und abends als Kellnerin arbeitet, gerade renoviert. Daher suchen wir uns einen anderen Laden, der hauptsächlich von kleinen Gruppen junger, gestylter Mongolinnen besucht wird.

Jee der 45 ist, aber aussieht wie 30 erzählt mir viel von seinem Leben. Geboren in Vietnam, aufgewachsen in Seattle und von dort aus Liebe nach Holland gezogen, hat er die Fotografie erlernt, aber in vielen anderen Jobs gearbeitet. In Holland besaß er sogar ein Haus. Aber seit dem er vor 2 Jahren geschieden wurde, reist er fast nur noch, was er auch schon früher mit Leidenschaft betrieben hatte. Zwar bewundert er solche Touren wie ich sie in der Mongolei unternommen habe, bleibt selber aber doch mehr in den ausgefahrenen Wegen. In der Mongolei unternahm er mit anderen eine 2-wöchige Jeeptour, bei der ihn die Landschaft sehr begeistert hat. Obwohl ich anders lebe, inspirieren mich Jee und sein Motto „Go with the flow“. Da ich ziemlich müde vom gestrigen Abend bin, treten wir schon beizeiten den Rückweg an.

Es ist erstaunlich, wie viele interessante Gäste man hier trifft. Eine Amerikanerin ist mit zwei Schweden die in Colorado als Skilehrer arbeiten auf den Gipfel des Tavan Bogd Ul geklettert. Mit über 4000 m ist er der höchste Berg der Mongolei. Anschließend sind die beiden Männer wahrscheinlich als erste mit Skiern runtergefahren!
Schließlich beschließen Jee und ich zum Winterpalast des Bogd Khan zu wandern. Eine rote Smogwolke liegt über der Stadt und manche Leute tragen einen Atemschutz!

Der Palast war die Unterkunft des letzten Gottkönigs der Mongolei, der um die Wende zum 20 Jahrhundert gelebt hat. Offenbar war er sehr an Tieren interessiert, denn eine erstaunliche Sammlung von ausgestopften Vögeln und Säugern aus aller Welt wird hier ausgestellt. Sogar einen lebenden Elefanten hatte der Bogd Khan in 2 jähriger Anreise sich hierher kommen lassen! Faszinierend sind auch die farbenprächtigen Gewänder und üppigen Pelze die er und seine Gattin trugen, sowie die zahlreichen Thanka genannten Stoffbilder die Motive aus dem Buddhismus darstellen. Jee, der in China als Fremdenführer gearbeitet hat, kann mir zwar einige Auskünfte geben, aber als eine deutsche Reisegruppe mit in ihrer Muttersprache dozierender Führerin auftaucht, schließen wir uns ihr für einige Zeit an. Es gibt hier Souvenirläden und der Palast ist offenbar ein beliebtes Ziel für Bustouristen.

Zum Mittagessen gehen Jee und ich in den Biergarten der Khan Bräu Brauerei. Er ist zwar ziemlich dich an der Straße gelegen, vermittelt ansonsten aber durchaus Bayernatmosphäre.

Leider habe ich Magenschmerzen und fühle mich auch sonst sehr schlapp, daher esse ich nichts.

Bald gesellt sich eine deutsche Studentin zu uns, die Jee bereits kennt. Für ihre Diplomarbeit in Tourismus befragt sie Besucher anhand eines Bogens mit vielen Fragen aus verschiedenen Bereichen. Offenbar hat sie sogar schon ein Jobangebot hier im Land erhalten.

Nachdem sowohl Jee als auch ich die passenden Souvenirs gefunden haben, verbringen wir den Nachmittag in der familiären Atmosphäre bei Zaya.

Abends gehen wir noch einmal zum Chez Bernard. Inzwischen habe ich sogar Fieber und esse nicht einmal meinen Teller auf, was sehr ungewöhnlich für mich ist.

Ich hoffe dass ich Morgen, wenn ich zurück nach Deutschland fliege, wieder fit bin.

Früh am nächsten Morgen noch bei Dunkelheit trete ich vor die Tür, wo das von Zaya bestellte Taxi schon wartet und mich zum Airport bringt. Es geht mir tatsächlich wieder besser. Die Abfertigung läuft etwas chaotisch ab, da gleichzeitig die Passagiere für einen Flug nach Korea eingecheckt werden, aber zu guter Letzt hebt meine Maschine fast pünktlich ab.

Noch einmal sehe ich aus der Luft die unendlichen gelben Weiten der mongolischen Steppe vorbeiziehen. Ich denke an meine Abenteuer in der Wildnis dieses Landes und glaube, dass ich irgendwann zurück kommen werde, um weitere Ecken der Mongolei zu entdecken.

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